deutschland Archive – Dennis Schmolk https://dennisschmolk.de/tag/deutschland/ Kontakt: dennis@dennisschmolk.de Sun, 16 Jun 2024 15:45:53 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.6.2 https://dennisschmolk.de/wp-content/uploads/2023/08/cropped-oKajK5kXZmHLTZso5N5C-1-2mlpj-32x32.png deutschland Archive – Dennis Schmolk https://dennisschmolk.de/tag/deutschland/ 32 32 Was ist das deutsche Durchschnittsvermögen – und wie vergleicht man das? https://dennisschmolk.de/2021/08/23/was-ist-das-deutsche-durchschnittsvermoegen-und-wie-vergleicht-man-das/ https://dennisschmolk.de/2021/08/23/was-ist-das-deutsche-durchschnittsvermoegen-und-wie-vergleicht-man-das/#comments Sun, 22 Aug 2021 23:05:58 +0000 https://dennisschmolk.de/?p=2500 Machen wir uns nichts vor: Die klassische Abstiegsangst der Mittelklasse kennt heute vor allem zwei Ausprägungen. Die erste betrifft den Gymnasialübertritt des Nachwuchses, die zweite die Altersarmut. (Von der einstmals ebenfalls klassischen Aufstiegshoffnung der Mittelklasse schweigen wir hier, denn sie wurde seit Längerem nicht mehr gesichtet.) Handeln wir das mit dem symbolischen bzw. institutionalisierten kulturellen Kapital mal rasch ab: Die Studienberechtigtenquote liegt laut Statistischem Bundesamt (künftig: Destatis) seit 2010 kontant ... Mehr

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Machen wir uns nichts vor: Die klassische Abstiegsangst der Mittelklasse kennt heute vor allem zwei Ausprägungen. Die erste betrifft den Gymnasialübertritt des Nachwuchses, die zweite die Altersarmut. (Von der einstmals ebenfalls klassischen Aufstiegshoffnung der Mittelklasse schweigen wir hier, denn sie wurde seit Längerem nicht mehr gesichtet.) Handeln wir das mit dem symbolischen bzw. institutionalisierten kulturellen Kapital mal rasch ab: Die Studienberechtigtenquote liegt laut Statistischem Bundesamt (künftig: Destatis) seit 2010 kontant über 50%. Da die Mittelklasse weniger Kinder kriegt als früher und als andere Klassen, können wir also davon ausgehen, dass die erste Ausprägung beruhigt zur Seite gelegt werden kann.

Kommen wir also zur zweiten Frage und gucken uns – nach dem Durchschnittseinkommen – diesmal das Durchschnittsvermögen an. Wir nehmen wieder ein fiktives Paar um die 30 als Ausgangspunkt. Die beiden fragen sich wiederum, wie sie im Deutschlandvergleich abschneiden und vor allem, welches Vermögen für ihr Lebensalter „normal“ wäre. Dabei wollen wir uns aber natürlich auch angucken, wie das mit dem Thema Vermögen insgesamt in Deutschland aussieht und in welchem Lebensalter man durchschnittlich welchen Betrag hat. Spoiler: Es wird an einigen Stellen etwas verwirrend.

Unser Paar

Nähere Infos zu den beiden gibt es im vorherigen Beitrag zum Durchschnittseinkommen. Beim Vermögen sind die beiden aus ihrer Sicht auch nicht schlecht aufgestellt: Sie haben ja auch, siehe den genannten Beitrag, eine hohe Sparrate von 725 Euro im Monat. Diese halten sie nun schon seit 4 Jahren durch und haben folglich jeweils 4*12*725=34.800 Euro auf der hohen Kante.

Nehmen wir mal an, beide haben das Geld einfach auf einem Sparkonto Tagesgeldkonto liegen, weil sie bislang (wie relativ viele Deutsche, s.u.) andere Anlagen als eher riskant einstufen. Das ist auch der Grund, dass sich das Geld nicht vermehrt hat (sondern aufgrund der seit einigen Jahren wieder positiven Inflation relativ zur Kaufkraft weniger geworden ist).

Hier gleich ein Fun Fact: Aus Daten der Bundesbank lässt sich die Realverzinsung von Spareinlagen schön aufbereiten. Es sieht also seit ca. 2010 tendenziell tatsächlich eher nicht so rosig aus für das Sparbuch und längerfristige Anlagen.

Für Sichteinlagen (wie Tagesgeld) existieren offenbar leider erst seit Mitte der 90er Datenreihen. Kurzfristige Anlagen waren auch vorher öfter (real) negativ verzinst, aber erst seit 2010 befinden wir uns auch für langfristige Anlagen in einem dauerhaften Tief, aus dem es auch kein Entrinnen zu geben scheint (Prognosen der Bundesbank).

Verwendete Maße

Kommen wir zu unseren ersten Vermögens-Mittelwerten. Wie üblich werde ich folgende Nomenklatur verwenden:

  • Durchschnitt = arithmetisches Mittel, also (a+b+c+…+n)/n. Bei diesem Maß verfälschen extreme Werte den Mittelwert stärker: Zehntausend normale Menschen plus Bill Gates sind sehr, sehr viel reicher als hunderttausend normale Menschen.
  • Median = der Wert, der die untersuchte Gruppe in Hälften teilt. Heißt: 50% haben mehr, 50% haben weniger. Bill Gates fällt hier als Datensatz überhaupt nicht ins Gewicht – einzelne Extremfälle verzerren das Maß nicht.
  • Mittelwert = beide Maße.

Erste Mittelwerte

In Deutschland finden wir fürs Vermögen viele verschiedene Quellen. Die Bundeszentrale für politische Bildung geht in einem Report über das Jahr 2017 von folgenden Zahlen aus:

Im Durchschnitt verfügten in Deutschland im Jahr 2017 alle Personen ab 17 Jahren über ein Nettovermögen von 108.449 Euro. Der Median der Vermögensverteilung, also der Wert, der die reichere Hälfte von der ärmeren trennt, lag allerdings bei nur 26.260 Euro. Anders formuliert verfügte die eine Hälfte der Erwachsenen über ein Vermögen von weniger und die andere Hälfte über ein Vermögen von mehr als 26.260 Euro. (H.v.DS)

Wichtig zu wissen: Hierbei geht es jeweils um das Nettovermögen, also dem Vermögen nach Abzug von Schulden (Aktiva minus Passiva, für die Buchhalter*innen unter den Lesenden). Da unser Beispielpaar schuldenfrei ist, spielt das aber erstmal keine Rolle.

Wo stehen die beiden nun?

Wir sehen, dass sie nach den bpb-Zahlen also in der oberen Hälfte der Verteilung stehen, wenn auch nur knapp. Daher brauchen wir zur Verortung detailliertere Vergleichswerte. Dazu berechnen wir (bzw. die bpb) das arithmetische Mittel des Vermögens für einzelne Subgruppen der Gesellschaft, die jeweils die 0-10% ärmsten, 10,1-20% der ärmsten usw. Personen umfassen. Alle Zahlen ebenfalls bpb:

  • Das unterste Zehntel der Privatpersonen ist verschuldet, und zwar mit durchschnittlich 12.765 Euro.
  • Das zweitunterste Zehntel hat kein Vermögen.
  • Das sechstunterste Zehntel hat schon ein Durchschnittsvermögen von 40.681 Euro, also mehr als unser Paar. Diese Gruppe besitzt übrigens 3,8% von allem Vermögen in Deutschland.
  • Je weiter wir die Verteilung nach oben klettern, desto extremer werden die Werte: das 7. Zehntel hat schon fast 80.000 Euro, das 8. hat 130.000 Euro, das 9. hat 211.000 Euro und beim höchsten Zehntel liegt mehr als die Hälfte allen Vermögens, im Schnitt über 600.000 Euro.

Unser erster Eindruck ist also, dass a) die beiden nicht schlecht dastehen (besser als die Hälfte, obwohl sie noch relativ jung sind) und b) dass alles ziemlich ungleich verteilt zu sein scheint.

Exkurs: Die Vermögensverteilung in Deutschland ist extrem ungleich (Gini-Index)

Für den Vergleich der Ungleichheit zwischen Staaten existiert der sogenannten „Gini-Koeffizient“. Zur Herleitung und eventuellen Problemen mit dem Maß siehe Wikipedia. Laut Hans Böckler Stiftung (PDF, S.7) hatte Deutschland den zweithöchsten Gini-Koeffizienten Europas nach Litauen – mit einem Wert um 0,8. Das heißt, bei uns sind die Vermögen extrem ungleich verteilt. Zum Vergleich: Italien, Spanien, Griechenland, Belgien und Polen lagen bei nur 0,6, die Slowakei sogar nur bei 0,5. Für das Jahr 2019 gibt es im „Global Wealth Databook“ der Credit Suisse aktualisierte Zahlen. Nun liegen Dänemark, die Ukraine, Schweden und die Niederlande in Sachen Ungleichheit vor Deutschland.

Der reale Wert könnte allerdings (überall) noch höher liegen, da es in vielen Ländern wie in Deutschland keine Verpflichtung gibt, Vermögen offenzulegen. Da das Kapital grundsätzlich eher ein Interesse haben dürfte, Ungleichheit zu verbergen oder von Ungleichheit abzulenken, die Vermögensforschung in Deutschland zudem lange eher stiefmütterlich behandelt wurde, fehlen hier sicherlich viele Datenpunkte.

Bei einer bevölkerungsrepräsentativen Stichprobe (wie dem [Sozioökonomischen Panel]) werden sehr hohe Vermögen tendenziell untererfasst: Milliardäre und hochvermögende Millionäre sind nicht oder nur unzureichend in der Stichprobe enthalten. Das Ausmaß der tatsächlich in Deutschland vorhandenen Vermögensungleichheit wird dadurch unterschätzt. [bpb]

Wen das Thema tiefer interessiert: Unterteilt man die Gesellschaft nicht in 10%-Blöcke, sondern in 1%-Blöcke, ergeben sich astronomische Werte für das oberste Prozent. Es sind wenige sogenannte „high net worth individuals“, Superreiche, die das Vermögen horten. Ich würde ja empfehlen, die Wahlentscheidung in 4 Wochen von dieser Information beeinflussen zu lassen, nur scheint das keine der großen Parteien zu interessieren. Schade.

Weitere Vergleichsmöglichkeiten

Wie kann sich unser Beispielpaar weiterhin vergleichen? Hier bieten sich insbesondere ihre Lebenssituation sowie ihr Lebensalter an.

Einkommensverteilung

Die bpb hat auch eine Statistik nach Einkommensgruppen 2017. Leider sind die dortigen Zahlen nur in Dezilen der Einkommensverteilung angegeben, nicht in absolutem Einkommen. Zugrundgelegt ist das Nettoäquivalenzeinkommen (siehe den vorherigen Beitrag). Wir wissen, dass unser Paar mit 2175 Euro NÄE etwas über dem Median liegt; daher rechne ich sie hier ins 6. Zehntel. Damit beträgt ihr Referenz-Durchschnittsvermögen (ich vermute, ohne Immobilien) 76.000 Euro, also deutlich mehr, als sie jeweils haben. Interessanterweise hätten sie ein höheres Durchschnittsvermögen, würden sie ein Dezil tiefer liegen (84.000 Euro); leider liefert die bpb hierfür keine Interpretation.

Bei Destatis (PDF, S. 30f) finden wir heraus, dass unser Paar mit einem Haushaltsnetto von 4000 Euro statistisch einen durchschnittlichen Haushalts-Nettogesamtvermögenswert von 255.000 Euro haben müsste (Median: 170.000 Euro). Wie lange sie dafür wohl noch sparen müssen?

Zu dieser Frage ist der Exkurs zu den Sparraten in der bpb-Quelle spannend:

Je höher die Haushalte in der Einkommensskala rangieren, desto höher ist der Anteil der Haushalte, die regelmäßig sparen, und desto höher ist auch der Anteil vom Einkommen, der gespart wird.

Beispielsweise lag nach den Daten der Einkommens- und Verbraucherstichprobe (EVS) bei den Haushalten in Deutschland die Sparquote – also der Anteil der Ersparnisse am Nettoeinkommen – im Jahr 2013 bei durchschnittlich 17,5 Prozent. Im einkommensstärksten Zehntel (10. Dezil) lag die Quote jedoch bei 37,5 Prozent – was im Durchschnitt einer Ersparnis von 2.687 Euro pro Monat entsprach. Im 9. Dezil lag die Sparquote bei 23,6 Prozent und die durchschnittliche Ersparnis bei 1.069 Euro pro Monat.

Die beiden sparen also, wie schon im ersten Artikel angebracht, deutlich überdurchschnittlich. Das sollte sich im Laufe ihres Lebens doch bezahlt machen:

Lebensalter

Unser Paar ist um die 30, sagen wir: genau 30. laut einer weiteren bpb-Aufbereitung des sozioökonomischen Panels müssten sie dann als Westdeutsche 24.000 Euro pro Kopf haben (Osten: nur 9000 Euro!); das entspricht ziemlich genau dem Durchschnitt aller Mieter (s.u.). Man kann also sagen: Mieter bleiben im Durchschnitt immer 30 …

Aber bleiben wir kurz beim Kriterium Lebensalter:

  • In einem Jahr, mit 31, rutschen sie in die nächste Kategorie „31–35“ und müssten schon 47.000 Euro haben (Osten: 23.000), um mit dem Durchschnitt mitzuhalten. Das schaffen sie mit der aktuellen Sparrate nicht.
  • Wären sie heute 41, hätten sie im Durchschnitt 118.000 Euro (Osten: 63.000 Euro), also  – aber auch 10 Jahre mehr Zeit gehabt, zu sparen. Ohne Inflation und Verzinsung zu berücksichtigen: 10*12*750=90.000 Euro. Damit hätten die beiden also jeweils 125.000 Euro und somit weiterhin etwas über dem Schnitt.
  • Mit 51 läge das Durchschnittsvermögen bei 155.000 Euro (Osten: 104.000 Euro); hätten die beiden ihre Sparrate durchgehalten, lägen sie bei 215.000 Euro und damit schon deutlich über dem Schnitt. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass die beiden ihre Einkommen gesteigert und daher mehr auf die hohe Kante gelegt hätten.
  • Mit 66, dem optimistischen Renteneintrittsalter, hätten die beiden etwa 260.000 Euro. Der Durchschnitt hat 191.000 Euro (Osten: 67.000 Euro!!!).
  • Danach werden Erbschaften und Schenkungen von Eltern oder Partnern relevant und das Vermögen steigt, bevor es dann verbraucht wird.

Die 255.000 Euro aus der dem letzten Abschnitt zugrundeliegenden Tabelle haben sie also nach 10 Jahren eingeholt; oder anders gesagt: Der Durchschnittshaushalt der Tabelle ist also in der Lebenswelt des Paares etwa 40.

Bei all diesen Rechenspielen sollte übrigens man nicht vergessen, dass hier immer das arithmetische Mittel gemeint ist, die jeweilige Gruppe also von Extremwerten „verfälscht“ sein dürfte und der Vergleich daher nicht immer zwingend repräsentativ ist!

Soziale Stellung: Arbeitnehmer

Bei Destatis (PDF, S. 28f) finden wir für einen Arbeitnehmerhaushalt heraus, dass der Nettogesamtvermögens-Durchschnitt bei 143.000 Euro liegt, also beim doppelten unseres Paares. Der Median liegt mit 48.000 Euro allerdings deutlich darunter. Selbstständige haben hier übrigens einen Durchschnitt von 370.000 und einen Median von 192.000 Euro aufzubieten … ob sich also ein Karrierewechsel lohnt?

Wohnsituation: Miete

Unser Paar wohnt zur Miete, was grundsätzlich mit niedrigerem Vermögen korreliert:

Große Unterschiede bei der Höhe des Vermögens bestehen auch bei Mietern und Eigentümern. Der Anteil der Besitzer einer selbstgenutzten Immobilie lag im Jahr 2017 bei knapp 39 Prozent. Ihr durchschnittliches Nettovermögen lag bei rund 225.400 Euro. […] Personen, die zur Miete wohnen – immerhin die Hälfte der gesamten erwachsenen Bevölkerung in Deutschland –, hatten im Jahr 2017 durchschnittlich ein Nettovermögen von etwa 24.100 Euro. [bpb]

Unsere beiden liegen also über dem Schnitt für Mieterinnen und Mieter, aber deutlich unter dem Durchschnittsvermögen von selbstnutzenden Eigentümern – wobei ich annehme, dass in dieser Gruppe das Wohneigentum den größten Teil des Vermögens ausmacht. (Vorsicht übrigens vor der Schlussfolgerung, dass die beiden nur ein Haus kaufen müssten, um reicher zu werden; das verwechselt Korrelation und Kausalität … Ob mieten oder kaufen günstiger kommt, hängt von sehr vielen Faktoren ab und sprengt hier den Rahmen. Finanztip hat was dazu, aber deren Glaskugel für Immobilienpreise ist so gut wie meine.)

Wohnsituation: Zwei-Personen-Haushalt (Haushaltsvermögen)

Unser Paar wohnt ja zudem zu zweit. Paare ohne Kinder hatten laut Destatis (PDF, S. 24) 2018 ein Nettogeldvermögen von durchschnittlich 76.000 Euro (also nur wenig mehr als unser Pärchen mit seinen 70.000 Euro). Alleinlebende übrigens ziemlich genau die Hälfte, nämlich 39.000 Euro. Paare mit Kindern hatten nur 55.700 Euro.

An dieser Stelle würde ich mir eine Angabe als „Nettoäquivalenzvermögen“ wünschen; legte man die gleichen Faktoren zugrunde wie beim Einkommen, hätten die beiden 70.000/1,5=46.666 Euro, also gleich einen guten Schwung mehr. Aber dieses Maß kommt in der Literatur quasi nicht vor.

Sieht man sich, z.B. beim Statistischen Bundesamt, das Haushaltsvermögen an, stößt man auf interessante Zahlen (für das Jahr 2018):

  • Im Durchschnitt haben die deutschen Haushalte ein Netto-Geldvermögen von 55.000 Euro. Unser Paar liegt mit den gemeinsam angesparten 70.000 Euro also ein gutes Stück darüber.
  • Daneben stehen „Verkehrswerte“ (also v.a. Immobilien, nehme ich an, zum Teil noch belastet) von 136.000 Euro pro Haushalt.
  • Unterm Strich ergibt sich ein „Nettogesamtvermögen“ pro Haushalt von 162.000 Euro.

Wir sehen schon, dass hier offenbar die Immobilien einen erheblichen Anteil ausmachen. Grund genug, sich die Struktur des Vermögens mal genauer anzugucken:

Inventur: Was liegt im Sparsäckel der Deutschen?

Unser Paar hat, wie gesagt, nur Tagesgeld. Die Deutschen allerdings nicht.

Aufteilung des Bruttogeldvermögens

Laut Destatis teilte sich das Bruttogeldvermögen (durchschnittlich 58.000 Euro im Jahr 2018) auf in

  • 29% Wertpapiere (17.000 Euro)
  • 28% Sparguthaben (ich habe hier Sparguthaben und Tagesgeldguthaben zusammengerechnet, weil das für mich keinen Unterschied macht; zusammen 16.300 Euro)
  • 25% Lebensversicherungen o.ä. (14.500 Euro)
  • 17% Sonstiges Bankguthaben (incl. Bausparen, ein Wort, das ich nicht mal sauber tippen kann; zusammen 9.600 Euro)

Immobilienbesitz

Insgesamt besitzen (PDF, S. 24)

  • 31% der deutschen Haushalte ein Einfamilienhaus
  • 14% eine Eigentumswohnung
  • 14% etwas anderes (Bauland, Mehrparteienhäuser etc.)

Aufteilung des Gesamtvermögens

Ebenfalls bei Destatis finden wir noch eine größere Statistik aus der Einkommens- und Vergleichsstichprobe (Seitenzahlen beziehen sich auf das eben verlinkte PDF).

Insgesamt sind diese Tabellen etwas umständlich zu lesen und zu interpretieren, weil man sich erstmal entscheiden muss, ob man jeweils die Mittelwerte für alle Haushalte oder für die Haushalten, die Angaben zur jeweiligen Kategorie gemacht haben, werten will; da wir ja unser Paar mit allen vergleichen wollen, nehmen wir den ersteren Fall. Zudem kann man hier nach aus dem ersten Artikel bekannten Kriterien unterscheiden (Haushaltsgröße, Stellung etc.).

Näher kommen wir der Aufteilung des jeweiligen Vermögens auf verschiedene Vermögensklassen leider nicht; „den deutschen Haushalt“ scheint es nur in einem zur Unkenntlichkeit verstümmelten Durchschnitt zu geben.

Ich nehme hier nur den einfachsten Fall, die Werte für alle Haushalte für Gesamtdeutschland aus dem Jahr 2018 (S. 16f). Ich lasse einige Werte weg, trotzdem wird das ziemlich extensiv:

  • Durchschnitt Bruttogeldvermögen: 58.400
  • Median Bruttogeldvermögen: 18.100
  • Durchschnitt Nettogeldvermögen: 55.400
  • Median Nettogeldvermögen: 15.500
  • Durchschnitt Verkehrswert: 136.000
  • Median Verkehrswert: keiner (der Median besitzt kein Haus)
  • Durchschnitt Bruttogesamtvermögen: 194.000
  • Median Bruttogesamtvermögen: 61.700
  • Durchschnitt Schulden: 31.800
  • Median Schulden: keiner (der Median hat keine Schulden)
  • Durchschnitt Nettogesamtvermögen: 162.000
  • Median Nettogesamtvermögen: 46.900

Unser Paar liegt mit seinen 70.000 Euro also deutlich unter dem Schnitt, aber auch deutlich über dem Median des Nettogesamtvermögens. Das Geldvermögen (und damit die Liquidität, die ja auch vor Schulden bei Schicksalsschlägen schützt oder später ein Häuschen kauft) liegt sogar deutlich über allen Mittelwerten. Ob das gut ist oder doch mal was in einen ETF wandern sollte, sei dahingestellt. Die Deutschen hätten jedenfalls in ihrem durchschnittlichen Bruttogeldvermögen von 58.400 Euro einen Wertpapier-Anteil von 16.900 Euro, der sich aufteilt in

  • 6200 Euro in Aktien
  • 8200 Euro in Fonds, davon 3700 Euro in Aktienfonds
  • Die restlichen knapp 3000 Euro verteilen sich auf Geldmarktfonds etc.

International

Wiederum Credit Suisse ist Quelle der Wikipedia-Liste der „Länder nach Vermögen pro Kopf„. Dort landen wir auf Platz 18 (Durchschnitt 270.000 Dollar); Platz 1 belegt die Schweiz (Durchschnitt 675.000 Dollar), den letzten Platz 163 belegt Burundi (728 Dollar). Europa hat insgesamt einen Schnitt von 150.000 Dollar, damit nur etwas mehr als ein Drittel der USA (415.000 Dollar), aber dreimal so viel wie China (58.000 Dollar). In der Liste der „Länder nach Gesamtvermögen“ liegen wir interessanterweise auf Platz 4, hinter den USA, China und Japan.

Fazit

Insgesamt scheint mir das Thema Vermögen noch schwerer zu beleuchten als das Thema Einkommen (gemeint: Einkommen aus abhängiger Beschäftigung oder selbstständiger Arbeit). Das fängt schon damit an, dass oft nicht klar wird, ob nun das Vermögen von Personen oder von Haushalten gemeint ist; ob man von Bruttovermögen oder Nettovermögen spricht und was jeweils genau damit gemeint ist; dass man zu Begriffen wie „Nettoäquivalenzvermögen“ quasi nichts ergooglen kann; und dass grundsätzlich alles Schätzungen und Extrapolationen sind.

Aber selbst aus den leicht zugänglichen Quellen wird schnell klar, dass Vermögen erheblich ungleicher verteilt sind als Erwerbseinkommen. (Kapitaleinkommen zu untersuchen traue ich mich nicht, da findet sich vermutlich gar keine widerspruchsfreie Quelle mehr.) Das ist einerseits problematisch, weil Vermögen prinzipiell gleichbedeutend ist mit Kapital, also potenziellem Produktionsmittel. Diese liegen in den Händen weniger.

Und zweitens, weil Vermögen ja auch eine Einkommensquelle ist: Zinsen mögen niedrig sein, aber Dividenden sind hoch wie nie, von wirklich lukrativen Investitionen ganz abgesehen, die nur den Betuchtesten zur Verfügung stehen (Cum Ex, Cum Cum, da kommt was rum, oder so).

Wie schon weiter oben erwähnt: Man würde sich wünschen, dass dieses relativ schlecht versteckte Problem weiter oben auf der politischen Agenda stünde; aber dem Kapital sind noch immer Nebelkerzen und Manöver eingefallen, davon abzulenken.


Beitragsbild: bpb

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Diese Frage stelle ich mir schon lange und immer wieder, ohne dem Thema so richtig näher gekommen zu sein. Irgend eine Zahl um 3000 Euro schwirrt mir dabei durch den Kopf, aber die kann ich nicht mal auf brutto oder netto eingrenzen. Ergo dachte ich mir, ich lese mal ein paar Tabellen und halte meine Ergebnisse hier fest. Ich kann nicht garantieren, dass ich jeweils die aktuellste Quelle verwendet habe und freue mich über Anmerkungen! Für eine zukünftig bessere Intuition beim Thema Gehalt sollte dieser Artikel aber auf jeden Fall sorgen.

Vorweg: Was das „Durchschnittseinkommen“ ist, ist nicht pauschal zu beantworten; entscheidend ist, wonach man genau fragt bzw. womit man sich oder jemanden vergleichen will. Wir gehen hier davon aus, dass man einfach sehen will, wo man selbst in der Einkommensverteilung Deutschlands steht. Die eigene Stellung im Sozialgefüge zu beobachten scheint ein Grundbedürfnis zu sein, weshalb Gehaltstatistiken sehr clickstarker Content sind, vom Wirtschaftsmagazin bis zur Tageszeitung. Der Mensch vergleicht sich gerne. Das ist nicht unbedingt gut für ihn, es macht nämlich unglücklich. Ein häufiger Selbsthilfe-Tipp lautet denn auch, sich allerhöchstens mit sich selbst einige Jahre zuvor zu vergleichen, nicht mit anderen. Leider steht diesem cleveren Tipp in der Praxis die Neugier entgegen, die ja nicht aufhört, nur weil man sie als destruktiv erkannt hat (ein Problem seit Adam und Eva).

Maßzahlen: verfügbares Einkommen, Einkünfte, brutto, netto, Durchschnitt oder Median?

Wir wollen also wissen, wie wir dastehen. Maßgeblich ist hier also erstmal das sogenannte verfügbare Einkommen des jeweiligen Haushalts oder Haushaltsmitglieds, wobei wir uns mit den genauen Eigenschaften dieses Maßes hier näher auseinandersetzen wollen. Dazu brauchen wir eine erste empirische Zahl, die vermutlich eher nur Sozialstatistiker aus dem Effeff parat haben: die Zahl der Deutschen Haushalte und deren Haushaltsmitglieder. Die Bundeszentrale für politische Bildung sagt darüber für das Jahr 2019:

41,5 Millionen Haushalte mit 82,8 Millionen Haushaltsmitgliedern [bpb]

Im Schnitt hat ein Deutscher Haushalt also sehr exakt 2 Mitglieder, übrigens die niedrigste je gemessene Zahl. Die Struktur der Haushalte und deren Entwicklung ist ebenfalls interessant, spielt hier aber leider nur eine untergeordnete Rolle – denn unser Maß des verfügbaren Haushaltseinkommens hat ein paar Schwächen, um Ungleichheit festzustellen:

  • Es berücksichtig nicht, wie viel vom Einkommen unterm Strich übrig bleibt; es geht nur um das, „was reinkommt“.
  • Es berücksichtigt daher weder Vermögen noch die individuelle Fähigkeit, Vermögen aufzubauen.
  • Es blendet den Ungleichheits-Faktor Erbschaft aus.
  • Es verzerrt gegebenenfalls die Vergleichbarkeit mit der eigenen Situation, weil vom Alg2-Empfänger-Haushalt bis zur verwitweten Rentnerin jedes Haushalt gleich behandelt wird.

Durchschnittseinkommen eines „Haushalts“

Bevor wir uns der Konkretisierung des Maßes zuwenden, fragen wir: Was verdient so ein Haushalt nun „im Schnitt“?

Das durchschnittliche monatliche Haushaltsbruttoeinkommen der Privathaushalte in Deutschland belief sich nach Ergebnissen der Laufenden Wirtschaftsrechnungen im Jahr 2019 auf 4 734 Euro. Wichtigste Einnahmequelle mit einem Anteil von fast 65 % waren die Einkünfte aus Erwerbstätigkeit. [Statistisches Bundesamt]

Haushaltsbruttoeinkommen im monatlichen Durchschnitt 2018: 4846 Euro, netto: 3661 Euro [Ergebnisse der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS).]

Durchschnittswert als Grundlage der Rentenberechnung: „Entgeltpunkte“ oder „Rentenpunkte“

Einen wichtigen Anhaltspunkt des Durchschnitts unter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die in die Rentenkasse einzahlen, liefert der „Entgeltpunkt“. Der ist so definiert:

Das indiviudelle [sic] Jahreseinkommen wird durch das durchschnittliche jährliche Einkommen aller Versicherten geteilt. Dieses Durchschnittsentgelt liegt aktuell bei 40.551 € brutto im Jahr. Wer im Schnitt liegt, erzielt pro Jahr einen Entgeltpunkt (1,0). [DRV, Tooltip in der Berechnungsformel]

Oder auch: Wer 2021 x Euro Jahresbrutto hat, verdient x Euro/40551 Euro Rentenpunkte.

Nettoäquivalenzeinkommen

Daneben gibt es noch das „Nettoäquivalenzeinkommen“ (ÄE). Das ist kein verfügbares Einkommen, sondern eine komplexere Maßzahl, die den Lebensstandard einberechnet. Dafür wird das Haushaltseinkommen addiert und durch einen Faktor geteilt. Eine Beispielrechnung findet sich weiter unten. Erstmal die Werte laut Destatis:

Durchschnittliches Äquivalenzeinkommen in EUR je Jahr, 2019: 26.105 Euro (entspricht 2175 Euro je Monat, Anm. DS)

Median des Äquivalenzeinkommens in EUR je Jahr, 2019: 23.515 Euro (entspricht 1960 Euro je Monat, Anm. DS)

D.h., jeder Bundesbürger und jede Bundesbürgerin von 0 bis 112 (die älteste Bundesbürgerin ist offenbar gerade so alt) hat durchschnittlich einen Lebensstandard, als hätte sie 2175 Euro im Monat zur Verfügung, im Median 1960 Euro. (Median bedeutet: 50% der Menschen haben mehr, 50% weniger. Im folgenden benutze ich den Begriff Durchschnitt immer für das arithmetische Mittel.)

In diesem Bericht ab Seite 15 findet man übrigens verschiedene Median-ÄE.

Ein fiktives Beispiel

Diese Zahl hilft uns schon weiter, auch wenn Sozialstatistiker und Volkswirtinnen hier nochmal zwischen dem nominellen Einkommen in Euro und der vergleichbaren Kaufkraft unterscheiden, also das Preisniveau des Landes mitberechnen (was zur fiktiven Währung KKS führt). Aber bleiben wir mal beim Euro-Wert. Wenn ich als als Mitglied eines Haushalts mein Nettoäquivalenzeinkommen berechne, etwa wie im folgenden Beispiel, habe ich einen Anhaltspunkt:

  • Nehmen wir einen Zwei-Personen-Haushalt, in dem beide 3000 Euro brutto verdienen, wovon sie je 2000 Euro netto ausbezahlt bekommen. (Realistisch nach Steuerklasse 1 oder 4.)
  • Ihr „Personengewicht“ beträgt laut OECD-Faustformel 1 für die erste und 0,5 für die zweite Person, also 1,5.
  • Sie haben damit jeder ein Brutto-Äquivalenzeinkommen von 4000 Euro, ein Netto-Äquivalenzeinkommen (ÄE) von 2666 Euro.

Wie steht unser Paar da?

Damit liegen die beiden deutlich über dem Median (1960 Euro) und über dem Durchschnitt (2175 Euro, s.o.) des ÄE. Sie liegen auch über den entsprechenden Mittelwerten für Brutto- und Nettoeinkommen. Und hier werden die Tabellen des Statistischen Bundesamtes komplex, denn man kann sich in verschiedenen Markmals-Kategorien vergleichen:

  • Einkommen, Einnahmen und Ausgaben nach der sozialen Stellung der Haupteinkommenspersonen
  • Einkommen, Einnahmen und Ausgaben nach der Haushaltsgröße
  • Einkommen, Einnahmen und Ausgaben nach dem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen
  • Einkommen, Einnahmen und Ausgaben nach dem Haushaltstyp

Soziale Stellung, Haushaltsgröße und Co.

In der ersten Kategorie fällt auf: Wenn sich unser fiktiver Haushalt mit anderen Arbeitnehmerinnen vergleicht, steht er nicht mehr so gut da, sondern extrem durchschnittlich: 5917 Euro brutto, 4214 netto. (Dieser Tabelle kann man auch entnehmen, dass Arbeitnehmerhaushalte monatlich durchschnittlich 709 Euro sparen können.)

In der zweiten Kategorie fällt auf: Unser fiktives Paar liegt brutto über, netto unter dem Durchschnitt der Zwei-Personen-Haushalte, die nämlich 5398 Euro brutto respektive 4124 Euro netto verdienen. Das gleiche Phänomen begegnet uns in der dritten Kategorie: Bei den Paaren liegen sie unter dem Durchschnitt (6246 brutto, 4701 netto), bei den Paaren ohne Kinder brutto über (5659), netto unter (4311) dem Schnitt. Die Erörterung, ob das daran liegt, dass Paare ohne Kinder von Heirat und optimalen Steuerklassen profitieren, muss ich leider offenlassen.

Die vierte Kategorie ermöglicht vor allem, seine Konsumausgaben zu vergleichen. Hier fällt unser Paar in die Gruppe „3 600 bis 5 000 Euro monatliches Nettoeinkommen“, die im Schnitt 5658 brutto verdient, netto 4252 Euro.

Was wäre der Vergleichswert bei Ledigen?

Wären oder sind die beiden ledig (was bei gleichem Einkommen steuerlich quasi keine Rolle spielt, jedenfalls nicht beim Einkommen), wäre ein guter Vergleichsdatenpunkt auch dieser:

Im Jahr 2021 beträgt der durchschnittliche Netto-Arbeitslohn – auch als Durchschnittsgehalt oder Durchschnittseinkommen bezeichnet – je ledigem Arbeitnehmer ohne Kinder (Steuerklasse I/0) ca. 24.539 Euro (Schätzung). Somit ist das Nettogehalt dieser Gruppe im Vergleich zum Vorjahr um rund vier Prozent gestiegen. [Statista]

Sie müssten also Netto 2045 Euro bekommen und liegen knapp darunter.

Vergleich unter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern

Bislang haben wir uns ja mehr oder minder mit allen Bundesbürgern verglichen. Wenn wir uns nur mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vergleichen, finden wir diese Zahl:

Ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer verdiente im Jahr 2020 durchschnittlich 3 975 Euro brutto im Monat [ohne Sonderzahlungen laut Destatis].

Dabei begegnen wir gleich einer problematischen Einschränkung:

Alle auf dieser Seite und in den Publikationen veröffentlichten Verdienstangaben sind arithmetische Mittelwerte. Wichtig für die Interpretation dieser Werte ist eine Vorstellung über die Verteilung der Beschäftigten um diesen Mittelwert: Aus der Verdienststrukturerhebung 2018 ist bekannt, dass knapp 2 von 3 Vollzeitbeschäftigten (63%) weniger verdienen als den gesamtwirtschaftlichen Durchschnittswert; nur ein gutes Drittel (37%) hat höhere Bruttoverdienste. Dieses Drittel hat so hohe Verdienste, dass der Durchschnittswert für alle Beschäftigten „nach oben“ gezogen wird.

Diese Abweichung von Median und Durchschnitt zeigen also eine deutliche Ungleichheit in der Verteilung innerhalb der Gruppen an. Aber natürlich gibt es auch Unterschiede zwischen den Gruppen: Beschäftigte in den Bereichen „Information und Kommunikation“, „Energieversorgung“ und „Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen“ verdienen am meisten, durchschnittlich zwischen 5181 und 5 543 Euro brutto. Im Gastgewerbe verdient man nur 2050 Euro.

Unserem fiktiven Paar haben wir keinen Beruf zugeordnet, daher können wir hier nicht tiefer in die Tabellen einsteigen; die beiden könnten sich aber natürlich selbst einordnen.

Vergleich des Stundenlohns

Nehmen wir nun an, unser Paar arbeitet keine 40 Stunden (oder was immer in der jeweiligen Branche oder dem jeweiligen Unternehmen als „Vollzeit“ gilt). Ihr jeweiliger Bruttolohn von 3000 Euro bezieht sich nur auf 30 Stunden.

Die Formel für den Stundenlohn ist: 3facher Monatslohn durch 13 durch die wöchentlichen Arbeitsstunden. Damit haben sie jeweils einen Brutto-Stundenlohn von 9000/13/30=23,08 und einen Netto-Stundenlohn von 6000/13/30=15,39 Euro. Und wieder stellt sich die Frage, womit wir das vergleichen:

  • Mit dem durchschnittlichen Stundenlohn aller abhängig Beschäftigten?
  • Mit dem durchschnittlichen Stundenlohn aller in Teilzeit Beschäftigten?
  • Mit einem jeweiligen Medianwert?
  • Oder mit einer anderen Referenzgruppe (etwa nach Branche, Alter, Bildungsstand, Berufserfahrung, Bundesland etc.)?

Letztere Berechnung ist sicher interessant, führt aber hier zu weit (vulgo: es macht mir gerade zu viel Arbeit, die beiden als Marketingmanager Ende 20 im Brillenbereich in Mittelfranken zu analysieren). Bleiben wir also erstmal beim durchschnittlichen Stundenlohn:

Im Jahr 2020 betrug der durchschnittliche Stundenlohn in Deutschland 19,42 Euro pro Stunde. [Statista]

Da liegen die beiden also nur bei 15,39/19,42=79,25%. Um mal eine erste Wertung vorzunehmen: Bezogen auf den Lebensstandard, den sich die beiden leisten können, finde ich hier spontan und intuitiv das Äquivalenzeinkommen aussagekräftiger, auch ohne den „Luxus Teilzeit ohne Kinder“ einzubeziehen (s.u.).

Vergleich unter Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten und/oder des Konsums

Jetzt wird es schon wieder kompliziert. Denn natürlich interessiert mindestens so sehr wie das Einkommen, was sich die beiden „leisten können“ oder auch, was am Monatsende übrig bleibt.

Grundbedürfnisse

Dazu müssen wir natürlich ein paar Annahmen treffen. Zum glück führen die beiden ein ausführliches Haushaltsbuch. (Alle Vergleichsangaben nach Destatis für das Jahr 2019):

  • Die beiden teilen sich eine Mietwohnung für 1000 Euro incl. Nebenkosten, Strom, Heizung, Wasser, Internet etc. in einer mittelgroßen Stadt. Damit liegen sie 10% über dem Deutschland-Durchschnitt von 890 Euro.
  • Für Lebensmittel geben die beiden 300 Euro im Monat aus. Damit liegen sie etwas unter dem Schnitt von 356 Euro. Hierein zählen auch Tabakwaren, mir ist aber nicht klar, ob auch Kosmetikartikel mitgerechnet werden.
  • Für Kleidung geben sie monatlich zusammen 100 Euro aus, genau im Schnitt von 106 Euro

Weitere Kosten

Dazu kommen Mobilitätskosten von 500 Euro im Monat, die beiden haben ein Auto (wie 77% der Deutschen und 90% der Paare ohne Kinder laut Destatis) und jeweils ein Nahverkehrsticket. Damit liegen sie über dem Schnitt von 351 Euro (Destatis). Für Freizeit, Essengehen etc. geben sie 500 Euro aus, leicht über dem Schnitt von 440 Euro. Neue Anschaffungen für den Haushalt schlagen mit 150 Euro (Schnitt: 141 Euro) zu Buche.

Auch hier können die beiden ihre Ausgaben nach verschiedenen Schlüsseln vergleichen, siehe wiederum Destatis. Hätten sie ein Kind, würden sie übrigens durchschnittlich etwa 9000 Euro im Jahr oder 750 Euro im Monat für diesen Nachwuchs bezahlen (Destatis).

Unter Strich bleiben von 4000 Euro Nettoeinkommen 4000-1000-300-100-500-500=1450 Euro übrig.

Sparraten und Sparquoten

Nehmen wir an, die Ausgaben sind gleich verteilt und das übrige Geld wird nicht regelmäßig für einen großen Urlaub auf den Kopf gehauen, sondern in den Sparstrumpf (oder ETFs) gesteckt, dann haben die beiden also jeweils eine Sparrate von 725 Euro im Monat (zusammen eben 1450 Euro) und eine Sparquote von 725/2000=36,25%. (Diese Sparquote haben sie natürlich auch zusammen.)

Das ist außerordentlich hoch: Laut der bpb betrug die Sparrate 2018 nur 539 Euro pro Haushalt und die Sparquote damit 14%.

Sonderfall: Teilzeit als „Konsumausgabe“

Betrachtet man den Umstand, dass beide in Teilzeit arbeiten als Konsumausgabe, dann können wir die entsprechenden Kosten berechnen. Nehmen wir an, die beiden könnten problemlos denselben Stundenlohn auch 40 statt 30 Stunden je Woche erwirtschaften, dann gäbe jeder von ihnen monatlich 1000 Euro brutto für das Teilzeit-Vergnügen aus (4000 Euro brutto statt 3000 Euro brutto). Netto hätten sie dann statt 2000 Euro jeweils einen Monatsverdienst von etwa 2540 Euro (SK 1 oder 4). Natürlich gibt es auch einen Effekt auf die späteren Renten (s.o.):

  • Bei 4000 Euro brutto würden die beiden je (12*4000)/40551=1,184 Entgeltpunkte erhalten
  • Bei 3000 Euro brutto erhalten die beiden je (12*3000/40551=0,888 Entgeltpunkte

Ob das Ganze eine Konsumausgabe ist oder nicht, fällt schwer zu beurteilen. Wenn sie in Teilzeit arbeiten, um einer weiteren (z.B. selbstständigen) Tätigkeit nachzugehen, hätten wir das beim Einkommen berücksichtigen müssen. Wenn der Grund z.B. in der Pflege von Angehörigen liegt, würde ich es nicht als Konsumausgabe werten. Nur, wenn es ihnen um ein politisches Statement gegen die Arbeitsethik unserer Gesellschaft oder schlicht mehr Freizeit geht, sehe ich das als „Konsum“.

Ausblick

Das war eine spannende Reise durch Statistiken. Wie so oft entstand dieser Post direkt aus meinem Notizzettel, d.h. eher für den persönlichen Gebrauch und um das Recherchierte festzuhalten. Hoffentlich nutzt es auch jemand anderem. Falls ihr Denkfehler, falsche Zahlen o.ä. entdeckt, kommentiert gerne.

Wenn ich demnächst Zeit und Muße habe, gucke ich mir das Thema Vermögen an, das dürfte auch interessant sein.

Inzwischen habe ich mir das Thema Vermögen angeguckt.


Beitragsbild: bpb

Der Beitrag Was ist das deutsche Durchschnittseinkommen und wie vergleicht man das? erschien zuerst auf Dennis Schmolk.

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