Dennis Schmolk https://dennisschmolk.de/ Kontakt: dennis@dennisschmolk.de Fri, 25 Apr 2025 19:45:23 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.8 https://dennisschmolk.de/wp-content/uploads/2023/08/cropped-oKajK5kXZmHLTZso5N5C-1-2mlpj-32x32.png Dennis Schmolk https://dennisschmolk.de/ 32 32 Fermentation Part 2: Essig, Kefir, Milchsäure https://dennisschmolk.de/2025/04/25/fermentation-part-2-essig-kefir-milchsaeure/ https://dennisschmolk.de/2025/04/25/fermentation-part-2-essig-kefir-milchsaeure/#comments Fri, 25 Apr 2025 13:17:29 +0000 https://dennisschmolk.de/?p=6881 Dieser Artikel ist Teil einer Reihe, die sich mit alkoholfreien bzw. -armen Getränken und allgemein mit Fermentiertem befasst. In Teil 1 geht es um Shrubs, Kombucha und Ginger Bugs. In Part 2 um Kefir, Essig und Laktofermentation. In Teil 3 um sinnvolles Zubehör. In Teil 4 um allgemeine Tipps und Hinweise. Ich habe es leider noch nicht geschafft, eine adäquate Fermentationskammer für Temperaturen um 28 respektive 60 Grad zu bauen. ... Mehr

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Dieser Artikel ist Teil einer Reihe, die sich mit alkoholfreien bzw. -armen Getränken und allgemein mit Fermentiertem befasst. In Teil 1 geht es um Shrubs, Kombucha und Ginger Bugs. In Part 2 um Kefir, Essig und Laktofermentation. In Teil 3 um sinnvolles Zubehör. In Teil 4 um allgemeine Tipps und Hinweise.

Ich habe es leider noch nicht geschafft, eine adäquate Fermentationskammer für Temperaturen um 28 respektive 60 Grad zu bauen. Das größte Problem: Bezahlbare Heizmatten gibt es nur in Temperaturbereichen bis 45 Grad, und das reicht nicht. Eine Heizkammer mit Heizlüfter und Temperaturregelung ist mir bislang aber zu aufwändig gewesen. Nun, mal sehen.

Daher geht es weiterhin um „Raumtemperatur-Fermentation“, also alles, was sich zwischen 19 und 25 Grad zubereiten lässt (ggf. unter Zuhilfenahme eines Kühlschranks, also bei 4-8 Grad). Die Ergebnisse dieser Fermentationen, und auch die Zusammensetzung der Scobys bzw. Kulturen, schwankt natürlich mit den Temperaturen, aber darin liegt ja auch ein gewisser Reiz.

Der Trend geht zum Zweitkühlschrank: Fermente, Ansätze, Scobys.

Bevor wir ans Eingemachte (pun intended) gehen, wiederhole ich meinen Disclaimer: Das Folgende ist nur als Inspiration zu verstehen. Es kann zwar wenig schiefgehen bei Fermentation & Co., trotzdem weise ich jede Verantwortung für Schäden an Küchen und Körpern von mir.

Und ein weiterer Disclaimer: Fermentation ist ein sehr schönes Hobby, braucht aber viel Zeit – und damit meine ich nicht nur Wartezeit. Mit dem Ansetzen, Abseihen und Abfüllen von Fermenten kann man durchaus einige Stunden pro Woche verbringen. Und die Spülmaschine freut sich auch sehr regelmäßig über große Mengen Arbeit …

Essig

Wir waren gerade stehen geblieben bei einem Ansatz von Shrub-Resten und einem Ginger Bug, also zwei Erzeugnissen unseres ersten Beitrags. Das Ziel hatte ich schon verraten: Wir machen Essig. Und dafür brauchen wir erstmal: Alkohol!

Der finale Ansatz, bei dem die Gärung schon merklich nachließ, hatte bei mir knapp 5 Volumenprozent Alkohol und einen pH-Wert von 3,25.

Was machen wir nun damit? Wir stellen Essig her! Das funktioniert prinzipiell so, wie die „aerobe“ Seite des Kombucha: Eine Bakterienkultur verstoffwechselt Alkohol zu Essigsäure. Alkohol haben wir genug, wir brauchen also nur noch besagte Bakterien, eine sogenannte …

„Essigmutter“

Wie kriegen wir nun die Bakerienkultur in den Ansatz? Einerseits könnte man sich auf spontane Fermentation verlassen: Lässt man Wein lange genug stehen, wird er sauer. Das aber lässt „bösen“ Pilzen und Bakterien zu viel Zeit und dauert uns auch zu lange, denn wir wollen ja relativ schnell schön sauren Essig haben.

Daher versetzen wir unseren „Shrub-Bug-Wein“ mit Öko-Essig, der noch lebende Essigbakterien enthält. Man sollte darauf achten, einen Essig zu wählen, der „unpasteurisiert“, „nicht hitzebehandelt“ oder „mit Essigmutter“ daherkommt. Ich gebe ca. 10% des Voluments meines Ansatzes hinzu, bei einem Liter also etwa 100 ml. Dadurch bleibt der Geschmack des eigenen Ansatzes erhalten — man kann auch mehr verwenden, aber dann schmeckt das Resultat stärker nach dem verwendeten Essig. Beim zweiten und auch zehnten Durchlauf kann man dann natürlich auf die eigenen Essigkulturen zurückgreifen! Irgendwann wächst dann vielleicht eine richtige manifeste Essigmutter, die man sogar essen kann – hier auf einem Teller der „etz“ neben Forelle und Spirulina-Öl („Forelle blaue“), siehe auch unten:

Die Essigmutter ist die rote Masse, die auf dem Spirulina-Öl schwimmt.

Es ist aber auch okay, wenn sich die Essigmutter darauf beschränkt, ein paar Schlieren zu bilden. Das Gefäß wird nun mit einem Tuch oder Küchenrolle bedeckt und mit einem Gummiring gesichert, denn Fruchtfliegen lieben Essig.

Woher kommt der Sauerstoff …?

Im Laufe der nächsten Monate würde sich der Ansatz nun langsam aber sicher in Essig verwandeln. Das geht uns aber nicht schnell genug, und daher greifen wir auf einen genialen Trick aus dem NOMA Guide to Fermentation zurück.

Um den Ansatz bzw. die Essigsäurebakterien mit viel, viel Sauerstoff zu versorgen, hängen wir einfach eine Aquarienpumpe hinein. Die verbraucht kaum Strom, lässt aber viele kleine Blubberblasen durchs Getränk rieseln und befördert damit die Gärung. Damit kürzen wir diese auf einige Tage bis wenige Wochen ab.

Wichtig ist, weiterhin eine Isolation gegenüber Fruchtfliegen zu bilden, daher muss man gut darauf achten, den Schlauch der Pumpe ordentlich einzuwickeln oder das Tuch noch zusätzlich zu fixieren.

Das Resultat

Essig hat einen pH-Wert von etwa 2-3. Sobald wir also in diese Regionen vorstoßen und der gesamt Alkohol verbraucht ist, haben wir: Essig. Vinometer und Säuremessgerät bzw. pH-Teststreifen sind hier unsere Freunde.

Übrigens: Hier schließt sich der Kreis, denn wir können mit dem selbstgemachten Essig dann natürlich wieder einen passenden Shrub abmischen!

Laktofermentation

Das Thema „Laktofermentation“ kennt man vom klassischen Einmachen: Sauerkraut, saure Gurken etc. sind „milchsäure-“ oder „laktofermentiert“. Und da beginnt das Problem, darüber zu bloggen. Denn eigentlich gibt es so gut wie nichts, was Wasser und Kohlenhydrate enthält und sich nicht laktofermentieren lässt.

Grundregeln

Eigentlich ist es ganz einfach: Man gibt das „Gärgut“ plus optional ein paar Gewürze in ein säurebeständiges Gefäß, aus dem Gase entweichen können – also etwa ein Einmachglas mit Ventildeckel oder auch einfach mit einem Zewa unterm Schraubdeckel.

Zum Obst oder Gemüse gibt man 2% der Masse in Salz. Ein Kilo Kohl wird also mit 20g Salz bestreut. Das knetet man wie bei Kimchi ein oder schüttelt das (dann fest verschlossene) Glas, bis das Gärgut gut durchgesalzen ist. Nun wartet man, bis das Salz Wasser aus dem Grünzeug gezogen hat, verschließt das Gefäß (nicht luftdicht!) und lässt es 5-100 Tage fermentieren. Danach kann das Ganze in den Kühlschrank oder direkt verzehrt werden.

Soweit die Grundidee. Zu beachten:

  • Das Gärgut sollte vollständig mit Flüssigkeit bedeckt sein, im Zweifelsfall muss man also 2%ige Salzlösung zugeben.
  • Wenn das Gärgut leichter ist als Wasser und oben schwimmt, muss man es irgendwie unter die Wasseroberfläche bringen – ich habe gute Erfahrungen mit Gefrierbeuteln gemacht, die man mit etwas Wasser füllt und zuknotet. So ein Plastikbeutel hat eine große Grundfläche, ist flexibel formbar und kostet … nichts. Zum jeweiligen Glas passende Gärgewichte sind natürlich fancier. Achtung bei den Plastikbeuteln: Mir ist schon mal einer in meinem Kimchi geplatzt und hat so für die rapide Ausbreitung von Kahmhefe gesorgt – der Geschmack war nicht mehr zu retten!
  • Der pH-Wert sollte möglichst schnell Richtung oder unter 4,6 fallen, damit das Ganze safe gegenüber Botulismus-Erregern ist. Das gilt vor allem für alles, was aus der Erde kommt, aber auch für Honig und anderes. (Siehe Disclaimer am Anfang des Artikels: Ich übernehme für nichts eine Haftung!)

Wann fertig?

Wenn man ein Rezept oder Erfahrungswerte hat, weiß man, wie lange das Ganze bei welcher Umgebungstemperatur gären soll. Ich habe übrigens die Erfahrung gemacht, dass schon ein paar Grad weniger einige Tage Unterschied bedeuten: Wer bei 18 oder 20 Grad fermentiert, braucht mindestens eine Woche länger als der oder die, die bei 24 Grad fermentieren. Als sehr grobe und nicht durch Literatur gedeckte Faustregel:

Pro Grad unter 24° plus 1 Tag Fermentationsdauer.

Vielleicht ergibt sich im Sommer aus meinen Experimenten auch eine Faustregel für „über 24°“, aber ich hoffe nicht, denn dann kann ich nicht mehr gut schlafen.

Wenn man kein Rezept hat, muss man experimentieren und nach ein paar Tagen das Proto-Ferment immer wieder mal probieren, bis die Aromen entstanden sind, die man sich wünscht. Und wenn man sich gar keine bestimmten Aromen wünscht? Dann einfach so lange,bis es deutlich anders als der Ausgangsstoff und trotzdem noch gut schmeckt. Säure ist ein wichtiger Indikator, aber bei vielen Fermenten auch eine Umami-Note.

Ich habe übrigens in einem der Fermentations-Hotspots der Nürnberger Metropolregion, dem Restaurant etz, mal gefragt, woran sie erkennen, dass ihre Fermente fertig sind. Ich habe leider keine abschließend befriedigende Antwort bekommen (dafür aber viele leckere fermentierte Sachen).

Fermentiertes und Eingelegtes im etz

Ein paar Rezeptchen

Hier einige Anregungen, was man probieren kann:

Lakto-fermentierter Honig

Honig verdirbt nicht. Niemals. Dazu ist der Zuckergehalt zu hoch. Wir wollen aber ja ein „Verderben“, wenn auch kontrolliert; daher müssen wir die Zuckerkonzentration reduzieren.

Aus dem NOMA-Guide: Man verdünnt Honig 1:1 mit Wasser, gibt ggf. Obst (ich habe es mit Mango und mit Zitronen versucht) und/oder Gewürze (Chili? Lavendel? Basilikum?) dazu und vermengt das mit 2% der Honig-Wasser-Einlage-Masse in Salz. Also

  • 500g Honig
  • 500ml Wasser
  • 500g Obst
  • 30g Salz (wie bei allen Rezepten hier: ohne Jod, ohne Fluor, am besten unbehandeltes Meersalz o.ä.)

in ein Gärgefäß. Unbedingt einige Zentimeter Platz nach oben lassen, bei mir ging das jeweils sehr stark ab! Nach 8 tagen kann man beginnen, das zu probieren. Der Honig lässt sich als Zugabe für Drinks, Mokka, Desserts verwenden. Das Obst ist ein salzig-saurer Snack.

Achtung: Gärt auch im Kühlschrank noch weiter, also nicht in luftdicht verschlossene Gläser packen! Ich habe auch gute Erfahrungen mit dem Einfrieren gemacht: einfach in Silikonformen füllen und bei Bedarf auftauen. Bei -18° wurden meine Honigwürfel ausreichend fest.

Blaukrautsaft

Im etz gab es mit Butter montierten fermentierten Blaukrautsaft (in der „Schlachtschüssel“ mit getrockneter Schweineleber und Kartoffel).

Daher erhielt ich den Fermentationsauftrag, milchsauren Rotkohlsaft herzustellen. Das gelang auch gut, ich habe die Fermentation nur glaube ich zu früh beendet – das Resultat war noch nicht sauer genug, daher befindet sich der Saft nun in der Nachfermentation (was leider deutlich länger dauert).

Das Rezept:

  • 1,8kg Rotkohl in großen Stücken
  • 200g „Gewürze“ (z. B. Apfel; Pfeffer, Lorbeer, Wacholder machen sich in kleiner Dosierung auch gut)
  • 40g Salz

Man kann den Kohl nun in Stücken oder Scheiben einlegen oder pürieren; ich habe mich für letzteres entschieden: In 3-4 Portionen den Kohl mit jeweils 10g Salz ein paar Sekunden im Thermomix auf Stufe 7 mixen, mit dem Spatel nach unten schieben und wiederholen. Theoretisch kann man natürlich auch später salzen, aber so wird alles gleich gut vermengt.

Schnell (!) in ein wirklich großes Gärgefäß geben (oder in mehrere). Warum schnell? Weil binnen weniger Minuten sehr, sehr viel Wasser gezogen wird.

Nach 10 Tagen probieren; erst, wenn es richtig sauer und aromatisch ist, durch ein Tuch abgießen. Mit viel abhängen und quetschen habe ich aus knapp 2kg Kohl etwa 1,5 l fermentierten Saft bekommen. Den Kohl kann man einfrieren, als Salat servieren oder z. B. Currys beimischen.

Exkurs: Salzzitronen

Salzzitronen brauchen, allerlei Rezepten zufolge, mehr Salz, als es unsere 2%-Regel vorschreibt; nämlich 8-X%. Vielleicht liegt das daran, dass man eine langsame, stetige Fermentation erzwingen will? Naja. Ggf. experimentiere ich irgendwann mal mit Low-Salt-Blitz-Salzzitronen, aber vorerst halten wir uns an die „marokkanischen Dimensionen“.

Die meisten Salzzitronen-Rezepte verwenden ausgesprochen ungenaue Mengenangaben: tablespoons, handful etc. Dadurch erreicht man schnell eine Salzkonzentration, die viel zu hoch liegt, um noch eine wilde Fermentation zu ermöglichen.

Anstatt also nach Augen- bzw. Handmaß Salzkristalle in Zitronen zu drücken, gehen wir anders vor. Wir brauchen:

  • 1kg Bio-Zitronen (damit die Schale unbehandelt und essbar ist, denn um sie geht es ja vor allem)
  • 80g Salz ohne Zusatzstoffe

(Eine einfache Rechnung zu den Relationen: Wir haben insgesamt 1080g Inhalt im Glas, davon 80g Salz; wir haben also 8% „Baker’s Percentage“, das entspricht ungefähr 74% der Gesamtmasse. Möglicherweise ist das hilfreich, wenn man andere Rezepte umrechnen möchte.)

Wir schneiden jeweils Kopf und Fuß der Zitrone ab; schneiden sie ein, sodass wir sie auseinanderbiegen können; und geben ordentlich von unserem abgemessenen (!) Salz hinein. Dann quetschen wir sie in ein Gefäß, schütten das restliche Salz dazu und warten, dass sich sehr viel Flüssigkeit bildet. Mit einem Holzstößel helfen wir nach.

Zum Schluss kommt ein Gewicht drauf. Fertig. Jetzt für 8-12 Wochen in den Schrank stellen und danach zum Kochen verwenden.

Wasserkefir

Bei Wasserkefir handelt es sich prinzipiell auch um eine Art „Scoby“, also eine Symbiose aus Hefe und Bakterien wie beim Kombucha, nennt ihn hier aber eher „Kristall“. Jedenfalls gilt das „Metall-Verbot“ auch hier; ich weiß nicht, ob sich die kleinen Kristallfreunde wirklich auch an Edelstahl stören (wie?), aber ich verzichte auf den Versuch.

Einige wesentliche Informationen lernen wir aus der Wikipedia:

  • „Der Alkoholgehalt ist höher bei anaerober Herstellung, im Kühlschrank und nach längerer Fermentation.“
  • „Eine an Bitter Lemon erinnernde Bitterkeit des Kefirgetränkes kann durch Beigabe von Zitronenschale erreicht werden. Die im weißen Teil der Schale enthaltenen Bitterstoffe werden dann während der Gärung herausgelöst.“
  • „Durch Zugabe von Calcium in löslicher Form kann eine starke Vermehrung der Kefirkultur bewirkt werden.

Was wir wollen: Ein aromatisches, „trockenes“, leicht prickelndes Kaltgetränk mit wenig bis keinem Alkohol, und dabei ein florierendes Wachstum der kleinen Kristalle. Daher lautet unser …

Grundrezept

  • 1l Wasser
  • 50g Rohrzucker (wir nehmen nur 50g, auch wenn man oft von 80-100g liest, um ein trockeneres Ergebnis bei kurzer Fermentation zu erreichen; und wir nehmen braunen Zucker, weil der andere Geschmacksnuancen und angeblich mehr Kristallwachstum liefert)
  • 25g Rosinen/Sultaninen (als Stickstoffquelle fürs Wachstum und in der Hoffnung, da ein paar Tannine zu lösen)
  • 1/4 bis 1 Bio-Zitrone (vor allem der Bitterstoffe der Schale wegen)

Die Rezepte im Internet unterscheiden sicher erheblich. Ich löse den Zucker im Wasser, gebe die Wasserkefir-Kristalle dazu, dann die Sultaninen und die in dünne Scheiben geschnittene Zitrone. (Diese senkt auch den pH-Wert, was beim Kombucha ein guter Schluck vom alten Ansatz erledigt; das macht man beim Kefir offenbar nicht.)

Wir stellen zumindest den ersten Ansatz stets aerob her — also nur mit einem Tuch abgedeckt, da wir ja alkoholarme Fermente wollen. Tuch drauf, Gummiring drum und dann 1-3 Tage warten und probieren. Achtung: Hier entsteht teils eine Menge Alkohol, 1-2% binnen eines Tages sind keine Seltenheit. U.U. müssen wir das also nochmal 1:2 verdünnen.

Zweite Fermentation

Ähnlich wie bei Kombucha kann man eine zweite Fermentation „unter Druck“ durchlaufen lassen, um Kohlensäure zu produzieren. (Bei manchen Fermenten wird man das aber gar nicht wollen.) Dazu füllt man das Ferment in Glasflaschen mit Bügelverschluss und lässt sie einen Tag im Kühlschrank nachreifen. Beim Öffnen sollte es dann befriedigend ploppen.

Hierbei sollte man den Alkoholgehalt genau im Auge behalten: Die Nachgärung produziert ja Kohlensäure, weil Hefen Zucker unter Abgabe von Kohlendioxid in Alkohol verwandeln. Die Bakterien schnappen sich dann den Akohol und machen Essig draus, aber nicht mit 100%iger Effizienz.

Ein paar Ideen

Was ich in der nächsten Zeit ausprobieren werden:

  • Wacholder-Kefir: 100g zerstoßene Wacholderbeeren mit 1 l Wasser, 60g Zucker, 20g Sultaninen, ein paar Zitronenscheiben und -zesten und Wasserkefir-Kristallen ansetzen. Das wird natürlich kein „Gin“, aber besser als ein Wacholder-Mazerat sollte es funktionieren. Man könnte auch damit experimentieren, erst 2-3 Tage einen „Zuckerauszug“ aus dem Wacholder herzustellen …
  • Loorbeer-Rhabarber-Kefir: Hier tendiere ich dazu, einen Zuckerauszug oder Shrub zu machen und dessen Reste dann für die Kefir- oder Kombucha-Bereitung zu nutzen. Als Gewürze kommen mir Kräuter in den Sinn; ggf. lässt sich auch Pandan oder Perilla kurz mitfermentieren, ohne zu bitter zu werden.

Und wie sieht dein Fermentationsschrank aus?

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Enjoy the Shit-Show oder: Bahnfahren 2025 https://dennisschmolk.de/2025/04/14/enjoy-the-shit-show-oder-bahnfahren-2025/ https://dennisschmolk.de/2025/04/14/enjoy-the-shit-show-oder-bahnfahren-2025/#comments Mon, 14 Apr 2025 07:23:37 +0000 https://dennisschmolk.de/?p=6898 „Ich will keinen Zug, ich will das fucking Hilton!“ (Fahrgast mit Fahrziel Freiburg, Hamburg Hbf, Gleis 13, Abschnitt E) Ich war ja sehr lange Verfechter von Bahnreisen. 2013–15 zum Beispiel pendelte ich ohne größere oder häufigere Probleme wöchentlich zwischen Köln und München. Und 2022–24 war ich sehr viel in Zügen unterwegs, um mein Sabbatical-Masterstudium zu absolvieren. Auch ohne große Probleme. Ich bin sogar Mitglied im „VCD“ und Sympathisant von „Pro ... Mehr

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„Ich will keinen Zug, ich will das fucking Hilton!“
(Fahrgast mit Fahrziel Freiburg, Hamburg Hbf, Gleis 13, Abschnitt E)

Ich war ja sehr lange Verfechter von Bahnreisen. 2013–15 zum Beispiel pendelte ich ohne größere oder häufigere Probleme wöchentlich zwischen Köln und München. Und 2022–24 war ich sehr viel in Zügen unterwegs, um mein Sabbatical-Masterstudium zu absolvieren. Auch ohne große Probleme. Ich bin sogar Mitglied im „VCD“ und Sympathisant von „Pro Bahn“, auch wenn mir beides ein bisschen zu sehr Altherrenverband ist … Außerdem: Letzte Woche zeigte mir die Reifenpanne am Auto eines Freundes mal wieder, dass auch das keine soooo zuverlässige Transportmöglichkeit ist.

Anyways: Seit einiger Zeit ist der Wurm drin (in den Schienen oder, wie meine Freundin Youtube meint, in den Weichen). Bisheriger Höhepunkt dieser Shit-Show: Ein Rückreiseversuch (!) von Hamburg nach Nürnberg am Ende eines Kurzurlaubs an Elbe und Alster.

Ich will doch nur heim!

Wo Abfahrtauftrag? Wo!?

Gebucht hatten wir eine Sonntagabendverbindung, brav mit Sitzplatzreservierung. Klar, dass es nicht bei dieser Verbindung blieb: Bereits ein paar Wochen vor Urlaubsbeginn kam die Meldung, dass ein Anschluss nicht erreicht werden kann. Der Grund? Bauarbeiten, glaube ich, aber das ist ja auch egal, denn die „Begründungen“ wirken sowieso wie vom Zufallsgenerator erstellt. Oder vermutlich von einer KI, die darauf trainiert ist, alle Kommunikationen zu vermeiden, die die Bahn Geld kosten könnte … und dann wird aus einer Stellwerksstörung schnell ein Notarzteinsatz … aber ich schweife ab.

Der positive Nebeneffekt: Wenn schon klar ist, dass die Verbindung nicht zustande kommt, hat man schon mal ein Flexticket zum Supersparpreis: Denn ab 20 Minuten zu erwartender Verspätung wird die Zugbindung aufgehoben. Dazu ein Tipp:

Fahrgastrechte-Tipp: Wie Zugbindungsvermeidung maximieren?

Die ursprüngliche Verbindung.

Eine Bahnreise kann ganz angenehm sein, aber den „Flexpreis“ ist sie eigentlich nie wert. 100 Euro von Hamburg nach Nürnberg? No way. Sparpreise für 15-35 Euro dagegen sind ja schon attraktiv, haben aber den Nachteil der Zugbindung. Wie aber schon gesagt: Sobald was schiefgeht, wird die aufgehoben.

Wie kann man das maximieren? Meine Erfahrung zeigt: Am besten Hin- und Rückreise zusammen buchen, wenn das geht. Dann wird die Zugbindung der gesamten Reise aufgehoben, sobald ein Teil der Reise verspätet ist — nicht nur der verspätete Teil.

Leider hilft freie Zugwahl nicht, wenn keiner fährt

Soweit, so gut: Rückfahrt nicht mehr zuggebunden. Daher entschlossen wir uns, gleich den Zug eine Stunde später zu nehmen und dafür länger in den Deichtorhallen, im Phoxxi und im Dim-Sum-Haus zu verweilen (alles empfehlenswert, aber ich schweife wieder ab). Danach die Koffer aus dem Hotel geholt und mit viel Puffer ab zum Hamburger Hauptbahnhof.

Dort erwartete uns auf dem offenbar einzigen Fernverkehrsgleis mit Südausrichtung folgender Anblick:

Naja, man denkt sich dabei ja nichts. Man hat ja einen Sitzplatz (ja, den hatten wir auch für den zweiten Zug nachgebucht). Also runter aufs Gleis, warten. Und dann realisieren: Die Abfahrten verzögern sich immer weiter nach hinten …

Salamitaktik

Denn keineswegs sagt einem die Bahn sofort, dass der eigene Zug ausfällt. (Spoiler: Yeah, that’s gonna happen. And not only this one.) Nicht einmal eine realistische Verspätungsprognose gibt sie einem: Dann würde ja, nach obiger Logik, auch zu schnell die Zugbindung aufgehoben oder ein Erstattungsanspruch entstehen. Also standen wir 16:45 (bei geplanter Abfahrt 17:01) am Gleis, und um 17:10 auch noch mit einer dann zu erwartenden Abfahrt um 17:15, während sich die Züge, die aus dem einzigen Süd-Fernverkehrsgleis in Hamburg hätten fahren sollen, inzwischen hätten stapeln müssen. (Rhetorische Nebenbemerkung: Wieso hat eine Riesenstadt wie Hamburg 14 Gleise, die Kleingroßstadt Nürnberg aber 22?)

Irgendwann gegen 18 Uhr verließen wir das Gleis wieder und guckten, ob man zur Bahn-Information durchdringen könnte – das aber war chancenlos, weil ca. 300 andere Reisende dieselbe Idee hatten. Ein Bahnmitarbeiter mitten im Gang wurde uns dann schnell wieder los, indem er auf seinem (vermutlich privaten) Handy dasselbe tat, was wir seit Stunden taten: Er guckte in die App und ging dann um ca. 18:20 Uhr erstaunlich optimistisch davon aus, dass der Zug um 19:01 fahren würde. Wir hatten diesen Glauben nicht mehr. Naja, was will man machen? Also gab es ein Franzbrötchen.

Und dann?

Wir springen eine Stunde nach vorne bzw. hinten:

Um 19:14 sieht es also so aus, dass die ganzen Züge über die Region Hannover (wo es wahlweise eine Stellwerkstörung, Personen im Gleis, einen Notarzteinsatz oder sonstwas gegeben hatte) alle in wenigen Minuten auf Gleis 14 abfahren. Einer nach dem anderen wurde dann abgesagt. Wir waren inzwischen nur noch daran interessiert, nach 2,5h von diesem Bahnhof wegzukommen, ähnlich wie andere Reisende mit Fahrtzielen wie Freiburg, Karlsruhe oder München. Also fassten wir uns ein Herz und begaben uns erneut zur (inzwischen überraschenderweise nicht mehr überfüllten!) Bahn-Info.

 

Vom Super-Sparpreis zur Hotelübernachtung in nur 15 Stunden

Dort erwartete uns zunächst mal ein konfuses Wartesystem: Offenbar wurden immer wieder Nummern aufgerufen, man konnte sich aber auch einfach anstellen. Die normale Schlange schien auch schneller abgearbeitet zu werden als die Nummern-Schalter. Irgendwann fragte ich jemanden an einem nichtbeschrifteten Tisch, ob man eine Nummer brauche: Wohl nur, wenn man eine Fahrkarte buchen wolle … Mysteriös, ich wusste gar nicht, dass das noch geht.

Anyways: Nach unter 10 Minuten versuchte eine routiniert freundliche Bahn-Mitarbeiterin dann, uns ebenfalls mit Verweis auf den 19:01er Zug loszuwerden, der nun um 19:30 fahren sollte; ich fragte dann nach, ob der nicht hoffnungslos überfüllt sein würde usw. Sie erklärte uns dann, dass unsere Alternative darin bestehe, zu warten, bis der Zug eine Verspätung aufgebaut hätte, die uns erst nach 0 Uhr unser Fahrtziel erreichen lassen würde. Dann würde die Bahn eine Hotelübernachtung bis 120 Euro pro Person bezahlen.

Nachdem wir nun schon über 2 Stunden hier herumstanden und nichts voranging, schien uns die Aussicht auf Sitzen, Liegen, ein schnelles Abendessen mit Chopsticks und ggf. ein Besuch in der Hotelsauna wie die österliche Erlösung. Aber da war ja noch die Sache mit der notwendigen Verspätung „bis nach 0 Uhr“ … Denn noch ging die Bahn vollkommen kontrafaktisch in ihrer Kommunikation davon aus, dass wir vor Mitternacht ankommen würden:

Anstatt also einfach ins Hotel zu gehen, lungerten wir weiter herum — würde der Zug einfahren, müssten wir den ja nehmen oder zumindest ernsthaft zu nehmen versuchen. (Klar wäre es für alle besser, es wären weniger Leute im Bahnhof, aber naja …)

Aus einem Bangen, ob denn der Zug fahren würde, wurde die Angst, dass er fahren könnte und wir 4,5 Stunden plus x Stunden Verspätung in einem vollgequetschten Zug mit genervten Fahrgästen würden stehen müssen. (Nebenbemerkung: Insgesamt war die Stimmung bei fast allen Leuten an den Gleisen aber erstaunlich entspannt; die zivilisatorische Decke ist vielleicht doch nicht sooooooo dünn.)

Schließlich kam dann die erlösende Anzeige in der App:

 

Indem wir nun eine Verspätung von ca. 15 Stunden gegenüber der ursprünglichen Verbindung als freudige Nachricht begrüßen durften, ging es ab ins Hotel.

Wie man eine Hotelübernachtung per Fahrgastrechte bekommt

War gut. Und sinnvoll, denn der 19:01-Zug entfiel dann auch irgendwann endgültig:

Up up and away.

Was kann man daraus lernen? Nicht allzuviel, außer: Immer möglichst weit in die Umgebung buchen. Hätte ich „Nürnberg-Röthenbach“ statt „Nürnberg Hbf“ gebucht, wäre die Verspätung schon früher über die Tagesgrenze gerutscht und damit schon früher der Anspruch entstanden. Aber daran denkt man ja nicht, wenn man einen Zug bucht, der von 16:00–20:30 fahren soll … Für nächstes Mal weiß man’s.

Ich bin gespannt, ob wir ankommen (ich schreibe diese Zeilen im ICE am nächsten Morgen, planmäßige Ankunft halb zwölf) und ob die Erstattung problemlos durchgeht. Ich frage mich auch, was ich eigentlich erstattet bekomme:

  • Hoffentlich mehrere Sitzplatzreservierungen, denn wir hatten zwischenzeitlich in überbordendem Optimismus Plätze für mehrere der Ersatzzüge gebucht.
  • Hoffentlich das Hotel (was mit 131 Euro zu zweit im Rahmen des eigentlich ja 240 Euro betragenden Budgets liegen sollte).
  • Eine Teil-Erstattung des Fahrpreises …? Oder wird das durch die Hotelübernachtung überlagert? Wäre mies.

Was tun?

Insgesamt haben mich vor allem zwei Dinge sehr genervt:

  • Die oben erwähnte Salamitaktik. Eigentlich sollte die Bahn, sobald Probleme auftreten, diese sofort kommunizieren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass den Verantwortlichen um 18 Uhr nicht klar war, dass kein Zug mehr nach Süden fahren würde.
  • Fehlende Zuversicht, dass das in den nächsten 20 Jahren besser wird. Ich bin immer ganz gerne mit der Bahn verreist, das ist entspannt und relativ günstig. Aber ich merke, dass ich die Lust verliere, Urlaube mit der Bahn zu planen — es klappt ja dann doch nicht.

Nunja, mal sehen. Insgesamt hielt sich mein Stress-Level in Grenzen – aber auch nur, weil daheim nichts Dringendes auf mich wartete, ich habe Urlaub. Wenn aber Kinder, Katzen, Pferde oder Pflegebedürftige auf einen angewiesen sind; man nicht genug Medikamente dabei hat; oder sich schlicht denkt, am nächsten Morgen im Job nicht fehlen zu dürfen — dann macht einem so etwas vermutlich sehr viel Stress.


Beitragsbild (c) Katja Härlein.

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Shrubs and Bugs (Fermentation Part 1): Shrubs, Kombucha, Ginger Bug https://dennisschmolk.de/2025/04/03/shrubs-and-bugs-fermentation-part-1-shrubs-kombucha-ginger-bug/ https://dennisschmolk.de/2025/04/03/shrubs-and-bugs-fermentation-part-1-shrubs-kombucha-ginger-bug/#comments Thu, 03 Apr 2025 08:38:57 +0000 https://dennisschmolk.de/?p=6854 Dieser Artikel ist Teil einer Reihe, die sich mit alkoholfrein bzw. -armen Getränken und allgemein mit Fermentiertem befasst. In Teil 1 geht es um Shrubs, Kombucha und Ginger Bugs. In Part 2 um Kefir, Essig und Laktofermentation. In Teil 3 um sinnvolles Zubehör. In Teil 4 um allgemeine Tipps und Hinweise. Ich trinke ja schon seit vielen Jahren keinen Alkohol mehr. Prinzipiell fehlt mir hier auch sehr selten irgendwas. Aber ... Mehr

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Dieser Artikel ist Teil einer Reihe, die sich mit alkoholfrein bzw. -armen Getränken und allgemein mit Fermentiertem befasst. In Teil 1 geht es um Shrubs, Kombucha und Ginger Bugs. In Part 2 um Kefir, Essig und Laktofermentation. In Teil 3 um sinnvolles Zubehör. In Teil 4 um allgemeine Tipps und Hinweise.

Diverse Fermente. (c) Katja Härlein

Ich trinke ja schon seit vielen Jahren keinen Alkohol mehr. Prinzipiell fehlt mir hier auch sehr selten irgendwas. Aber es gibt Gelegenheiten, da habe ich das Gefühl, dass mir etwas entgeht: Während alkoholfreies Bier eine echte und leckere Alternative zu Bier ist, gibt es vergleichbares nicht für Wein und Sekt – weder als Getränk noch als Kochzutat. (Und wenn man keinen Wein trinkt, hat man auch selten einen „Koch-Wein“ da.) Ein Digestif lässt sich oft durch Mokka oder Espresso ersetzen, aber ein Aperitif …? Schwieriger. Und alkoholfreie Cocktails sind meistens viel zu süß.

Am schwierigsten ist das Thema „alkoholfrei“ aber beim Essengehen: Wenn man keine Lust auf alkoholfreies Bier hat, bleibt einem häufig nur ein Softdrink oder Wasser – beides keine wirklich passende Begleitung für viele Speisen. Zumindest in der „fine dining“-Welt gibt es aber seit Jahren immer öfter alkoholfreie alternativen zur „Weinbegleitung“. Der Feinschmecker berichtete schon 2022 und auch im Falstaff gibt es was dazu.

Das klingt fast immer ziemlich fancy und spannend, und ist es teilweise auch. Meine Recherchen in diese Richtung haben dann irgendwann dazu geführt, dass ich mich stärker mit der Herstellung von Infusionen, Fermenten, Tinkturen befasst habe. Ein paar generelle Ergebnisse halte ich hier mal fest (wie so oft vor allem auch „for future reference“).

Dank geht (vor allem auch in Naturalien) an Katja, die mir den „NOMA Guide to Fermentation“ geschenkt hat! In diesem Buch finden sich auch diverse Sicherheitshinweise; das Folgende daher bitte nur als Inspiration verstehen. Es kann zwar wenig schiefgehen bei Fermentation & Co., trotzdem weise ich jede Verantwortung für Schäden an Küchen und Körpern von mir.

Shrubs

Gänzlich alkoholfrei und ziemlich „simpel“ geht es bei Shrubs zu. Laut Wikipedia waren die vor ca. 15 Jahren mal in den USA sehr beliebt; ich las letztes Jahr in einem (amerikanischen) Cocktail-Handbuch das erste Mal davon. Prinzipiell handelt es sich um etwas, das ich als „Zuckerauszug aus Früchten und Kräutern, der dann mit Essig aufgegossen wird“ bezeichnen würde.

Grundrezept

  • 200-300g Obst/Gemüse – man kann es mit allem probieren, aber die Grundzutat sollte Flssigkeit enthalten; nur Karotten ziehen zu wenig Wasser
  • 0-100g Kräuter (ggf. gemörsert, angestoßen oder kleingeschnitten)
  • 300g Zucker

Das wird vermengt und kalt 1-2 Wochen ziehen gelassen. Man kann immer wieder schütteln, damit sich der Zucker in der Flüssigkeit löst, die aus dem Obst austritt. Danach gehen die Meinungen auseinander; manche Rezepte verlangen, dass nun die Flüssigkeit abgesiebt und diese dann mit Essig vermengt wird. Ich dagegen fülle das Gefäß mit Obst und Kräutern einfach mit

  • 300g Essig (z.B. Apfelessig oder einfach Weißweinesseig)

auf – ich setze Obst udn Kräuter also nochmal mit Essig an.. Nach einem Tag kann man probieren, indem man 10-15ml in 100ml Mineralwasser löst. Wenn der Geschmack zusagt, sollte man das Ganze noch 3-5 Tage nachziehen lassen. Ansonsten: Nachwürzen! Und dabei gerne auch kreativ sein.

Im Folgenden ein paar Vorschläge, welche konkreten Obste und Kräuter man verwenden kann

Lime & Thyme

300g Limette mit Schale
250g brauner Rohrzucker
10g Thymian
5g Rauchsalz

200ml Apfelessig
100ml Bianco

Fennel Syrup

50g Karotte
25g Stangensellerie
225g Fenchel
300g Zucker
5g Lemongrasspowder

50ml Rotweinessig
100ml roter Balsamico
100ml Apfel

KaBa

125g Karotte
125g Banane
etwas Basilikum
250g weißer Zucker

200 ml Apfelessig
50 ml dunkler Balsamico

Kombucha

Mit Kombucha lässt sich nicht nur Gesundheitstee machen, sondern auch deutlich Spannenderes. Prinzipiell braucht man eine gesüßte Grundlage, in der der „Scoby“ (Symbiotic Compound of Bacteria and Yeast) erst den Zucker in Alkohol und den dann direkt in Essigsäure verwandelt. Das heißt: Man kann von einem leicht essigsauren Cocktail-Mixer bis zum Fast-schon-Essig-Aperitif fast alles herstellen.

Was man dafür braucht: einen der besagten Scobys, eine aromatische Zuckerlösung, ein Gefäß und Zeit. Scobys bekommt man im Internet, von Freunden oder Kollegen oder durch Zufall in einem Kunstmuseum. Kein Witz: Einen meiner „Scoby-Stämme“ habe ich bei einer Ausstellung über Kunst & Essen in der Kunsthalle Nürnberg erworben. Leider ist die Ausstellung vorbei, aber dem Scoby „FungusFizz“ kann man noch auf Instagram folgen.

Der Scoby „Fungus Fizz“, schon bekannt aus dem Beitragsbild.

Zubehör und Grundrezept

Angeblich vertragen Scobys keinen Kontakt mit Metallen, daher lohnt sich ggf. die Anschaffung von Kunststoff-, Silikon- oder Holzutensilien, namentlich Siebe, Löffel, Schöpfkellen und Co. Hat man das beisammen, kocht man einfach einen Tee, süßt ihn mit ca. 120g Zucker auf 1l, lässt ihn abkühlen und füllt ihn in ein großes Glasgefäß (z.B. ein 4-Liter-Einmachglas für 2l Tee).

Dann gibt man den Scoby sowie 100-200 ml Ansatzflüssigkeit hinzu – am besten vom letzten eigenen Ansatz („Backslopping“), ansonsten vom Gebinde, in dem man den Scoby bekommen hat. Auf das Glas kommt ein Stück Küchenrolle, das mit einem Gummiring fixiert wird – um Staub und Insekten fernzuhalten, denn Fliegen fliegen auf die entstehende Essigsäure. Wichtig ist, das Gefäß nicht luftdicht zu verschließen: Die alkoholische Gärung ist anaerob, das heißt, die „Hefe-Unterseite“ des Scoby vergärt unter Ausschluss von Luft Zucker in Alkohol. Die „Bakterien-Oberseite“ des Scoby dagegen braucht Sauerstoff, um den soeben entstandenen Alkohol in Esigsäure umzuwandeln. Schließlich lässt man den Kombucha 7-10 Tage bei Zimmertemperatur stehen und probiert ihn dann. Ist er einem noch zu süß, lässt man ihn weiterziehen; ansonsten siebt man ihn ab und füllt ihn in Flaschen.

Den Scoby holt man mit Plastikhandschuhen (!) aus dem Plastik(!)sieb und lagert ihn mit einem Teil des Kombuchas in einem Glas im Kühlschrank. Ich vermute, er hält Monate, aber am besten gibt man ihm früher wieder etwas zu tun. Ich bin gerade dabei, mir eine Kombucha-Bibliothek aufzubauen – mit Scobys für mindestens 3-4 Getränke, die ich regelmäßig herstellen will.

Temperatur, Kohlensäure und Glasflaschen

Kombucha mag es warm und dunkel. Wenn man die Flaschen mit dem fertigen Getränk in den Kühlschrank stellt, passiert nicht mehr viel. Möchte man aber durch eine Zweitgärung ein bisschen Kohlensäure ins Getränk bekommen, kann man Bügelflaschen verwenden. (Pro-Tipp: Sehr viel des hier erwähnten Zubehörs findet man ziemlich günstig bei Läden wie Thomas Philipps.) Kombucha rein, bei Raumtemperatur stehen lassen und ab und zu öffnen. Wenn es ploppt, entsteht Kohlensäure. Achtung: Das heißt auch, dass es die Flaschen bei zu langer Gärung zerreißen kann! Das ist – glaube ich – ziemlich unwahrscheinlich, außer es ist noch viel Zucker im Sud und man vergisst ihn über viele Tage, aber seid gewarnt.

Wer es übrigens ganz exakt will: Mehreren Quellen zufolge ist der ideale Zeitpunkt, um den Kombucha auf Flaschen weitergären zu lassen, wenn der pH-Wert knapp unter 4 liegt. Ab einem Wert unter 3 spricht man schon von Essig, dieser Kombucha ist daher weniger Getränkebegleitung als Aperitif-Essig:

Kaffeekombucha als Longdrink-Zutat

Um zu zeigen, dass man nicht nur Schwarz-, Grün- und Früchtetee kombuchieren kann, eine Anregung aus dem „NOMA Guide to Fermentation“: Man kocht einen Kaffee (oder kocht alten Kaffeesatz aus), süßt diesen mit den bekannten 120g Zucker je Liter und setzt ihn mit dem Scoby an. Nach ca. 10 Tagen entsteht ein Getränk mit Kaffeearoma, leichter Säure und etwas Restsüße.

Ein einfaches alkoholfreies Getränk mit Kaffee-Kombucha ist der „Coffeebucha Tonic“. je 100 ml Kaffee-Kombucha und Tonic Water in einen Tumbler geben, nach Geschmack mit z.B. Orange oder einer Zimtstange garnieren und kalt genießen. Fifty shades of Bitterkeit. Die Säuren kommen noch besser zur Geltung, wenn man ein wenig Süße beigibt, etwa einen laktofermentierten Honig – mehr dazu im zweiten Teil dieser Reihe.

Ginger Bug

Einen Scoby (oder auch eine Wasserkefir-Kultur) besorgt man sich fertig und gibt ihn (bzw. sie) in die eigenen Ansätze hinein. Einen „Ginger Bug“ stellt man dagegen selbst her. Das Resultat ist eine Flüssigkeit, die „wild“ fermentiert: Die Hefen, die hier eine (anaerobe) alkoholische Gärung vollführen, leben auf den eigenen Händen und dem verwendeten Gär-Gut.

Sieht unsauber aus, gärt aber prächtig.

Herstellung

Das einfachste und schnellste Rezept, um etwas zur Gärung zu bringen, geht so:

  • frischer Bio-Ingwer („Bio ist für mich Abfall!“ ist wichtig, weil der „Abfall“ die notwendigen Mikroorganismen beinhaltet)
  • Zucker
  • Wasser

Den Ingwer schneidet man inklusive Schale in sehr kleine Würfel. Davon gibt man 2-3 Esslöffel in ca. 300ml Wasser. 2-3 EL Zucker dazu und dann kräftig umrühren. Das Resultat kommt nun in ein nicht-luftdicht verschlossenes Glas. Dieses lässt man bei Zimertemperatur stehen und gibt täglich je einen Löffel Ingwer-Würfelchen und Zucker hinzu. (Im Kühlschrank hält sich der feingehackte Ingwer nach meiner Erfahrung bis zu 2 Wochen, man kann also gleich auf Vorrat schneiden.) Kräftig rühren nicht vergessen.

Die wilde Fermentation ist auch eine spontane; man kann das nicht erzwingen. Meinen ersten Bug hielt ich schon für „tot“, als er nach 3 Wochen doch noch ansprang: Er blubbert dann fröhlich vor sich hin, das Glas macht richtiggehend Musik. Ab sofort darf der Bug im Kühlschrank wohnen und kriegt nur noch ein Mal pro Woche Nachschub an Zucker und Ingwer. (Den Ingwer darf man sogar mal eine Woche vergessen.)

Verwendung

Will man nun etwas brauen, holt man den Bug aus dem Kühlschrank, füttert ihn erstmal und rührt kräftig um. Hoffentlich blubbert es einem entgegen; ansonsten sollte man lieber nochmal einige Zeit abwarten. Wenn alles passt, seiht man 100-200 ml der Flüssigkeit ab und gibt den aufgefangenen Ingwer zurück in das Gefäß.

Dann bereitet man seinen Ansatz vor; im einfachsten Fall mischt man nur z.B.

  • 50g Ingwer (gerieben oder sehr fein gehackt)
  • 50g Zucker
  • 800ml Wasser
  • Saft einer Zitrone

Diese Mischung füllt man zusammen mit dem Bug in eine Glas-Bügelflasche, verschließt sie, lässt sie 1-2 Stunden bei Zimmertemperatur stehen und verfrachtet sie dann in den Kühlschrank. Nach 10 Stunden macht man die Flasche auf – es sollte merklich ploppen, denn die Gärung produziert reichlich Kohlensäure. Alternativ kann man auch Ingwer (sogar den Ingwer, der im Bug schwimmt!) auskochen und verwenden. Dann natürlich abkühlen lassen, ehe man den Bug hinzufügt.

Achtung: Lässt man das Gemisch einfach bei Zimmertemperatur stehen, kann relativ schnell relativ viel Alkohol enstehen! Wie viel Alkohol theoretisch aus einer Zuckerlösung entstehen kann, lässt sich Mostgewichtsrechnern wie diesem entnehmen. Das ergibt auch ein feines Getränk, aber hier wollen wir ja alkoholfrei (im Sinne: unter 0,5% vol, also wie alkoholfreies Bier) bleiben.

Shrubreste mit Ginger Bug fermentieren

Das Ziel muss immer sein: Nose to Tail bzw. Seed to Peel Fermentation! Und auch die Shrub-Reste sollen einer Verwendung zugeführt werden. Daher füllen wir erst den Shrub ab, ehe wir uns den Resten seines Ansatzes zuwenden. Diese gießen wir mit

  • 800ml Wasser
  • 200g Zucker
  • 200g Ginger Bug

200g Zucker je Liter ergeben bis zu 10% vol (sofern die Ginger Bug-Hefen diese Konzentration erreichen). Warum produzieren wir so viel Alkohol? Ganz einfach: Derart viele Feststoffe in einer Bügelflasche zu vergären ist eher unpraktisch, wir bräuchten für ein kohlensäurehaltiges Getränk also einen richtigen Gärbottich. Stattdessen produzieren wir ein „stark“ alkoholhaltiges Gebräu, das wir dann weiterverarbeiten – und zwar zu Essig. Darum geht es aber erst im nächsten Artikel dieser Reihe.

Die Shrub-Reste sind damit aber übrigens noch immer nicht an ihrem Ende: Mangostücke oder Ingwerscheiben kann man, wenn sie anfermentiert sind, noch prima als Snack essen oder zu einem Chutney weiterverarbeiten. Bon appetit!

Der Beitrag Shrubs and Bugs (Fermentation Part 1): Shrubs, Kombucha, Ginger Bug erschien zuerst auf Dennis Schmolk.

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Informationssicherheit: Von „ISMS“ bis „Informationssicherheitsbeauftragter“ https://dennisschmolk.de/2025/03/08/informationssicherheit-von-isms-bis-informationssicherheitsbeauftragter/ https://dennisschmolk.de/2025/03/08/informationssicherheit-von-isms-bis-informationssicherheitsbeauftragter/#comments Sat, 08 Mar 2025 10:01:23 +0000 https://dennisschmolk.de/?p=6819 „Wenn es Regenschirme gibt, kann man nicht mehr risikofrei leben: Die Gefahr, dass man durch Regen nass wird, wird zum Risiko, das man eingeht, wenn man den Regenschirm nicht mitnimmt. Aber wenn man ihn mitnimmt, läuft man das Risiko, ihn irgendwo liegenzulassen.“ (Niklas Luhmann) Ich beschäftige mich nun seit mehreren Monaten nebenher und seit ein paar Wochen intensiver mit der normativ-organisatorischen Seite von Informationssicherheit. Dabei fiel mir auf, dass dieses ... Mehr

Der Beitrag Informationssicherheit: Von „ISMS“ bis „Informationssicherheitsbeauftragter“ erschien zuerst auf Dennis Schmolk.

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„Wenn es Regenschirme gibt, kann man nicht mehr risikofrei leben: Die Gefahr, dass man durch Regen nass wird, wird zum Risiko, das man eingeht, wenn man den Regenschirm nicht mitnimmt. Aber wenn man ihn mitnimmt, läuft man das Risiko, ihn irgendwo liegenzulassen.“
(Niklas Luhmann)

Ich beschäftige mich nun seit mehreren Monaten nebenher und seit ein paar Wochen intensiver mit der normativ-organisatorischen Seite von Informationssicherheit. Dabei fiel mir auf, dass dieses „Arbeitsfeld“ zwar weidlich beackert wird, es aber nahezu unmöglich ist, ein paar Grundfragen einfach mal so zu recherchieren. Das liegt vor allem daran, dass die allermeisten „Informationsangebote“ entweder

  • von Behörden bzw. passionierten „Normenreitern“ kommen, also entsprechend eher die Standards wiedergeben als sie erklären oder
  • etwas verkaufen sollen.

Hintergrund meines Interesses: Ich bin designierter „Informationssicherheitsbeauftragter“ (im Folgenden: ISB) meines Hauptarbeitgebers. Und als solcher demnächst auch TÜV-zertifiziert. Einige der Themengebiete sind mir aber nicht ganz neu, sowohl aus Projekten im Hauptjob als auch von Nebenberuflichem wie digital-danach.de.

Zur besseren Strukturierung dieses Wissensgebiets befrage ich mich hier nun kurz selbst. Das Folgende sind freilich ausschließlich meine privaten Gedanken — das muss man ja dazusagen, wenn man über potenziell arbeitsrelevante Inhalte bloggt.

Worum geht es bei „Informationssicherheit“ und „Informationssicherheitsmanagement“ (ISM) eigentlich?

Ich teile das in meinem Kopf in zwei Bereiche: einerseits in den der tatsächlichen „Sicherung“ von physischen oder digitalen Informationen, also etwa durch

  • Zutrittskontrollen,
  • Brandschutz,
  • Sensibilisierung,
  • Backups,
  • Verschlüsselung,
  • Passwortrichtlinien.

Andererseits in einen Bereich der Dokumentation und der Compliance, also einen „Checklisten“-Bereich.

„ISM“ befasst sich aus meiner Wahrnehmung eher mit dem zweiten Block: Man managt, wie man mit Sicherheit umgeht und macht Häkchen in eine Liste. Das heißt nun natürlich nicht, dass sich nicht aus dem ISM Dinge ergeben, die der tatsächlichen Sicherheit dienen — aber vorrangig geht es darum, Sicherheitsbemühungen zu dokumentieren. Dabei fallen hoffentlich praktische Lücken auf; aber der Fokus liegt auf dem „Management“.

Fefe fasst das Problem polemisch in Bezug auf Zertifizierungen zusammen:

Ich erzähle ja schon seit Jahrzehnten, dass Security-Zertifizierungen nicht nur wertlos sondern sogar ein Indikator für schlechte Security sind. Wer das macht, kümmert sich nicht um Security sondern um Checkboxen und Compliance-Listen.

… das heißt natürlich im Umkehrschluss auch nicht, dass eine fehlende Zertifizierung ein Ausweis von Sicherheit ist. Ein Dilemma.

Ein praktisches Beispiel, das mir einfällt: Anti-Viren-Software. Diese Software ist meist selber inhärent unsicher, außerdem vergrößert sie als umfassend berechtigte Software zwingend die Angriffsfläche. In Checklisten ist sie aber vorgeschrieben … was tun?

Diese ganze Erkenntnis hilft freilich in der Praxis nicht, denn wie soll anderweitig in endlicher Zeit überprüft werden, dass man einem Dienstleister oder Zulieferer vertrauen will …? Und genau dafür gibt’s Zertifizierungen.

Was tut ein ISB?

Schon diese Frage ist nicht klar zu beantworten, denn im Gegensatz etwa zum Datenschutzrecht und seinem Datenschutzbeauftragten gibt es keine gesetzliche Ernennungspflicht für Informationssicherheitsbeauftragte. Und von den beiden wichtigsten „Regelwerken“ — siehe unten — schreibt auch nur eine einen ISB vor, nämlich der „BSI Grundschutz“. Dort ist einiges definiert, u.a. die folgenden Aufgaben (ich habe die Fachbegriffe gefettet):

  • den Sicherheitsprozess zu steuern und zu koordinieren,
  • die [Unternehmens-] Leitung bei der Erstellung der Sicherheitsleitlinie zu unterstützen,
  • die Erstellung des Sicherheitskonzepts und zugehöriger Teilkonzepte und Richtlinien zu koordinieren,
  • Realisierungspläne für Sicherheitsmaßnahmen anzufertigen sowie ihre Umsetzung zu initiieren und zu überprüfen,
  • der Leitungsebene und anderen Sicherheitsverantwortlichen über den Status der Informationssicherheit zu berichten,
  • sicherheitsrelevante Projekte zu koordinieren,
  • sicherheitsrelevante Vorfälle zu untersuchen sowie
  • Sensibilisierungen und Schulungen zur Informationssicherheit zu initiieren und zu koordinieren.

In Kürze: Der ISB soll „ein Informations-Sicherheits-Management-System (ISMS) aufbauen bzw. pflegen“. Was das alles konkret bedeutet, muss man individuell absprechen. Alle Leit- und Richtlinien sollen schließlich dazu dienen, Unternehmensziele abzusichern — daher geht das nicht abstrakt.

Wichtig scheint zu sein, den ISB auch formal zu bestellen. (Hier eine Vorlage, die aber eher für Behörden oder Werke geeignet ist.) Dabei steigt natürlich mit den (etwa Weisungs-) Befugnissen auch die Verantwortlichkeit und damit die Haftung — daher sollte man sich ggf. damit begnügen, beratend tätig zu sein.

Wer eignet sich als ISB?

Das BSI schreibt:

Zur Wahrung der Unabhängigkeit sollte der ISB direkt der obersten Leitung zugeordnet sein. Eine Integration in die IT-Abteilung kann zu Rollenkonflikten führen, da der ISB seine Verpflichtung zur Kontrolle der Sicherheitsmaßnahmen nicht frei von Beeinflussung wahrnehmen kann. Auch eine Personalunion mit dem Datenschutzbeauftragten ist nicht unkritisch.

Davon abgesehen werden IT-Sec- und Kommunikationsskills vorgeschlagen, aber es gibt keine „Pflichtenliste“.

Welche „Normen“ gibt es für Informationssicherheit und in welchem Verhältnis stehen sie zueinander?

Hier wird es kompliziert(er). Im Wesentlichen gibt es zwei Normen:

  • die internationale ISO 27001 und
  • den (deutschen) BSI-Grundschutz mit den Standards BSI 200-1 bis 200-4; eine Übersicht gibt es hier.

Aber natürlich spielen andere Gesetze, Normen, Vorgaben usw. eine Rolle.

  • Diverse Gesetze und Vorgaben (vom Aktienrecht bis zu KRITIS) regeln, wer welche Pflichten zur Compliance mit o.g. Normen hat – aber auch mit weiteren Normen, die Informationssicherheit berühren, etwa NIS2 oder DORA.
  • Verwandte ISO-Normen, z.B. die 31073 zum „Risk Management“, sollte man auf dem Schirm haben.
  • Einen groben Überblick gibt es hier beim österreichischen IKT-Sicherheitsportal.

Außerdem sind wir mit der ISO 27001, die gerade einmal ca. 30 Seiten lang ist, auf wenig konkretem Terrain. Ein kleines bisschen konkreter wird es bei den Maßnahmen („Controls“) im Annex A (erklärende Übersicht bei DataGuard). So eine „Control“, also Sicherheitsmaßnahme, kann man sich anhand des folgenden Beispiels vielleicht besser vorstellen:

A 5.7 „Threat Intelligence“: Information relating to information security threats shall be collected and analysed to produce threat intelligence.

Das ist natürlich maximal abstrakt. Deswegen gibt es dann die ISO 27002, die das ganze erläutert.

Der BSI-IT-Grundschutz soll ein ISMS aufzubauen helfen, das dann auch ISO 27001-zertifizierbar ist. Und genau um dieses Zertifikat geht es vielen, die sich mit dem ganzen IS(MS)-Thema befassen. (Schon verwirrt? Ja, ging und geht mir ähnlich.)

Wer es vollständig mag: Vom BSI gibt es ein „Kompendium“ mit schlappen 860 Seiten. Im Gegensatz zur ISO-Norm aber zumindest frei im Web verfügbar.

Hat das was mit Datenschutz zu tun?

Ja und nein. Einerseits ist der Datenschutz ein Sub-Feld des Informationsschutzes; andererseits haben wir ja schon gelesen, dass beides nicht in einer Hand liegen sollte. Datenschutz-Dokumentationen wie Technische und Organisatorische Maßnahmen (TOMs) und Verarbeitungsverzeichnisse sind aber sehr gute Grundlagen für den Aufbau eines ISMS.

Theorie: Was steckt da dahinter?

Einerseits natürlich die zunehmende Digitalisierung — mehr Angriffsfläche erfordert quasi ein Wettrüsten mit (Gelegenheits-) Kriminellen. Aber ab und an stößt man, insbesondere im Zusammenhang mit europäischen Normen (also sowas wie NIS2 und DORA), auf den ideologischen Überbau eines „Cyberkriegs“ oder „Cyberwar“. Zwar schreibt die Wikipedia:

There is significant debate among experts regarding the definition of cyberwarfare, and even if such a thing exists.

Diese Erkenntnis aber wird das Wettrüsten zwischen Staaten nicht stoppen. In einer Welt der Putins, Jinpings und nun auch Trumps kann man sich als EU halt auch nicht so richtig verstecken … Ergo lagern supranationale und nationalstaatliche Akteure die Verteidigungs-Aufrüstung an auf ihrem Grund tätige Unternehmen aus. (Die dänische Aufsichtsbehörde rät wohl (in Sachen Datenschutz) bereits dazu, sich eine Ausstiegsstrategie aus amerikanischen Diensten zu überlegen. Klingt eigentlich nach einem Gewinn …)

Ein Problem an bürokratischen IT-Normen bleibt natürlich, um nochmal Fefe zu zitieren:

So viel Text und nichts davon dient konkret der Konstruktion eines sicheren Arbeitsumfeldes oder der Abwehr von Angreifern. Das ist eine schöne Repräsentation der „IT-Security“ in Deutschland im Moment. Eine metrische Tonne aus Bürokratie und Compliance, aber niemand tut irgendwas konkretes zur Abwehr konkreter Gefahren. Stattdessen „Informationssicherheitsmanagement“. Nee, klar.

Ob uns das also den Cyberwar gewinnt …? Andererseits wüsste ich nicht, was darauf hindeutet, dass Unternehmen mehr Security machen würden, wenn sie weniger Security-Doku machen müssten. Vermutlich bräuchten wir einfach sehr viel mehr Haftung für IT-Murks.

Praxis: Womit fange ich an?

Das werde ich in den nächsten Wochen und Monaten herausfinden und melde mich dann wieder. Die Grundfrage ist aber natürlich immer: Was will man als Unternehmen erreichen — Sicherheit für konkrete Prozesse, bestimmten Gefährdungslagen begegnen, Zertifizierung, Kompatibilität bzw. Compliance mit einer anderen Anforderung, Dokumentation für eigene Entscheidungen? Daraus leitet man dann konkrete „Schutzziele“ und daraus wiederum Maßnahmen ab, setzt sie um, dokumentiert sie und passt sie laufend an. Sounds easy …

Bonus: Weitere Literatur, Lektüren, Blogs etc.

Für weitere Tipps bin ich sehr dankbar!

Generelle Security-Ressourcen, die man auch für sein Privatleben nutzen kann

Eher spezifischere Fachinformation


PS: Das Luhmann-Zitat am Anfang passt natürlich perfekt auf „Informationssicherheit“. Es gibt keine Gefahren mehr, nur noch Risiken, die man managen kann – und sei es, indem man nichts tut, aber darüber nachgedacht hat.

Der Beitrag Informationssicherheit: Von „ISMS“ bis „Informationssicherheitsbeauftragter“ erschien zuerst auf Dennis Schmolk.

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Die „Rue de la Manticore“ in Umberto Ecos „Das Foucaultsche Pendel“ https://dennisschmolk.de/2025/02/08/die-rue-de-la-manticore-in-umberto-ecos-das-foucaultsche-pendel/ https://dennisschmolk.de/2025/02/08/die-rue-de-la-manticore-in-umberto-ecos-das-foucaultsche-pendel/#comments Sat, 08 Feb 2025 12:27:14 +0000 https://dennisschmolk.de/?p=6765 Eine starke Erkältung oder leichte Grippe fesselte mich einige Tage ans Bett, die ich für eine Re-Lektüre dieses Meisterwerks paranoiden Denkens nutzte. Einige Dinge fielen mir auf, die mir bei vorherigen Lektüren entgangen waren — zum Beispiel, wie klein und tragisch doch eigentlich die Rolle Diotallevis ist: Sogar sein Beitrag zum Großen Werk wird am Ende ja herausredigiert! Ein anderes Detail: Ecos fiktive Topographie (die ja nicht nur Kulisse ist, ... Mehr

Der Beitrag Die „Rue de la Manticore“ in Umberto Ecos „Das Foucaultsche Pendel“ erschien zuerst auf Dennis Schmolk.

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Eine starke Erkältung oder leichte Grippe fesselte mich einige Tage ans Bett, die ich für eine Re-Lektüre dieses Meisterwerks paranoiden Denkens nutzte. Einige Dinge fielen mir auf, die mir bei vorherigen Lektüren entgangen waren — zum Beispiel, wie klein und tragisch doch eigentlich die Rolle Diotallevis ist: Sogar sein Beitrag zum Großen Werk wird am Ende ja herausredigiert!

Ein anderes Detail: Ecos fiktive Topographie (die ja nicht nur Kulisse ist, sondern wesentlicher Teil des großen Geheimnisses!) kennt unter anderem eine „Rue de la Manticore“ mit einem Buchladen:

Warum verabreden wir nicht ein Rendezvous in der Librairie Sloane, Rue de la Manticore 3, heute in einer Woche? Librairie Sloane, Rue de la Manticore Nummer 3. […] Rue de la Manticore Nummer 3, leicht zu merken.

Im Roman finden wir dann eine knappe Schilderung der dortigen Verhältnisse:

Zum Glück hatte ich ein bißchen Geld dabei. In Paris nahm ich ein Taxi und ließ mich in die Rue de la Manticore fahren. Der Taxifahrer fluchte lange, denn er fand sie nicht mal auf seinem Taxifahrerstadtplan, und tatsächlich war sie dann ein Gäßchen, etwa so breit wie der Gang eines Eisenbahnwaggons, in der Gegend der alten Bièvre hinter Saint-Julien-le-Pauvre. Das Taxi konnte gar nicht hineinfahren und setzte mich an der Ecke ab.

Ich drang zögernd in den schmalen Schlauch ein, zu dem sich keine Tür öffnete, aber nach ein paar Metern wurde die Straße ein wenig breiter, und da war eine Buchhandlung. Ich weiß nicht, warum sie die Nummer 3 hatte, da nirgends eine l oder 2 oder sonst eine Nummer zu sehen war.

(Hervorhebungen von mir)

Auf den Spuren fiktiver Straßen

Diese „Rue de la Manticore“ gab ich mal bei Google Maps ein — vielleicht könnte man die ja mal besuchen –, aber natürlich ohne Ergebnis. Immerhin ergab eine normale Web-Suche: Es gibt einen dreiseitigen akademischen Aufsatz dazu: „The Strange Case of Rue de la Manticore—An Imaginary Parisian Street in Umberto Eco’s Foucault’s Pendulum?“. Der Autor oder die Autorin, K.J. Creedon, interpretiert die Fiktionalität dieser Straße als Hinweis darauf, dass der Protagonist Casaubon hier in eine irreale Realität abbiegt:

[This]marks the point in the novel where Casaubon appears to become unhinged and falls out of touch with reality, creating a mental landscape that does not concur with actual reality of Paris.

Man fühlt sich sofort erinnert an die Pariser (!) „Rue d’Auseil“ in H.P. Lovecrafts „The Music of Erich Zann“ (siehe meinen Artikel über Mythos-Musik), die ebenfalls anzeigt, dass der Protagonist die sicheren Gefilde der realen Stadt verlässt und sich ins Unbekannte wagt. Auch diese Straße wird als eng, bedrängt von Häusern, geschildert; und der Protagonist findet sie später trotz intensiver Suche auf keiner Karte von Paris wieder.

Fiktive Straßen gibt es aber auch in Ecos nicht-fiktionalen Texten: In seinem Essay „The Strange Case of the Rue Servandoni“ untersucht er eine fiktive Straße bei Dumas, die allerdings nur deshalb fiktiv ist, weil sie erst zu Dumas‘ Lebzeiten, nicht aber zur Zeit der Handlung seiner „Drei Musketiere“ existierte. (Schon verwirrt?) Weshalb aber nun eine fiktive Straße? Creedon zitiert aus Ecos Essay:

„[The author] dropped this name in the margins of the text in order to alert his readers. He wanted them to realize that every fictional text contains a basic contradiction just because it’s trying so hard to make the fictional world collide with the real one.“

Ist das befriedigend? Vielleicht, wenn man weitere Topoi aus dem Roman zu Hilfe nimmt: Es geht ja insgesamt um a) ein „leeres Geheimnis“, dessen Leere aber nur den wahrhaft Initiierten (nämlich den Erfindern des Geheimnisses) bekannt und bewusst ist. Und b) um geheime Topographien sowie um eine nur ausgedachte topographische Karte — jede Karte ist „erfunden“, aber diese ist gar nicht erfunden, nur erdacht.

Sam Spade googles

Weiteres Googlen führte nur zu noch seltsameren Treffern. Etwa eine Diskussion in einer skurrilen Foren Kategorie „Notes & Queries“ im Guardian. Notes & Queries ist übrigens auch der Name des Journals, in dem Creedons Mini-Paper erschien. Zufall …? Nach der Lektüre des Foucaultschen Pendels glaubt man da freilich nicht mehr dran.

Die Inhalte der Guardian-Diskussion sprechen jedenfalls für einen starken, starken Zusammenhang, denn es geht in dieser Diskussion um „getarnte Häuser“! Den Auftakt macht:

There is a fake house front in Leinster Gardens, London, built to disguise an Underground line running behind and beneath it. Are there any other such facades in existence?

Volltreffer. Das sind genau die Kulissen, die die Templer (oder wer auch immer, ich habe den Überblick genauso verloren wie die Protagonisten des Buches) erbaut haben, um ihre „tellurischen Ströme“ in den Untergründen zu kontrollieren. Bei Eco finden wir einen Dialog:

[Casaubons Nachbar, der Taxidermist Salon:] „Ich mißtraue den Untergründen, aber ich will sie begreifen. […] Natürlich gibt’s in Paris auch die Katakomben, und die unterirdischen Höhlen. Zu schweigen von der Metro. Waren Sie je an Nummer 145 der Rue La Fayette?“
[Casaubon:] „Ich muß gestehen, nein.“
[S:] Ein bißchen abseits, zwischen der Gare de l’Est und der Gare du Nord. Auf den ersten Blick ein unscheinbares Gebäude. Nur wenn man genauer hinsieht, entdeckt man, daß die Türen zwar aussehen wie aus Holz, aber in Wahrheit aus bemaltem Eisen sind, und die Zimmer hinter den Fenstern sind seit Jahrhunderten unbewohnt. Nie brennt da ein Licht. Aber die Leute gehen vorbei und wissen nicht […], [daß] das Haus nur vorgetäuscht ist Es ist nur Fassade, eine Hülle ohne Dach, ohne Inneres. Leer. Es kaschiert die Mündung eines Kamins. Dient zur Be- und Entlüftung der Metro.“

Hieran schließt der sehr verdächtige Salon dann eine Reflexion über Unterwelten — man beachte hierzu auch die Bedeutung der Pariser Kanalisation in Ecos „Der Friedhof in Prag“! In die gleiche Kerbe schlägt aber auch die offenbar fiktive  Guardian-Reaktion, die zu meinem Google-Treffer führte:

Number 10, rue de la Manticore, Paris (just off the Champs Elysees) is also fake. It’s rooms (if one peers through the windows) are only a few feet deep. It’s a trompe-l’oeil house built around a chimney, to allow fumes out from the Metro line beneath.

Dieser unmöglich wörtlich gemeinte Beitrag — die Rue de la Manticore gibt es ja nicht — stammt von einem „Garrick Alder, London“. Dieser könnte ein „journalist and contributor to BBC’s hugely popular QI series“ sowie Buchautor sein — aber warum würde er diese Spur legen? Als Marketing für … irgendwas? Nein, nein. Es muss sich um einen Initiierten handeln. Aber nun sind wir so oder so mit den Google-SERs in einer Sackgasse.

Dall-E via ChatGPT, prompt: „generate an image of a world map used by the Knights Templar to control the telluric streams“

Sloan und Mantikor

Zwei Spürchen existieren noch, also machen wir mal mit „Sloane’s“ weiter. Der Name des Buchladens leitet sich ab (Wikipedia):

Sloane or Sloan is a given name, a transferred use of the Irish surname O Sluaghadhán, meaning „descendant of Sluaghadhán“. Sluaghadhán is an Irish diminutive form of the Irish name Sluaghadh, which means expedition or raid.

Sloane, falls der Name sprechend gemeint ist, könnte also ein Krieger sein, ein Räuber, ein Plünderer. Im Buch ist der laden aber eher eine Schlangengrube … ist dann vielleicht Casaubon der „Raider“?

Und schließlich haben wir noch das Motiv des Mantikors der „Rue de la Manticore“. Im italienischen Wikipedia-Eintrag zu diesem mythischen Skorpionlöwen finden wir (Deepl):

In addition to fantasy and catalogs of imaginary beings, the real manticore still appears in Umberto Eco’s novels, in The Name of the Rose and especially in Baudolino, where together with a cat and a chimera it bars the way to the fabulous realm of the Priest Gianni (where a number of fantastic races such as blemmi, panozi, etc. also live). Also Eco in The Pendulum of Foucault talks about the Sloane bookstore on “rue de la Manticore” in Paris.

Der Mantikor spielt also eine gewisse Rolle bei Eco; Creedon bietet hierfür eine Borge-Referenz als Erklärung (0hne allerdings „Der Name der Rose“ und „Baudolino“ zu erwähnen):

Borges had written a book entitled The Book of Imaginary Beings, a fabulous bestiary drawn from mythology, legend, and literature. In this book the reader is provided with a definition of the Manticore […]: There is a beast, which he calls Mantichora, hauing three ranks of teeth, which when they meet together, are let in one within another like the teeth of combs, with the face and eares of a man, with red eies, of colour sanguine, bodied like a Lion, and hauing a taile armed with a sting like a Scorpion: his voice resembles the noise of a flute and trumpet sounded together: very swift he is, and mans flesh of all other he chiefly desireth.

Die enge, bedrängende Gasse ist also vielleicht eine Mantikorengrube, in der Löwen und Skorpione mit menschlichen Gesichtern auf Casaubon warten — aber offenbar rein fiktiv.

Fazit?

Auf einer einfachen Text-Ebene ist die Rue de la Manticore ein „liminal space“, in dem der Übergang Casaubons in die möglicherweise teil-halluzinierte Finalszene passiert. Diese Funktion ist bei der „Rue d’Auseil“ Lovecrafts aber deutlicher, denn hier ist auch die Architektur widersinnig und unmöglich.

Auf symbolischer Ebene glaube ich hier eine Anspielung auf die ewige Selbstbezüglichkeit des eigentlich leeren Geheimnisses zu erkennen, das die Adepten und Initiierten aller Orden immer suchen. Überlassen wir Casaubon das Schlusswort:

[Jemand sagte einmal:]»Seit die Menschen nicht mehr an Gott glauben, glauben sie nicht etwa an nichts mehr, sondern an alles.«

Aber alles ist kein größeres Geheimnis. Es gibt überhaupt keine »größeren Geheimnisse«, denn kaum sind sie aufgedeckt, erscheinen sie klein. Es gibt nur ein leeres Geheimnis. Ein Geheimnis, das einem ständig wegrutscht. […] Initiation heißt lernen, nie innezuhalten, man pellt das Universum wie eine Zwiebel, und eine Zwiebel ist nichts anderes als Pelle, denken wir uns eine endlose Zwiebel, die ihr Zentrum überall hat und ihre Außenhaut nirgends, Initiation ist endlos wie ein Möbiussches Band.

Der wahre Initiierte ist der, der weiß, daß das mächtigste Geheimnis ein Geheimnis ohne Inhalt ist, denn kein Feind kann ihn zwingen, es zu enthüllen, und kein Gläubiger kann es ihm wegnehmen.


Featured Image: ChatGPT mit einem korrigierten Prompt. Cooles Bild, aber die Größenverhältnisse scheinen mir nicht zu stimmen … Außerdem erinnert auch das mehr an die „Rue d’Auseil“ Lovecrafts.

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Monster „Mango Loco“ Currywurst https://dennisschmolk.de/2025/01/29/monster-mango-loco-currywurst/ https://dennisschmolk.de/2025/01/29/monster-mango-loco-currywurst/#comments Wed, 29 Jan 2025 12:24:59 +0000 https://dennisschmolk.de/?p=6713 In meiner (bald ehemaligen) Abteilung veranstalten wir gerade eine Currywurstwoche. Mein Kollege Ändi wollte eine Woche lang Meica Curryking essen; ich schlug dann vor, dass wir eine 5er-Gruppe gründen, die sich gegenseitig eine Woche lang mittags mit Currywurst versorgt. Dabei ist egal, ob man zu Wurstdurst einlädt, selber kocht oder JA! Currywurst für alle in die Mikrowelle schiebt. Meine Wahl fiel auf: Mango Loco Currywurst Ich mache eine Currysauce, die ... Mehr

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In meiner (bald ehemaligen) Abteilung veranstalten wir gerade eine Currywurstwoche. Mein Kollege Ändi wollte eine Woche lang Meica Curryking essen; ich schlug dann vor, dass wir eine 5er-Gruppe gründen, die sich gegenseitig eine Woche lang mittags mit Currywurst versorgt. Dabei ist egal, ob man zu Wurstdurst einlädt, selber kocht oder JA! Currywurst für alle in die Mikrowelle schiebt.

Meine Wahl fiel auf:

Mango Loco Currywurst

Ich mache eine Currysauce, die auf dem Energydrink „Mango Loco“ von Monster beruht. Lecker!

Was man braucht

1 Dose Monster Mango Loco (500ml)
2 Mal 100ml Guavensaft („Pink Guave“ o.ä.)
2 große rote Zwiebeln
1-2 große reife Mangos in Stücken
300g Tomatenmark
2 EL Zitronensaft
150-200ml passierte Tomate
etwas Currypaste oder viel Currypulver
Salz
Currypulver (Madras)
Chiliflocken

The Mango

Die Zwiebeln grob gehackt 10 Minuten dünsten, dann Tomatenmark und Mango zugeben und 5 Minuten mitdünsten. Hitze erhöhen, Currypaste oder -pulver 3 bzw. 1 Minuten mitbraten. Dann mit 100ml Monster ablöschen, reduzieren, dann ca. 300 ml Mango Loco und Guavensaft aufgießen und einkochen. Dabei oft rühren; im Idealfall übernimmt das der Thermomix.

Wenn die Flüssigkeit auf die Hälfte reduziert ist, mit passierter Tomate auffüllen — je nach gewünschter Viskosität. Mit Salz, Zitrone und Currypulver abschmecken und weiterköcheln. Nach Bedarf am Ende pürieren; im Idealfall übernimmt das der Thermomix.

The Loco

Nun ein wenig von der Sauce zusammen mit etwas Zitronensaft und je 100ml Guavensaft und Monster Mango Loco in einen weiteren Topf geben, ordentlich Currypulver und Chiliflocken dazugeben, aufkochen und stark reduzieren. Unbedingt über Nacht kühl durchziehen lassen.

Wie servieren?

Wurst mit Sauce („The Mango“) anrichten, Loco dazureichen.

  • Brötchen oder Baguette als Sättigungsbeilage. Fancy version: Fritten.
  • Getränkebegleitung: natürlich „Mango Loco“, wahlweise auch die „Ultra Fiesta“-Variante für Diabetiker und solche, die es nicht werden wollen.
  • Außerdem kann man, falls zu viel Mango vorhanden ist, auch noch ein Mango-Chutney kochen. (Ich hatte immer gedacht, „Chutney“ ist roh, aber offenbar kann man auch Gekochtes als Chutney bezeichnen.)
  • Currypulver zum Bestreuen nach Wahl.

Bon appetit!

Man kann sich ansonsten auch mit der Tischdeko verkünsteln:

PS: Die Sauce wurde insgesamt sehr wohlwollend aufgenommen.


Playlist: Songs über den legendären blauen Monster Juiced

Natürlich gibt es auch passende Musik. Die letzten beiden Songs sind die Rausschmeißer. Enjoy!

Bei den Black Eyed Peas findet sich ein latenter Bezug zu Energy Drinks:

Bei JP THE WAVY geht es explizit um die blaue Dose „Mango Loco“:

Und bei McFluff, Eleks und lundylizard auch:

Even without the caffeine this flavor
could take a queen – and enslave her
[…]
What would you do for a sip?
Let me tell you ‚bout me
I’d kill an entire family
for a full can.
[…]

Aber leider:

Mango Loco is pretty good
But Pipeline Punch is really good.

Muss man also überlegen, ob das als Mango-Loco-Fansong durchgeht …

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Akademia und Politik https://dennisschmolk.de/2025/01/23/akademia-und-politik/ https://dennisschmolk.de/2025/01/23/akademia-und-politik/#respond Thu, 23 Jan 2025 16:44:15 +0000 https://dennisschmolk.de/?p=6705 Hier passiert gerade leider nicht viel. Mit meiner akademischen Karriere geht es (jedenfalls vorerst) nicht weiter. Ich hatte mich im vergangenen Herbst für eine Promotionsstelle beworben, woraus aber leider nichts wurde. Die Absage erreichte mich als verfrühtes „Weihnachtsgeschenk“ am 19.12. und seitdem standen andere Dinge im Vordergrund. Meine Themenidee zur Diss dokumentiere ich zum allgemeinen Amüsement aber dennoch hier: „Sentimentale Netzwerke. Die Rolle von Gefühlsformen in Popkultur, Politik und Protest“. ... Mehr

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Hier passiert gerade leider nicht viel. Mit meiner akademischen Karriere geht es (jedenfalls vorerst) nicht weiter. Ich hatte mich im vergangenen Herbst für eine Promotionsstelle beworben, woraus aber leider nichts wurde. Die Absage erreichte mich als verfrühtes „Weihnachtsgeschenk“ am 19.12. und seitdem standen andere Dinge im Vordergrund.

Meine Themenidee zur Diss dokumentiere ich zum allgemeinen Amüsement aber dennoch hier: „Sentimentale Netzwerke. Die Rolle von Gefühlsformen in Popkultur, Politik und Protest“. Mal sehen, ob sich irgendwann in den nächsten Jahren noch die Gelegenheit zu einer Promotion ergibt.

Schade, aber dann fokussiere ich mich voraussichtlich erstmal auf neue Aufgaben im alten Job, die mit Informationssicherheit zu tun haben. Möglicherweise fällt dabei auch etwas fürs Blog ab, wir werden sehen; ansonsten bitte ich eine Blogpause zu entschuldigen. Es ist ja auch wahrlich genug Content entstanden in den letzten beiden Jahren.

Diese Bundestagswahl

Bald ist also wieder BTW. Ich bin noch sehr unentschieden, wie ich wählen werde; letztlich hat sich seit 2021 und meinen Analysen zum Nichtwählertum und den damaligen Ergebnissen nicht viel getan. Gewisse meiner Sympathien sind der PARTEI aber sicher, nachdem die Union ihre Wahlplakate geklaut hat und nun der Staatsschutz ermittelt:

Der Staatsschutz der Münchner Polizei ermittelt in einem mutmaßlichen Fall von politisch motivierter Kriminalität. Es geht um verschwundene Bundestagswahlplakate der Satirepartei „Die Partei“, die auch im Münchner Stadtrat vertreten ist. Das Pikante an dem Fall: Die Plakate mit dem Konterfei des Unionskanzlerkandidaten Friedrich Merz waren im Münchner Norden gegenüber dem Gebäude der CSU-Landesleitung aufgestellt gewesen – und dorthin führt jetzt die Spur. (SZ)

Wenn die Union die PARTEI also mindestens für ein Ärgernis hält, ist die Stimme wohl zumindest nicht vergebens.

In other news: Das ZPS hat das Foto einer „Lichtinstallation“ von Musks Hitlergruß auf dem deutschen Tesla-Werkegelände in Brandenburg geteilt: Bild bei T-Online, via Fefe. Immerhin kann man aus dem Niedergang der politischen Kultur noch ein bisschen provokative Schönheit gewinnen …

Update: Danke an Katja und andere für den Hinweis auf den Real-O-Mat. Der sagt, ichs oll wieder LINKE wählen, wovon ich momentan nicht überzeugt bin …


Beitragsbild: Dall-E via ChatGPT mit dem sehr lazy prompt „generiere ein widescreen-Bild, das Sentimentalität in Popkultur, Politik und protest darstellt“.

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Kurzrezension: „Tarot“ (US-Horrorfilm, 2024) https://dennisschmolk.de/2024/12/16/kurzrezension-tarot-us-horrorfilm-2024/ https://dennisschmolk.de/2024/12/16/kurzrezension-tarot-us-horrorfilm-2024/#respond Mon, 16 Dec 2024 16:03:54 +0000 https://dennisschmolk.de/?p=6679 Dieser Beitrag erschien zuerst bei Tarot-Guide.de. Das Tarot spielt in der Popkultur immer wieder eine (meist kleine) Rolle, ganz besonders in Genres, die sich mit dem Unheimlichen, Verborgenen, Mysteriösen befassen. Dezidierte „Tarot-Horrorfilme“ gibt es aber nicht viele. Umso spannender, dass 2024 gleich mehrere filmische Interpretationen entstanden: Einerseits die koreanische Serie „Tarot“, andererseits ein ebenfalls einfach „Tarot“ genannter US-amerikanischer Horrorfilm. Um diesen geht es hier. Handlung und Charaktere Achtung! Die folgende ... Mehr

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Dieser Beitrag erschien zuerst bei Tarot-Guide.de.

Das Tarot spielt in der Popkultur immer wieder eine (meist kleine) Rolle, ganz besonders in Genres, die sich mit dem Unheimlichen, Verborgenen, Mysteriösen befassen. Dezidierte „Tarot-Horrorfilme“ gibt es aber nicht viele. Umso spannender, dass 2024 gleich mehrere filmische Interpretationen entstanden: Einerseits die koreanische Serie „Tarot“, andererseits ein ebenfalls einfach „Tarot“ genannter US-amerikanischer Horrorfilm. Um diesen geht es hier.

Handlung und Charaktere

Achtung! Die folgende Beschreibung enthält diverse Spoiler, und auch wenn der Plot insgesamt vorhersehbar ist, sollte man sich ggf. erst den Film ansehen!

Eine Freundesclique um die 20 mietet sich ein altes Herrenhaus, um in den Geburtstag einer der Anwesenden hinein zu feiern. Auf der Suche nach mehr Alkohol dringen sie in einen abgesperrten Keller voller Kuriositäten ein — und finden ein altes, handgemaltes Tarot-Deck. Eine der Anwesenden (man könnte sagen: die Protagonistin) entpuppt sich nicht nur als Astrologie-Expertin, sondern auch als kartenkundige Wahrsagerin.

Die anderen lassen sich – manche begeistert, andere widerwillig – von ihr die Karten nach einem sehr eigenwilligen astrologischen System legen. Alle bekommen als „So wird das alles enden“-Karte einen Trumpf (etwa Der Narr, Der Eremit, Der Magier).

Der Horror beginnt

Zurück in der Zivilisation und nur etwa 20 Minuten nach Start des Films beginnen dann nach Horrorfilm-Manier die Charaktere, einer nach dem anderen zu sterben. Dabei werden sie jeweils von einem Monster, das ihrem Schicksals-Trumpf entspricht, mehr oder weniger brutal ermordet. Das weiß aber nur die Zuschauerin, denn zunächst sehen die Tode nach Unfällen aus – auch wenn man sich nur schwer vorstellen kann, wie jemand „acht Volltreffer mit einer Dachbodenleiter“ für einen Unfall halten kann.

Die Polizei ist jedenfalls keine Hilfe, aber im Internet finden die jungen Erwachsenen eine heiße Spur: Eine „in der Astrologie-Community umstrittene“ Wahrsagerin hat über mysteriöse Todesfälle nach Tarot-Readings publiziert. Von ihr erfahren unsere Protagonistinnen, was hinter dem Ganzen steckt.

Die ahistorische Hintergrundgeschichte

Im 18. Jahrhundert hatte eine ungarische Wahrsagerin („The Astrologer“) großen Erfolg mit ihrem eigenen, astrologisch informierten Legesystem — zufälligerweise (?) demselben, das auch die Protagonistin nutzt. Durch diese Kombination von Horoskop und Tarot konnte „sie „The Astrologer“ die Zukunft treffsicher vorhersagen. Ihr Dienstherr, ein Graf, war aber mit der Prophezeiung unzufrieden, dass seine Frau mit Kind bei der Geburt sterben würde. Er jagte sie davon. Als die Prophezeiung dann aber eintrat, bezichtigte er die Wahrsagerin der Hexerei und ermordete „an eye for an eye“ deren Tochter.

Die (bis dahin unschuldige) Wahrsagerin sann von nun ab nur noch auf Rache an den Mördern ihres Kindes und der ganzen Welt — hier klingt ein „Female-Rage“-Motiv an, das nachvollziehbar ist, aber unterentwickelt bleibt. Die Wahrsagerin opferte sich sodann selbst in einem düsteren Ritual und versah ihr Tarot-Deck mit der magischen Fähigkeit, jeden zu töten, dem mittels des Decks (und der astrologischen Legeweise) die Zukunft vorhergesagt wurde. Genau so kam es – und kommt es heute wieder, denn das Deck unserer Protagonistinnen ist freilich genau dieses alte Deck.

Eine historische Anmerkung sei gestattet: Die astrologischen Korrespondenzen des Tarot sind, soweit mir bekannt, eine Erfindung des 19. Jahrhunderts und insbesondere von Eliphas Levi. Mir ist nicht bekannt, dass die Großen Arkana vorher bereits mit Sternzeichen oder Planeten assoziiert worden waren – sicherlich nicht im (späten) 18. Jahrhundert, wo die esoterische und divinatorische Verwendung des Tarot gerade erst in Mode kam. Und sicherlich nicht in Ungarn. (Zudem sei darauf hingewiesen, dass es unwahrscheinlich ist, dass eine ungarische bäuerliche Wahrsagerin ihre Karten englisch beschriften würde.)

Das Finale: Fate isn’t sealed

Ab sofort klickt die „Threat Clock“, weitere der jungen Leute sterben, aber schließlich gelingt es der Protagonistin, „The Astrologer“ zu besiegen: indem sie ihr die Karten legt und sie daher mit den eigenen Waffen schlägt. Dass hierbei auch noch eine Liebesgeschichte ihr Happy End findet und die Protagonistin ihren kindheitstraumabedingten Leitsatz, das Schicksal sei unabänderlich, überwindet, ist eher Nebensache.

Bewertung

Insgesamt gibt es am Film einiges auszusetzen. Sehr viele der Jump-Scare- und Horror-Effekte wirken ziemlich billig oder schlecht getimed. Zudem sind viele Entscheidungen von Charakteren nur bedingt nachvollziehbar. Man kennt es aus dem Horror-Genre.

Am Ende bleiben zudem leider einige wichtige Fragen offen. Etwa:

  • Wem gehört eigentlich das Haus, in dem die Jugendlichen das Deck finden?
  • Wie ist das Kartenlegen für „The Astrologer“ möglich, wenn ihr Geburtshoroskop nicht bekannt ist?
  • Woher kennt die Protagonistin das Legesystem („Spread“) der Astrologin aus dem 18. Jahrhundert?

Solche Auslassungen wirken weniger „mysteriös“ als vielmehr nicht zu Ende gedacht.

Tarot-Kritik

Und auch Tarot-spezifisch kann man sich beschweren:

  • Das Tarot kommt vor allem als stimmungsvolle Requisite vor – und als Inspiration für die Monstren, denen die Teenager zum Opfer fallen. Man wird das Gefühl nicht los, dass hier Potenzial verschenkt wurde, wenn man an „symbolische Horrorfilme“ wie „The Ninth Gate“ („Die neun Pforten“) denkt. Das Tarot wird einfach nur genutzt, um Jump Scares und Todesszenen zu rechtfertigen.
  • Die esoterische Moral des Films könnte lauten: Benutze nie das Deck eines anderen, um die Karten zu legen! Diese Regel wird von der Protagonistin gebrochen, als sie zum Deck aus dem Keller greift — und der Horror des Films ist die direkte Folge dieser Regelübertretung. In der realweltlichen Praxis des Tarot scheint diese Regel aber keineswegs unwidersprochen.
  • Die Todesarten sind relativ willkürlich. So lockt die Laterne (Der Eremit) einen Charakter in einen U-Bahn-Schacht, um ihn dann vor eine einfahrende Bahn zu scheuchen. Und Die Hohepriesterin erschlägt einen anderen Charakter schlicht mit der Dachbodenleiter (s.o.). Der Magier ist einfach ein Bühnenmagier, der einen weiteren Charakter zersägt. Das ist alles sehr oberflächlich und wenig „esoterisch durchdacht“, wenn auch teils sehr unterhaltsam.
  • Die Tarot-Expertin, die den Jugendlichen hilft, stirbt durch eine Karte der kleinen Arkana: Sie wird von sechs Schwertern durchbohrt. Warum man hier eine sehr positive Karte wie die Sechs der Schwerter, die eher für Reise und Veränderung steht, wählte, entzieht sich meinem Verständnis. Die Neun der Schwerter wäre passender gewesen.
  • Sinngemäß gilt das genauso für die Todesursache „Zwei der Münzen“ des ungarischen Grafen, die als Handschellen in der Badewanne intrepretiert wurde.

Das Positive

Man sollte den Film aber dennoch gucken. Warum?

  • Die Atmosphäre ist gut. Sie changiert zwischen „Final Destination“-Vibes, „Evil Dead“-Beschwörungs-Reue und altmodeischem Massachusetts-Haunted-House-Horror. Das Ganze würde auch als Rollenspielkampagne (etwa für „Call of Cthulhu“) sehr gut funktionieren.
  • Einige der Charaktere sind sympathisch und unterhaltsam, zum Beispiel der vapende True-Crime-Fan-Nebencharakter, der regelmäßig und messerscharf die Situation analysiert, aber nur überlebt, weil ihn sein Mitbewohner im Aufzug überrascht — kurz bevor ihn „Der Narr“ dort fressen kann.
  • Es gibt einige großartige Zeilen: „Er ist ein Erdzeichen, und man hat ihn im Dreck gefunden!“, als Beweisführung, dass Astrologie funktioniert. Und: „Sie ist innerhalb der astrologischen Community aber sehr umstritten“ als Charakterisierung der hilfreichen Tarot-Expertin aus dem Internet.
  • Die finale Lehre — das Schicksal ist nicht festgelegt, man kann es ändern — ist sympathisch, gerade bei einem Film über esoterisch-okkulte Weissagungspraktiken.
  • Aber am wichtigsten: „Tarot“ nimmt sich nicht ganz ernst, im Gegensatz etwa zu Filmen wie „Hereditary“, die dann ihrem Anspruch doch nicht gerecht werden können.

Fazit: Sehenswert.

PS: Der Film beruht übrigens auf dem Roman Horrorscope von Nicholas Adams (Pseudonym von John Peel). Darin scheint Tarot aber keine Rolle zu spielen:

A 1992 young adult horror novel about a serial killer targeting high school students. He chooses his targets based on their zodiac sign and that day’s horoscope

 

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Tarot & Art: An Interview with Ginevra Petrozzi https://dennisschmolk.de/2024/11/25/tarot-art-an-interview-with-ginevra-petrozzi/ https://dennisschmolk.de/2024/11/25/tarot-art-an-interview-with-ginevra-petrozzi/#comments Mon, 25 Nov 2024 16:23:35 +0000 https://dennisschmolk.de/?p=6636 Anmerkung: Die deutschsprachige Übersetzung findet sich auf tarot-guide.de. Dieser Artikel dient der Dokumentation des Original-Interviews. In October, I saw an arte Twist episode on contemporary witches and their relationship to art and design. This inspired me to ask one of the portrayed artists, Ginevra Petrozzi, some questions on her tarot practices and the symbolic use of mysticism and witchcraft in her work. On her website, Ginevra writes: Digital esoterism explores ... Mehr

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Anmerkung: Die deutschsprachige Übersetzung findet sich auf tarot-guide.de. Dieser Artikel dient der Dokumentation des Original-Interviews.

In October, I saw an arte Twist episode on contemporary witches and their relationship to art and design. This inspired me to ask one of the portrayed artists, Ginevra Petrozzi, some questions on her tarot practices and the symbolic use of mysticism and witchcraft in her work.

On her website, Ginevra writes:

Digital esoterism explores how divination tools might be refashioned in order to reclaim a sense of agency against Big Data, which, in the era of Surveillance Capitalism, has become a quasi-magical entity predicting and programming the future. Reaching into the origin of magic as an anti-capitalist tool could change the way we perceive modern systems of control such as Big Data, and Surveillance Capitalism, which often, without our consent and knowledge, guide our choices and actions. […] Ginevra Petrozzi performs readings placing Tarots in a digital perspective and reading digital realities using the smartphone, like one would read a Tarot card. Ads based on your Google search history, suggested Instagram posts linked to online interests: what do these modern signs, this automated flow of content algorithms fill our phones with daily, say about us and our future?

There’s also a video on Youtube:

When and how do you use Tarot in your work as an artist?

I start my experience as a Tarot reader, and a passionate lover of divination techniques. I attempt to translate my knowledge of symbols and pattern recognition that I gathered from reading cards, to finally interpret algorithmic content. The conversation is always a negotiation of meaning between the querent and I. I bring my sensibility as a reader, they bring their own experience as the holders of the smartphone. Everything passing through there is something they have planted before in some way.

So one suggested content can indeed presage a positive or negative outcome, but not as a self-standing statement. It is always put in perspective, as much as in Tarots, where each card needs to be mediated in the type of question being asked, or the feeling of the reading throughout.

Why did you choose tarot as a tool? It seems to be more about the practice of cartomancy than the „structure“ of the 78 cards.

Credits: Design Academy Eindhoven, 2021, Photographer: Pierre Castignola
Digital Esoterism. Credits: Design Academy Eindhoven, 2021, Photographer: Pierre Castignola

First came the cards. I have always been fascinated by the magic world, narrated by De Martino, Frazer, Federici. Studying the laws of magical thinking, and divination in particular, I realised how similar the ancient world was to our current situation. I took the role of the witch, or the Tarot reader specifically, to offer myself as a mediator between the process of receiving a future (suggested by automated tools) and interpreting it (changing its purpose).

How does reading smartphones like cards help a „digital sovereignty“ in our late modern times? Is it about making visible what the algorithm, designs, interfaces usually hide – like making visible symbols that are normally hidden in artwork?

In an undefined past, the future presented itself as fate, a pre-written path. Divination, as the art of foretelling the future through various techniques, was perfectly plausible. It allowed to peek behind a curtain of something already decided. This would grant a sense of agency and control to people, petrified by the inescapability of chaos and determined nature of their destiny. With modernism, and enlightenment, the future slowly became something to be built, action by action, reinforced by the promises of neoliberalism.

With my practice I challenge the open nature of the future. I argue that the future still feels like fate, only regulated by different “magical” agents. In the case of our current system, it is Big Tech corporations, algorithms and predictive networks that try to regulate our future and fixate it. Reading and interpreting these signs become a way to resist their sovereignty over our future.

What other projects about „digital esoterism“ are you working on right now?

I am working on a system of locked doors to enclose digital screens, and depicting apotropaic decorations usually found on architectural components.

What other artists you like have worked with tarot?

Adelita Husni Bei („The Reading“, ed.) and Valentina Desideri („Poethical Reading“, ed.) are my all time favorites, and an absolute source of inspiration since the start of my studies.


Ginevra Petrozzi (Website, Instagram) is an interdisciplinary designer and artist currently living and working in The Netherlands. She completed her MA in Social Design from Design Academy Eindhoven in 2021, for which she received a Cum Laude, Best Thesis Award, and won the Gijs Bakker Award 2021. Currently, she is exploring the possibilities of mysticism and the occult within the landscape of contemporary techno-politics. In this framework, she took the role of a “digital witch”, reclaiming the archetypal role of the sorceress as a healer, and as a political rebel.

 

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Ein paar Gedanken zu Magie, Okkultismus und Co. https://dennisschmolk.de/2024/11/10/ein-paar-gedanken-zu-magie-okkultismus-und-co/ https://dennisschmolk.de/2024/11/10/ein-paar-gedanken-zu-magie-okkultismus-und-co/#respond Sun, 10 Nov 2024 08:52:49 +0000 https://dennisschmolk.de/?p=6615 Es sei ein (weiterer) kurzer Hinweis auf meine „Arbeit“ drüben bei Tarot-Guide.de erlaubt – auch, um die hiesige Stille ein Stück weit zu erklären. Ich werkle dort an einem soziologischen (und damit aufklärend-abklärenden) Hobbyprojekt zum Thema Tarot, Esoterik und Co. Ursprünglich hatte mich ja vor allem der Zusammenhang von Subversion bzw. „Gegenkulturen“ und Esoterik interessiert. Dazu entstanden im Studium u.a. auch die beiden Theosophie-Arbeiten. Meine These bleibt, dass sich esoterische Systeme ... Mehr

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Es sei ein (weiterer) kurzer Hinweis auf meine „Arbeit“ drüben bei Tarot-Guide.de erlaubt – auch, um die hiesige Stille ein Stück weit zu erklären. Ich werkle dort an einem soziologischen (und damit aufklärend-abklärenden) Hobbyprojekt zum Thema Tarot, Esoterik und Co. Ursprünglich hatte mich ja vor allem der Zusammenhang von Subversion bzw. „Gegenkulturen“ und Esoterik interessiert. Dazu entstanden im Studium u.a. auch die beiden Theosophie-Arbeiten.

Meine These bleibt, dass sich esoterische Systeme tendenziell sowohl für konservative als auch für progressive Zwecke einsetzen lassen, und dass es schwer ist, im Vorfeld abzusehen, wofür sie ge- oder missbraucht werden. Gerade in mystischen Strömungen, die einen individuellen (und nicht durch Tradition, Autoritäten, Organisationen vermittelten) Zugang zu Heil, Gnade, Erleuchtung oder was auch immer versprechen, sehe ich aber durchaus eher machtkritische als -legitimierende Faktoren.

Anyways: Womit befasse ich mich auf tarot-guide.de? Mit den ersten Ansätzen zu einer Analyse von Praktiken des Esoterischen, könnte man sagen. Und zwar sehr spezifisch am Beispiel des Tarot. Warum Tarot? Weil ich das a) schon immer spannend fand, es b) hübsch ist und c) hier m.E. die Bereiche/Felder/Systeme Magie, Religion, Mythos und Kunst einzigartig zusammenkommen. Was meine ich mit Magie? Ich zitiere mich kurz selbst aus der Einleitung zu einer Bibliographie:

Ich suche seit langem nach Ansatzpunkten einer „Soziologie der Magie“, worunter ich alles zusammenfasse, was weder ganz in den Bereich der Religion noch der Wissenschaft fällt, aber Strukturmerkmale dieser Felder (oder Systeme) besitzt. Und wenn ich sage: nicht in den Bereich der Religion oder Wissenschaft fallen, dann meine ich vor allem, dass diese Felder nichts mit der Magie zu tun haben wollen: Wissenschaft behauptet selten, „magisch“ zu sein, und Religion auch nicht.

Wohl aber beanspruchen Vertreterinnen der Magie regelmäßig, „wissenschaftlich“ vorzugehen und sich auf religiöse Wahrheiten zu stützen. Damit haben wir auch einen ersten Hinweis, worum es geht: um Wahrheit(en) und damit um legitimes Wissen. (Dies soll nicht leugnen, dass sich andere Felder, Politik und Kunst etwa, die Magie zu Nutze machen können, oder dass sie auch immer rückgekoppelt ist an Wirtschaft.)

Das alles muss man dann freilich wieder abgrenzen von anderen „Wissensgebäuden“, die zwar irrational (oder sub-/hyper-/para-rational), aber nicht mit magischer Semantik aufgeladen sind — also etwa dem Bereich conspiracy theories. Verschwörungstheorien können, müssen aber nichts mit Magie/Esoterik/Okkultismus zu tun haben.

Mal sehen, wo dieses Projekt hinführt. Auf jeden Fall gibt es drüben schon eine kleine Deck-Datenbank sowie „Kartenbedeutungen“, die unabhängig von einzelnen Decks bzw. „deck-übergreifend“ „funktionieren“. Dafür habe ich mich natürlich von ChatGPT unterstützen lassen — es ist schon sehr spannend, was LLMs über Esoterik „denken“.


Beitragsbild: Dall-E zu „sociological scholarship around esoteric belief systems“, extra für Fabi.

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