Dennis Schmolk https://dennisschmolk.de/ Kontakt: dennis@dennisschmolk.de Sat, 05 Oct 2024 13:49:44 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.6.2 https://dennisschmolk.de/wp-content/uploads/2023/08/cropped-oKajK5kXZmHLTZso5N5C-1-2mlpj-32x32.png Dennis Schmolk https://dennisschmolk.de/ 32 32 Achim Szepanski verstorben https://dennisschmolk.de/2024/09/25/achim-szepanski-verstorben/ https://dennisschmolk.de/2024/09/25/achim-szepanski-verstorben/#respond Wed, 25 Sep 2024 15:23:15 +0000 https://dennisschmolk.de/?p=6549 Nur eine kurze Meldung, auf die ich bei disquiet stieß: „Achim Szepanski died this week at age 67“. Szepanski war Label-Betreiber vor allem im Bereich Glitch und experimentelle Elektronika (Beispiel-Playlist auf Spotify). Außerdem war er poststrukturalistischer Denker, Marxist und enorm komplizierter Theoretiker. Marc Weidenbaum (disquiet) verlinkt ein Interview; als R.I.P. daher einige kurze Links und Gedanken: „Black Label. Electronic-music connoisseurs depend on small independent record companies for the hard  stuff“, ... Mehr

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Nur eine kurze Meldung, auf die ich bei disquiet stieß: „Achim Szepanski died this week at age 67“. Szepanski war Label-Betreiber vor allem im Bereich Glitch und experimentelle Elektronika (Beispiel-Playlist auf Spotify). Außerdem war er poststrukturalistischer Denker, Marxist und enorm komplizierter Theoretiker.

Marc Weidenbaum (disquiet) verlinkt ein Interview; als R.I.P. daher einige kurze Links und Gedanken:

Plus:


Featured Image: Dall-E via ChatGPT, Prompt: „A dystopian sci-fi scene symbolizing ‚Poststructuralism‘ and ‚Glitch-Music.‘ The image features abstract, fragmented cityscapes with shattered digital elements, distorted buildings, and glitchy, broken textures. Neon lights flicker inconsistently, casting erratic shadows. In place of any text or writing, there is now a rhizomatic network of glowing, interconnected nodes and roots, symbolizing decentralization and interconnection. The environment is filled with disrupted, distorted shapes and patterns. There are no people, just floating symbols, broken screens, and fragmented structures, symbolizing the breakdown of meaning and structure, with layers of glitchy, cybernetic aesthetics. The overall atmosphere is dark and chaotic, illuminated by unpredictable flashes of light and distorted digital noise.“

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100 https://dennisschmolk.de/2024/09/18/100/ https://dennisschmolk.de/2024/09/18/100/#comments Wed, 18 Sep 2024 15:27:47 +0000 https://dennisschmolk.de/?p=6482 So langsam muss man es einsehen: Das Thema Sabbatical ist lange schon zu Ende, das Studium nun auch. Man hat vielleicht bemerkt: Das Bloggen kommt unter die Räder; es mangelt an Zeit bzw. Muße, Eindrücken, Inspirationen, Anlässen und der Routine. Ist aber vielleicht auch gut so. Jedenfalls: Ich habe gefühlt wieder Feierabend, Wochenenden etc. Das hat mir tatsächlich gefehlt. (Vielleicht bin ich, entgegen der Meinung einiger naher Menschen, doch nicht ... Mehr

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So langsam muss man es einsehen: Das Thema Sabbatical ist lange schon zu Ende, das Studium nun auch. Man hat vielleicht bemerkt: Das Bloggen kommt unter die Räder; es mangelt an Zeit bzw. Muße, Eindrücken, Inspirationen, Anlässen und der Routine. Ist aber vielleicht auch gut so. Jedenfalls: Ich habe gefühlt wieder Feierabend, Wochenenden etc. Das hat mir tatsächlich gefehlt. (Vielleicht bin ich, entgegen der Meinung einiger naher Menschen, doch nicht der geborene Selbstständige Schrägstrich Unternehmer …)

Jedenfalls: Das Zeugnis ist da.

Und damit wird es Zeit für ein paar letzte Jena-Eindrücke:

Grafitti und ein neuer Rosa-Band, der mich aber nicht überzeugte (bei Thalia durchgeblättert).

Futter für Material und Ideal

Finale Speisen: Mensa und Fritz Mitte, es geht also kartoffellastig, aber nicht im Kartoffelhaus zu Ende.

Immerhin gelang es mir, die Thoska auf 4 Euro zu drücken. Diesen Rest schenke ich dem Studierendenwerk.

Die Thulb wollte freilich auch nochmal besucht werden.

Wahlkampf und Co.

Außerdem war Wahlkampf in Thüringen, als ich zuletzt dort war. Im gesamten Zentrum sah ich wenig Wagenknecht und keine (!) AfD.


Was es aber zuhauf gab: viele Plakate an einer Stange. Rekord vorm botanischen Garten waren 6 Wahlplakate untereinander. Quantität können sie da oben also; über die Qualität lässt sich streiten. „Anstand und Haltung“ bzw. „Nähe und Vertrauen“? Oder gar „ausgebildeter Polizist“:

Ich meine … entweder, das ist ein Polizist. Dann sollte er aus meiner Warte idealerweise eine Ausbildung als solcher genossen haben. Oder er hat keine Ausbildung, dann finde ich, dass er nicht als Polizist arbeiten dürfen sollte. Aber vielleicht ist meine Welt zu einfach. Auch beim Thema Zugänge: zu Bildung und Arbeit lasse ich mir ja noch eingehen. Aber was ist „Zugang zu Teilhabe“? Das macht ja andersrum mehr Sinn: „Teilhabe an Zugängen“, da kann man sich vorstellen, wie jemand vor einer Tür steht und Zoll erhebt, weil er Teilhaber der Tür ist.

Dem „BSW“ muss man dann leider zugute halten, dass es immerhin eine markige Position aufs Plakat bekommt. „Rechnen statt Gendern“ mag doof sein, aber verständlich.

N.B.: Die unverschämte Schönheit hätte ich mir gerne angeguckt, und wäre dafür auch pünktlich in der Stadt gewesen; aber entgegen dem oben gezeigten Plakat startete die Ausstellung keineswegs am 17. August, sondern kommt laut Störer erst Mitte September. Schade.

Vom UHG und seinem Innenhof, der mir sommers wie winters ein angenehmer Ort für Dampf & Kaffee war, musste ich mich natürlich auch verabschieden.

PS: #100

Nun haben wir also den Abschluss erreicht. Thanks for staying with me. In 12 Tagen werde ich exmatrikuliert und bin (mindestens zeitweise) wieder Philister.

Laut meiner Zählung im Archiv ist das hier der Beitrag Nummer 100 zum Thema Sabbatical. Damit langts dann aber auch mal. Kategorie zu.


Beitragsbild: Was man alles am Ende bekommt.

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Lose Urlaubsgedanken 2024 https://dennisschmolk.de/2024/08/29/lose-urlaubsgedanken-2024/ https://dennisschmolk.de/2024/08/29/lose-urlaubsgedanken-2024/#comments Thu, 29 Aug 2024 08:14:25 +0000 https://dennisschmolk.de/?p=6503 Ich war einige Tage wandern, von Bayerisch-Schwaben nach Südmittelfranken. Hier ein paar lose Gedanken, damit sie nicht verloren gehen. Heimatzeitung und Volksesoterik Sagt jemandem die „Altbayerische Heimatpost“ etwas? Mir bislang auch nicht. Aber wenn man Urlaub hat, kann man so etwas ja mal kaufen. In der Ausgabe der entsprechenden Woche gab es sogar einen nett zu lesenden Artikel über das erste Nürnberger Theater — auf der Insel Schütt und gegründet ... Mehr

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Ich war einige Tage wandern, von Bayerisch-Schwaben nach Südmittelfranken. Hier ein paar lose Gedanken, damit sie nicht verloren gehen.

Heimatzeitung und Volksesoterik

Sagt jemandem die „Altbayerische Heimatpost“ etwas? Mir bislang auch nicht. Aber wenn man Urlaub hat, kann man so etwas ja mal kaufen. In der Ausgabe der entsprechenden Woche gab es sogar einen nett zu lesenden Artikel über das erste Nürnberger Theater — auf der Insel Schütt und gegründet in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges, was für entsprechenden Aufruhr sorgte. Anderes im Heft war sentimentale Heimatduselei, etwa ein Romanauszug aus dem Rosenheimer Verlagshaus. Brrr.

Was mir aber bei meiner Spurensuche nach Volksspiritualität half: Anstelle eines Horoskops gab es hier eine Seite über die Mondphasen der anstehenden Woche. (Die wurden aber wiederum in Korrespondenz mit Planeten und Sternbildern gesetzt, also ging es doch irgendwie auch um Astrologie.) Jedenfalls: Mit dem Mond lässt sich, auch im entsprechenden Eso-Regal der kleinstädtischen Buchhandlungen, etwas anfangen.

Gänzlich tot scheint alles rund um Tarot. Rupprecht und kleinere Buchhandlungen führen eher „Orakelkarten“ oder „Schutzengel-Kärtchen“.

Apropos Rupprecht, hier fand ich dann doch noch etwas zum Tarot:

Warum genau diese Auswahl auf Kniehöhe hängt, müsste man die entsprechenden Buchhändler(innen) fragen.

Abgesehen davon findet sich in den ländlichen Regionen vor allem Marienverehrung (allerdings nur bis zur mittelfränkischen Grenze). Beeindruckend: In Maria Brünnlein (bei Wemding) hört man im gesamten Kirchenschiff das Plätschern besagten Brünnleins, das sich hinter einer Marienstatue verbirgt.

Passend dazu kann man vor Ort Wasserfläschchen zum Abfüllen erwerben, und natürlich diverse Devotionalien. Ansonsten ist es hier (und das habe ich auch anderswo gesehen) Brauch, der Kirche Dankbilder zu stiften, wenn die Muttergottes Nothilfe geleistet und jemanden geheilt hat.

Ich bin mir noch nicht ganz sicher, wie christlich ich das finde. Diese Brunnen- und damit Wasser-Verehrung hatte für mich einen eher heidnischen Touch; der Heiligen-Polytheismus ja sowieso. Und nun zu Profanerem.

Sonstige Lektüren

Außerdem kam ich mal wieder dazu, eine komplette ZEIT zu lesen. Mannmannmann ist das jedes Mal viel Content. Aber dadurch trägt die ZEIT zur Urlaubsstimmung bei: Wann sonst hat man Zeit dafür …?

Auf der Heimreise erstand ich in Weißenburg noch ein Bändchen über Medienethik, KI und Gefühle; vielleicht steckt da ja noch eine Erweiterung (m)eines Dissertationsthemas drin.

Pappenheim und Schwurbeleien

Ein Abenspaziergang durch Pappenheim brachte Verwunderliches zu Tage. Nahe der Tourist-Info findet sich ein Cafe mit relativ eindeutigen Sinnsprüchen, mit Kreide auf die Scheiben geschrieben:

Man kann das Wortspiel „Ent-nancy-fizierung“ würdigen und Magazinverbote doof finden, aber im Zusammenspiel mit dem Rest scheint hier weniger eine Politikkritik als ein (unreflektiertes?) Bekenntnis zu einer Querdenker-Subkultur zu bestehen. Anderes ist dann ganz doof:

Ich meine, wer bekämpft denn Menschen, um Platz für Autos zu schaffen …? Das sind eher nicht die Grünen. (Naja, Winfried Kretschmann, okay.) Die NATO-EZB-Liste ist ein alter Hut. Aber das Tetris-Bild lässt sich ja auch andersrum lesen. Hier steht:

Tetris hat uns gelehrt, daß [sic] wir verschwinden, wenn wir versuchen, irgendwo reinzupassen.

Wird nicht eher ein Schuh draus, wenn man sagt: „Tetris hat uns gelehrt, dass ziemlich schnell Game Over ist, wenn nichts irgendwo reinpasst“?

Barock und der Fuß aus dem Stuck

In der Kirche in Otting fand sich dieses Decken-Stuck-Relief mit Gemälde:

Korrekt. Da schauen Füße raus. Das kam mir nicht ganz unbekannt, wenn auch bemerkenswert vor. Die Wikipedia weiß denn auch:

Ein typisches Kennzeichen des Barock ist die Tendenz zum Gesamtkunstwerk. Was in dieser Epoche gebaut oder künstlerisch geschaffen wurde, sollte einen gemeinsamen Zug haben und harmonische Ensembles bilden. Das ist besonders gut in noch bestehenden barocken Kirchen zu erkennen, in denen Architektur, Plastik und Malerei nicht nur miteinander harmonieren, sondern sogar ineinander übergehen – so kann ein Putto, eine Wolke oder ein Vorhang am Rand eines Gemäldes in Form von Stuck plötzlich plastische Gestalt annehmen. Oder es streben Säulen einem Deckengemälde zu und verwandeln sich dort zu Scheinarchitektur.

Ob man den Fuß aus dem Deckenbild nun als „harmonisches Gesamtkunstwerk“ oder unfreiwillige Komik erlebt, sei dahingestellt.

Fun fact: Ich finde, dieses Gotteslamm guckt hämisch, verschlagen und selbstzufrieden. Okay, den Tod zu besiegen und die Menschheit von der Erbsünde zu erlösen ist ne coole Nummer, aber sollte das Agnus Dei nicht trotzdem ein bisschen bescheiden und freundlich bleiben …?

Versorgungslage

Leider war es auf den meisten Dörfern nicht möglich, irgend etwas zu erstehen. Eine positive Ausnahme: In Langenaltheim fand sich nicht nur ein Bäcker (der leider eine lange Mittagspause macht), sondern sogar ein kleiner Getränkemarkt. Man muss an der Haustür klingeln, aber dann bekommt man sogar gekühltes alkoholfreies Bier in Einzelflaschen. So muss das!

Deutschlandticket

So langsam muss ich mich darum kümmern, dass ich ab Oktober wieder ein VAG-DT (also eine Plastikkarte) habe. Zum Glück ist dann der Quatsch mit der Mein-Jena-App vorbei. Auf der Rückfahrt etwa wollte der Ticket-QR-Code einfach nicht laden. Ich hätte es ja auf ein Knöllchen und den nachfolgenden Streit angelegt, aber die Zugbegleiterin war offenbar an technische Schwächen gewöhnt und ließ mich einfach so weiter mitfahren.

Kärwabaum-Nachtrag

Neulich gab’s ja was zu Kärwabäumen und deren Aufstellung. Einfacher macht man es sich in andern Dörfern mit beeindruckenden Bäumen wie dem hier:

Denn da gibt es offenbar am Baumständer ein Scharnier, sodass man ihn statt mit Muskelkraft auch gefahrlos mit Maschinen aufstellen kann:

Ein Hersteller dazu (und in bezug auf Maibäume):

Das Aufstellen kann mit Schwalben, Kran oder Traktor erfolgen. Dabei kann sich der Maibaum nur entlang von einer Achse bewegen – ein Kippen zur Seite ist nicht möglich. Bei 90° verhindert ein Anschlag das Überkippen nach vorne und der Maibaumständer wird durch Bolzen gesichert. Der Maibaum steht dann kerzengerade im Ständer.

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Fremdbeobachtung des Kärwabaums https://dennisschmolk.de/2024/08/12/fremdbeobachtung-des-kaerwabaums/ https://dennisschmolk.de/2024/08/12/fremdbeobachtung-des-kaerwabaums/#comments Mon, 12 Aug 2024 09:14:00 +0000 https://dennisschmolk.de/?p=6454 Auf einer Nürnberger Stadtteilkirchweih („Kärwa“) beobachtete ich die Tage zum ersten Mal, wie ein „Kärwabaum“ aufgestellt wurde. Das war ein recht langwieriger Vorgang: Zwischen dem Ankarren des Baums auf den Festplatz und dem Siegesschnaps verging mehr als eine Stunde — und das bei diversen bereits erledigten Vorarbeiten. Eine schöne Verfremdungsfrage ist ja immer: Wie erklärt man’s einem Außerirdischen? Das ist eine Randfrage der Exosoziologie (die sich primär damit befasst, wie ... Mehr

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Auf einer Nürnberger Stadtteilkirchweih („Kärwa“) beobachtete ich die Tage zum ersten Mal, wie ein „Kärwabaum“ aufgestellt wurde. Das war ein recht langwieriger Vorgang: Zwischen dem Ankarren des Baums auf den Festplatz und dem Siegesschnaps verging mehr als eine Stunde — und das bei diversen bereits erledigten Vorarbeiten.

Eine schöne Verfremdungsfrage ist ja immer: Wie erklärt man’s einem Außerirdischen? Das ist eine Randfrage der Exosoziologie (die sich primär damit befasst, wie „Gesellschaft“ bei Außerirdischen verfasst ist bzw. sein könnte, je nach Überzeugungen). Also wagen wir mal ein Verfremdungsexperiment: Was hat es mit dem gemeinschaftlichen Aufstellen und Dekorieren eines anderswo gefällten Baums auf sich?

N.B.: Ein bisschen fühlte ich mich freilich als urbanes Südstadtkind ohne nennenswerte rurale Wurzeln wie ein solcher Außerirdischer. Gleichzeitig ist mir die Idee aber vertraut genug, dass ich mir zutrauen würde, es UFO-Reisenden zu erklären.

Was passiert?

Zunächst zum äußerlich Beobachteten. Das ist schon relativ abstrahiert und weit weg von einer Beobachtung jeder Bewegung:

  • Ein großer Baum wird mit einer Prozession auf den Festplatz gebracht. Dabei führten einheitlich uniformierte Jungs und Männer, begleitet von einer Kapelle und diversen anderen Beteiligten (Kärwamadla, Kärwakinder in überdachten Wagen).
  • Sodann übernimmt ein Mann (!) die Koordination und weist die anderen ca. 30 Männer (!) in 6-10 Kleingruppen ein, wie sie den Baumstamm zu bewegen, Stützgestelle anzulegen, Druck aufzubauen oder nachzugeben haben.
  • In kleinen Schritten nähert sich der Baum dann einer senkrechten Stellung, wird immer wieder aufs Neue abgestützt, jeder Gebietsgewinn abgesichert.
  • Schließlich rutscht der Baum in seine Halterung und kann fixiert werden.
  • Dann wird Bier und Schnaps getrunken.

Das „Aufstellen“ ist ja nur der letzte und stark ritualisierte Schritt, daher fassen wir den Vorlauf mal anhand des Beobachteten zusammen:

  1. Es muss festgelegt werden, wo der Baum wie zu stehen hat. Das ergibt sich vermutlich aus „Tradition“.
  2. Es muss eine Grube ausgehoben oder eine andere Befestigungsmöglichkeit für den Baum am Festplatz präpariert werden. Echte Sappeursarbeit.
  3. Es muss ein Baum ausgewählt, ggf. präpariert und dann gefällt werden, vielleicht muss er auch noch eine Weile lagern und trocknen.
  4. Es muss der Transport organisiert werden, wofür es theoretisch diverser Menschen, praktisch aber auch einiger landwirtschaftlicher Maschinen bedarf.
  5. Es müssen genügend Menschen rekrutiert werden, die zur richtigen Zeit im richtigen Zustand (0,3–0,8 Promille?) am richtigen Ort bereitstehen.
  6. Es braucht Stützen („Schwalben und Stempel“, wie die Wikipedia weiß), Dekoration und weiteres Werkzeug.
  7. Vermutung: Die Koordinationsfähigkeit der Gruppe muss auf Dauer gestellt werden (darauf deuten auch die Uniformen und die Wimpel der „Kärwaboum und -madla“-Vereine).

Wie deuten wir das?

Ich denke, die naheliegende Deutung ist die richtige: Es handelt sich hierbei um ein „traditionelles Gruppen-Ritual“, das dann vielleicht so etwas wie emotionale Energie (Randall Collins) oder kollektive Efferveszenz (Durkheim) freisetzt. Aber warum ist das für Außenstehende faszinierend, selbst wenn die sich nicht durch diese Energie „anstecken“ lassen? (Denn ich fand das Ganze, wie vielleicht auch unser Außerirdisches, faszinierend und beeindruckend, aber nicht mitreißend.) Vielleicht ist das auch die Kehrseite der Frage, wieso es den Leuten, die daran beteiligt sind, „Spaß“ macht.

Bedeutsam und nutzlos …

Zunächst suggeriert die gesamte Szene Bedeutsamkeit. Viele Menschen arbeiten mit, noch mehr Menschen gucken zu; es sind offenbar nur sehr bestimmte Personen (Männer mit bestimmter Uniform) zugelassen, mitzuarbeiten; es gibt einen festlichen Rahmen, Straßensperrungen für die Prozession, Wachpersonen, Speisen und Getränke. Ganz offenbar ist nichts daran zufällig: Das Ereignis ist inszeniert und orchestriert.

Diese Bedeutsamkeit wird konterkariert durch eine gewisse Unsinnigkeit oder Sinnlosigkeit aus einer Nutzenperspektive: Platt gesagt haut man irgendwo einen Baum um, um ihn dann woanders wieder unter großen Mühen aufzustellen.

… oder sogar riskant

Das ganze Schauspiel ist zudem relativ gefährlich, auch nach dem „Stellen“: 2015 etwa wurde eine Moosbacherin vom Kärwabaum erschlagen, und dieses Jahr gab es Verletzte durch einen Maibaum. Und weil wir das wissen, ist es nicht mehr nur gefährlich, sondern sogar riskant: Wir könnten die Gefahr jederzeit durch eine Entscheidung abstellen. Oder anders: Den Baum aufzustellen ist ein Risiko, weil sich die Gruppe jedes Jahr entscheiden muss, das Ritual wieder durchzuführen. Damit geht eine gewisse Verantwortung einher, die aber durch das Argument der Tradition moderiert wird („es gab schon immer einen Kärwabaum, ein Unfall ist kein Grund, mit der Tradition zu brechen“). Die Gefahr dient aber auch dazu, einen Ausbruch aus dem (heutzutage für gewöhnlich recht „sicheren“) Alltag zu bieten.

Da liegt mir die Deutung nahe: Man macht das, weil man’s kann; ob man das dann soziobiologisch als „Brautwerbung durch Potenzbeweis“ weiterdeuten muss, weiß ich gar nicht. Ich würde einfach sagen: Das ist „Kultur“. Und man macht das, weil man es „immer schon so gemacht“ hat: Das Ganze hat und ist Tradition. Am Beobachtungsort vielleicht erst seit wenigen Jahrzehnten, insgesamt aber seit Jahrhunderten. Und damit wurzelt es auch in etwas, was ehemals sehr nützlich war: Holzwirtschaft, vielleicht als essenzielle Lebensgrundlage der betreffenden Gemeinde.

Symbolcharakter: Arbeit und Koordination!

Das heißt, dieses Ritual dient selber als Symbol. Es verweist explizit auf etwas anderes und macht es dadurch boebachtbar. In diesem Fall vermute ich: Die Anstrengung verweist auf die Koordinationsleistung von Menschengruppen. Diese ist durch (u.a.) Arbeitsteilung und funktionale Differenzierung im Alltag nicht mehr sichtbar. Es sind zwar zehntausende Menschen global daran beteiligt, dass ich im Supermarkt ein Päckchen Reis kaufen kann, aber davon sehe ich nichts, denn das wird einfach über das Kommunikationsmedium Geld vermittelt. Rituale wie ein Baumstellen machen die dahinterliegende „Leistung Gesellschaft“ pars pro toto sichtbar. Und der gestellte Baum bleibt im öffentlichen Raum sichtbar. Dieser Bereich umfasst dann auch den Charakter des Rituals als Initiationsritus, wenn junge Burschen (!) zum ersten mal teilnehmen (und vielleicht den ersten Vollrausch erleben, wobei ich mir da heute nicht mehr so sicher wäre).

Außerdem sei angemerkt, dass hier auf den Lebensbereich Arbeit verwiesen wird, aber ohne die heute allgegenwärtige Aufwand-Nutzen-Rechnung: Denn wie schon festgestellt, ist das Unterfangen selbst vollkommen nutzlos. Und auch präkapitalistisch gab es keinen unmittelbaren Nutzen für die Gemeinschaft — außer eben das Einüben von Koordination und die „Gruppenbildung“.

Anachronismus

Ein gut Teil meiner Faszination liegt schließlich auch im mehrfachen Anachronismus. Schon genannt wurde, dass die wenigsten Beteiligten heute noch als Teil ihrer Lebensgrundlage mit Holz zu tun haben dürften. Aber auch andere unzeitgemäße Bezüge werden herausgestellt, die das Ereignis „verfremden“ — allem voran die Geschlechterrollen: Denn offenbar stellen nur Jungs den Baum auf.

Einerseits kann man das auf das Argument der größeren körperlichen Kraft beim männlichen biologischen Geschlecht zurückführen. Aber ist es wirklich realistisch, dass sich keine zwei Frauen finden, die stärker sind als zwei der beteiligten Jungs und Männer? Oder liegt es an der Uniformierung: In Kleid und Schürze wuchtet sich so ein Baum halt schlechter als in Lederhose, Hemd und Tüchlein? Jedenfalls befremdet (mich) auch diese Rollenaufteilung.

Kurzer Exkurs: Aus einem investigativen Interview weiß ich nun, dass hier durchaus divergierende weibliche Perspektiven bestehen. In manchen Landstrichen gibt es das „Maistecken“: Jungs koordinieren sich, um ihren (freilich weiblichen) Angebeteten einen Ast oder Baum aufs Dach (meist des Elternhauses) zu stellen. Als ich hörte, dass sich dagegen ein gewisser weiblicher Widerstand formte, weil man den Jungs „den ganzen Spaß“ nicht überlassen wollte, war ich etwas verwirrt: Für mich war die Idee, einen Baum aus dem Wald auf ein Dach zu schleifen, erstmal kein „Spaß“, sondern „harte Arbeit“, um die ich mich lieber drücken wollen würde.

Was fehlt, ums den Außerirdischen zu erklären?

Würde man das Treiben einem außerirdischen Besuchenden zu erklären versuchen, müsste man diverse weitere Konzepte erklären. Angefangen bei „Geschlecht“ und „Uniform“ (bzw. „Dirndl“) bis hin zu „Festplatz“, „Forstwirtschaft“, „Natur“, „Kirchweih“, „Kirche“, der Kirchweihbaum als Rechtssymbol, „Tradition“, „Gefahr“ und ggf. sogar „Maschine“, „Bier“, „Schnaps“ und „Erfolgserlebnis“. Und schließlich müsste man auch erklären, was Langeweile und Zeitstrukturierung bedeuten. Also dass Menschen häufig Dinge tun, einfach, um etwas zu tun zu haben. (Und da ist kollektives Kärwabaumstellen vielleicht eine gute und verträgliche Alternative zu anderen Optionen junger Männer.)

Auf Instagram kommentierte jemand mein schlechtes Maibaumfoto:

Pseudoreligiöse Rituale gibt es sicher in allen Zivilisationen[.] [U]nd Wesen[,] die durchs All reisen können[,] sollten sowas kennen

Da würde ich mit einem ersten exosoziologischen Ansatz widersprechen. Es ist durchaus denkbar, dass eine „Zivilisation“ und „Gesellschaft“ existiert, die z.B. nur telepathisch oder über Fernkommunikationsmedien in Kontakt steht. Interagiert wird nur zum reinen Austausch notwendiger „Güter“. Trotzdem können wir von „Gesellschaft“ sprechen, etwa, weil es um einen Aggregatsbegriff von Kommunikationen geht.

Die Frage könnte also immer sein: Welcher Funktion dient ein beobachtetes Verhalten? (In unserem Fall vielleicht: „Gemeinschaftsbindung“.) Und dann kann man überlegen, ob man sich ein Kollektiv aus Wesen denken kann, das kein Problem kennt, für das dieses Verhalten eine Lösung darstellt; die also diese Funktion nicht braucht.

Spätestens jetzt könnte man über das vorliegende Thema aber vermutlich schon promovieren.

Nachtrag Ende August: Man kann das mit Scharnier am Ständer auch einfacher haben.


Beitragsbild: Ein Kirchweihbaum wird aufgestellt.
Weitere Bilder: DALL-E. Leider verstand das Modell nicht, was ein Kärwabaum ist, und ignorierte diverse weitere Anweisungen. Ich wollte aber auch nicht zu lange mit der Exo-Intelligenz reden.

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Ein Omikuji https://dennisschmolk.de/2024/07/30/ein-omikuji/ https://dennisschmolk.de/2024/07/30/ein-omikuji/#comments Tue, 30 Jul 2024 08:59:31 +0000 https://dennisschmolk.de/?p=6444 Momentan gibt es eine direkte Drähtin nach Japan, die mir ein Omikuji gezogen hat. (Danke!) Was das ist? Die Wikipedia weiß: Omikuji are random fortunes written on strips of paper at Shinto shrines and Buddhist temples in Japan. […] When the prediction is bad, it is a custom to fold up the strip of paper and attach it to a pine tree or a wall of metal wires alongside other ... Mehr

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Momentan gibt es eine direkte Drähtin nach Japan, die mir ein Omikuji gezogen hat. (Danke!) Was das ist? Die Wikipedia weiß:

Omikuji are random fortunes written on strips of paper at Shinto shrines and Buddhist temples in Japan. […] When the prediction is bad, it is a custom to fold up the strip of paper and attach it to a pine tree or a wall of metal wires alongside other bad fortunes in the temple or shrine grounds. A purported reason for this custom is a pun on the word for pine tree (松, _matsu_) and the verb ‚to wait‘ (待つ, _matsu_), the idea being that the bad luck will wait by the tree rather than attach itself to the bearer.

Und das Beste: Wenn man den Spruch aus der Entfernung bezieht, weiß man nicht mal, welche schlechten Schicksale an einen Zaun gebunden wurden! So blieb mir nur das „Best Fortune“:

Everything will be realized as if you look the flowers from a palace facing the south. Treasures in vehicles will come to your house.* You will become virtuous with learning and will be invited to the palace as well as your desire will be realized. While you are riding on horse back, in high spirits, everybody will praise you.

Bei travel.rakuten.com findet sich noch eine spannende Zusatz-Info:

Although omikuji used to be made on-site, now only a few companies make them. The largest is actually a women’s rights group founded in the Meiji Era over a century ago, who started making fortunes to raise money. Nowadays, the Joshidosha (Women’s Road Company) operating out of Nissho Yamada Shrine in Yamaguchi Prefecture manufactures 70% of all omikuji in Japan.

Leider finde ich diese „Women’s Rights“-connection nirgendwo anders dokumentiert, aber ich stelle auch fest, dass meine Such-Skills außerhalb der Reichweite des lateinischen Alphabets offenbar nicht besonders ausgeprägt sind …

Ein so positives „Los“ wie meines ist laut Yumio Katsumata übrigens gar nicht so beliebt:

吉(Kichi/Kitsu/Yoshi) refers to “good, positive” while 凶(kyou) states “bad, something’s wrong.” 大(Dai=big, large), 中(Chuu=medium, middle), 小(Shou=small, a little) is attached in front like 小吉(shoukichi=a little happy) or 大凶(daikyo=worse).

Nowadays, many omikuji intentionally opt out 凶 so the drawers won’t complain about their results to shrines/temples. 末吉(Suekichi=moderate luck) is now popular.

Na gut. Ich aber will mich nicht beschweren.


* Vermutlich meinte das eine Amazon-Bestellung.
Beitragsbild (c) Sabrina Kurtz

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Gefühle, reloaded: Auf zur MA-Verteidigung! https://dennisschmolk.de/2024/07/19/gefuehle-reloaded-auf-zur-ma-verteidigung/ https://dennisschmolk.de/2024/07/19/gefuehle-reloaded-auf-zur-ma-verteidigung/#comments Fri, 19 Jul 2024 13:40:05 +0000 https://dennisschmolk.de/?p=6404 Im momentanen (relativ vollen) Alltag komme ich zu bedeutend weniger Lektüren und Nachdenkphasen; aber zum Glück ist die Nabelschnur zum Unileben ja noch nicht ganz zerschnitten: Es steht noch die Verteidigung an. Falls ihr übrigens den Eindruck habt, dass sich das Studien-Ende endlos hinzieht: Willkommen im Club! So geht es mir auch. Seit einem halben Jahr „nähere ich mich dem Abschluss mit großen Schritten“, wodurch die Schritte dann nachträglich relativ ... Mehr

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Im momentanen (relativ vollen) Alltag komme ich zu bedeutend weniger Lektüren und Nachdenkphasen; aber zum Glück ist die Nabelschnur zum Unileben ja noch nicht ganz zerschnitten: Es steht noch die Verteidigung an. Falls ihr übrigens den Eindruck habt, dass sich das Studien-Ende endlos hinzieht: Willkommen im Club! So geht es mir auch. Seit einem halben Jahr „nähere ich mich dem Abschluss mit großen Schritten“, wodurch die Schritte dann nachträglich relativ klein wirken.

Prüfungsvorbereitung: Die Verteidigung meiner Gesellschaftstheorie-Masterarbeit

Anlässlich der baldigen Verteidigung habe ich mir am Wochenende meine gesamte Masterarbeit nochmals zu Gemüte geführt. Verrückt, wie lange das Schreiben schon zurück liegt: ein halbes Jahr.

Ein bisschen rügen muss ich mich für Sätze wie den folgenden:

Zu erwarten ist nach unserem Begriff, dass vor allem Strukturänderungen, die die gesellschaftliche Reduktion von Sinnüberschüssen überfordern, zum Wechsel auf die Gefühlsebene als Symbiosis zwingen.

Was habe ich damit gemeint …? Die Reduktionsfähigkeit? Vermutlich meinte ich: Eine Gesellschaft muss Komplexität reduzieren. In ihrer Entwicklung sieht sie sich aber vor allem mit neuen Sinnüberschüssen konfrontiert — das ist analog zur Verbreiterung der genetischen Basis (Mutation, Variation) in der natürlichen Evolution. Wenn sich nun Strukturen der Gesellschaft ändern (Urbanisierung, Individualisierung, Zuwanderung, Krisen der Sozialsysteme, …), dann kommen die Mechanismen der Komplexitätsreduktion (z.B. Erfolgsmedien) nicht hinterher. Und in genau solchen Situationen fällt die Kommunikation auf Gefühle zurück. Oder so.

Für die eigentliche Prüfung habe ich mit dann zurechtgelegt, wie ich in 10 Minuten

  • meine Forschungsfrage: Welche Funktionsweise haben und welche Funktion erfüllen Gefühle in Kommunikation?
  • meinen Argumentationsgang
  • meine Ergebnisse

präsentieren kann. Und ich habe mir die Rückfragen der beiden Prüfer aus ihren Gutachten angeguckt und ein paar Ansätze zur Beantwortung überlegt.

Handy kaputt

Ich hatte ja auch kürzlich Geburtstag, und da ich Sabbatical-bedingt 2024 nicht soooo viele Urlausbtage habe, ging ich brav ins Büro. Das stellte sich als Fehler heraus, denn kurz vor Feierabend fegte ich mein Handy vom Schreibtisch und es fiel unglücklich aufs Gesicht. Vielleicht war eine Arbeit auf der AdbK-Jahresausstellung am Wochenende prophetisch …

Also schnell Ersatz bestellt und mein altes Handy aus der Schublade gekramt. (Den „Migrationsprozess“ hatte ich hier dokumentiert.) Das neue hat also ca. 16 Monate durchgehalten … ein Negativrekord. Zum Glück läuft auf dem alten noch fast alles mit wenigen Swipes und Klicks: DHL-App, Deutschlandticket (danke, dass das nicht einfach in die Thoska integriert ist, Jenaer Nahverkehr!), Banking. Man ist schon erschreckend abhängig von dem Gerät.

Nun fragt sich, ob ich irgendwie an meine Signal-Daten komme, ohne das Display reparieren zu lassen: Offenbar bräuchte man dafür ja Zugriff auf Signal auf dem alten Gerät. Meh. Das löste viele negative Emotionen aus, auch wenn ich so endlich zu einem Android-14-Smartphone komme. Die Wahl fiel übrigens auf ein HMD Pulse Pro.

Kürzt man das Adelsprädikat „von“ nun eigentlich ab oder nicht?

Noch zu Zeiten als Lektoratsbeschäftigter in einem kleinen E-Book-Verlag durfte ich einmal die Bekanntschaft eines Adeligen machen. Davon blieb mir, neben der blaublütigen Herablassung des Herrn, vor allem eins im Gedächtnis: der Hinweis, man möge das „von“ im Nachnamen doch unbedingt als „v.“ abkürzen. Seine Begründung habe ich leider vergessen, aber es war ihm sehr wichtig.

Nun kam die Frage wieder auf und ich habe mal ein bisschen gegooglet. Adelsprädikate sind inzwischen schon über 100 Jahre lang „nur“ noch Bestandteil des Namens, siehe Wikipedia. Offenbar wollen das manche Freifrauen, Fürsten und Verschwörys aber nicht akzeptieren:

Noch heute gilt das abgekürzte „von“ als Hinweis unter Eingeweihten. Wer „v.“ schreibt, glaubt an das Nachleben eines deutschen Adels – oder arbeitet bloß gern mit Abkürzungen. (LTO)

Ich vermute ja, dass es da um Ersteres ging. Dieser LTO-Artikel ist insgesamt zwar etwas dünn, aber lesenswert. Ich neige dazu, das „von“ in der Zukunft immer auszuschreiben, um keinen Verdacht aufkommen zu lassen, ich wünschte mir eine Ständegesellschaft zurück …


Beitragsbild: „Such is life“, wie meine Oma immer zu sagen pflegte. 

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Kurzrezension: I love Dick (Chris Kraus) https://dennisschmolk.de/2024/07/17/kurzrezension-i-love-dick-chris-kraus/ https://dennisschmolk.de/2024/07/17/kurzrezension-i-love-dick-chris-kraus/#respond Wed, 17 Jul 2024 16:12:16 +0000 https://dennisschmolk.de/?p=6418 Zunächst mal vorweg: Dieses Buch ist nicht ganz einfach zu lesen, oder besser: Es liest sich gut, aber ich fand manches schwer zu „verstehen“ (in einem inhaltlichen, „hermeneutischen“ Sinn). Das liegt weniger an den diversen essayistischen Exkursen in die Postmoderne (Baudrillard! Deleuze!), die kann man ganz gut überfliegen bzw. ignorieren (von den Schizophrenie-Analysen abgesehen, die sind m.E. wichtig). Eher schon liegt es an der geringen Dichte äußerer Handlung: Das meiste ... Mehr

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Zunächst mal vorweg: Dieses Buch ist nicht ganz einfach zu lesen, oder besser: Es liest sich gut, aber ich fand manches schwer zu „verstehen“ (in einem inhaltlichen, „hermeneutischen“ Sinn). Das liegt weniger an den diversen essayistischen Exkursen in die Postmoderne (Baudrillard! Deleuze!), die kann man ganz gut überfliegen bzw. ignorieren (von den Schizophrenie-Analysen abgesehen, die sind m.E. wichtig).

Eher schon liegt es an der geringen Dichte äußerer Handlung: Das meiste passiert im Innern der Protagonistin, dem Alter Ego der Autorin Chris Kraus, weshalb diese den Briefroman auch als „lonely girl phenomenology“ einordnet. Und es wird zusehends schwerer, diesem Innenleben zu folgen, denn es stellt sich immer klarer dar, wie einseitig ihre Obsession für Dick ist — mehr verspricht aber ja der Titel auch gar nicht. Puh.

Plot

Prinzipiell geht es um eine irgendwie unfreiwillige und auch weitgehend fiktive Dreierbeziehung zwischen Literatin und Videokünstlerin Chris, ihrem Star-Intellektuellen und Ehemann Sylvere und einem nachnamenlosen Professor Dick. Dieser „Dick“ scheint nicht nur teilweise ein „Dick“ zu sein, und auch nicht nur dem Titel-Wortspiel zuliebe Dick zu heißen, sondern ist offenbar an Dick Hebdige angelehnt. Ebenso sind Chris Kraus und Sylvère Lotringer reale Personen, sodass man sich fragen kann, wie viel „Roman“, „Roman-tisierung“ und „Fiktion“ da drin steckt. Aber das muss man auch nicht fragen; ist ja schließlich ein postmoderner Roman bzw. ‘performance art within the medium of writing’.

Fiktiv bleibt die Dreierbeziehung, weil sich Chris in Dick verliebt, das ihrem Ehemann Sylvere erzählt und die beiden dann hunderte Seiten Fax und Brief an Dick schreiben. Bevor es aber (Spoiler!) zu einer sexuellen Begegnung von Chris und Dick kommt, trennt sie sich von Sylvere; insofern kein Dreieck. Das „Eheprojekt“ Nebenbuhlerbriefe ist auch nicht ganz klar als „aufrichtig“ (s.u.) zu bewerten. Aus einem Kinky-SM-Kontext stammend, könnte das auch einfach eine Form emotionalen Masochismus Sylveres darstellen.

Weitere äußere Handlung: Chris fährt durch die Gegend, kümmert sich um Immobilien (im Gegensatz zu ihrer Kunst einträglich); Sylvere hält Vorlesungen und Vorträge; Dick schreibt Bücher. Und das war’s eigentlich; der Rest sind Reflexionen, im ersten Teil briefförmig von Chris und Sylvere, im zweiten Teil nur noch von Chris.

Widersprüche und Schizophrenien

Ich denke, das Buch muss man in verschiedenen Lebensphasen mal wieder zur Hand nehmen; es dürfte einem immer etwas anderes sagen. Oder mit Emily Gould im Guardian: „you can use this book to explain yourself to yourself, and become a wiser, or maybe just more complicated, person.“ Dazu passt ein Zitat aus dem Buch (S. 198): Demnach bedeutet Aufrichtigkeit nichts anderes, als Komplexität zu verweigern.

Wesentliches Motiv sind denn auch Widersprüche: Nicht nur zwischen den Perspektiven verschiedener Personen — Dick erlebt hier eine völlig andere Erzählung als Chris, Sylvere eine dritte — sondern auch Widersprüche der Personen in sich und der Verhältnisse. Dabei wird, postmodern und literarisch, zwischen entfaltbaren Paradoxien und logischen Widersprüchen nicht wirklich unterschieden; das merkt man besonders in den späten Passagen zu Schizophrenie und Kapitalismus (in Anlehnung an Deleuze und Guattari) und den Überlegungen zu psychischen, psychologischen, psychiatrischen Modellen:

Die Ethik des Kapitalismus ist vollkommen schizophren, das heißt, sie ist widersprüchlich und heuchlerisch: Billig kaufen, teuer verkaufen. Mit allen Mitteln versucht die Psychiatrie, dies geheim zu halten, indem Sie sämtliche Störungen auf das heilige Dreieck mama Papa ich zurückführt. „Das unbewusste muss geschaffen werden“, schrieb Felix in „Le voyage de Mary Barnes“ … Ein brillantes Modell.

Ob das nun bedeuten soll, dass sich die Protagonistin nicht länger hinter den „unbewussten“ „Triebfedern“ ihres „Handelns“ verstecken möchte?

Andere Motive

Andere Motive neben „Schizophrenie“, „Widerspruch“, „Paradoxie“ sind verwandte Begriffe wie Zufall, Kausalität, Zeit. Und natürlich schöpferisches, sich entäußerndes Schaffen: Immerhin schreiben die beiden Protagonisten Briefe, Faxe, Skripte (auch im Sinne von „Drehbüchern“: hätten sie anderes geschrieben, wäre die Handlung vielleicht anders vorangegangen).

Eine Grundfrage scheint immer zu sein: Was ist persönlich, was ist gesellschaftlich? Kann man hier überhaupt irgend eine Grenze ziehen, die der Analyse stand hält? Und welche Rolle spielt die (gesetzte) Grenze der Geschlechter hierbei? So wird u.a. analysiert (216, 229), dass Suizide von Frauen deren ganzes Leben rückwirkend überschatten (Beispiel Janis Joplin), während bei Männern der Suizid die Folge eines „übergelaufenen“ Lebens ist. Und das wird, auf eine schwierige Weise, mit Emotionen zusammengebracht: Die furchtbaren, erschreckenden Emotionen des Weiblichen müssen entsprechend „personalisiert“ (und dann pathologisiert) werden. Emotion, Verletzlichkeit als Philosophie. Wer mit derartigen postmodernen Performances und Dekonstruktionen nicht viel anfangen kann, hat vermutlich wenig Spaß am Buch. (Ich weiß nicht, wie viel Spaß ich hatte — „mitreißend schön“, wie es auf der Rückseite der btb-Ausgabe heißt, fand ich es jedenfalls nicht.)

Kunst und Popkultur

Lange Passagen des zweiten Teils handeln vor allen Dingen von der Beschreibung von Kunstwerken. Diese sind (zumindest mir) nicht vertraut. Kein Wunder: Ähnlich wie die Popkultur-Referenzen liegt die Zeit dieser Arbeiten offensichtlich schon eine ganze Weile zurück. Das Buch spielt immerhin vor ziemlich genau 30 Jahren. Und auch, wenn ich diese Zeit schon erlebt habe, scheint sie mir doch unendlich weit weg.

Fazit

Man sollte unbedingt mal reinlesen, aber es ist keine unterhaltsame Abendlektüre. Viele Fragen sind weiterhin (oder zeitlos?) relevant. Das Milieu ist allerdings schon sehr speziell. Immerhin fand ich die Lektüre aber anregend genug, danach diese Zeilen zu schreiben und in einige Interviews mit der Autorin hineinzulesen, die ich hier verlinke.

Links, Lobeshymnen und Rezensionen

  • Interview über „I love Dick“ in artnet: „Because when you fall in love with someone the greatest rush is that you can be so many more sides of yourself with them than with anyone else in the world. That person makes it possible to most fully be yourself.“
  • Emily Gould im „Guardian“: “ I feel like I’m paraphrasing I Love Dick in some way or another in most of what I write. When I first found the book, it seemed to me like the missing piece that made sense of everything else I’d ever read, plus everything I’d ever tried to write.“
  • „Der späte Hype um ‚I love Dick'“: „Das Buch ist ein autobiografisches Spiel um Selbstentblößung.“ (DF)
  • Interview im Guardian: „[C]ircumstances are never purely personal, they are … circumstantial. A novel is meant to show how large questions play out in individual lives.“
  • Interview in „The Believer“: „I just went to the desert and I rented a cabin for a semester, and every day that I wasn’t teaching, I was at the cabin. And I was like, Right, I’m going to do five pages a day, here’s the pile of letters, there’s the pile of finished pages, and I got right to it.“
  • Langes Feature im New Yorker

P.S.: Serie

Offenbar gibt es dazu auch eine Amazon Serie. Die müsste man sich mal angucken, um zu überprüfen, ob insbesondere die Popkulturbezüge aktualisiert bzw. weggelassen wurden. Außerdem ist natürlich eine spannende Frage, inwiefern Schizophrenie, LSD- Trips, Grasgenuss visuell dargestellt werden.

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Kurzrezept: Linsen-Dal https://dennisschmolk.de/2024/07/01/kurzrezept-linsen-dal/ https://dennisschmolk.de/2024/07/01/kurzrezept-linsen-dal/#respond Mon, 01 Jul 2024 17:11:53 +0000 https://dennisschmolk.de/?p=6391 Schnelles, einfaches Rezept. Wieder im Thermomix — geht aber mit etwas mehr Aufwand auch ohne. Dieser Beitrag dient v.a. meiner eigenen Mengen-Orientierung beim Wiederkochen (wie alles in der Kategorie Rezept). Zutaten (ca. 4 Portionen je nach Beilagen) 300 g rote Linsen 2–3 Zwiebeln (ca. 180–200 g) Knoblauch nach Belieben (2 große Zehen für mittelstarkes Aroma) Ingwer (2-3 TL eingelegt, alternativ 3-4 cm frisch) 2 EL Sojasauce 2 EL Garam Masala ... Mehr

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Schnelles, einfaches Rezept. Wieder im Thermomix — geht aber mit etwas mehr Aufwand auch ohne. Dieser Beitrag dient v.a. meiner eigenen Mengen-Orientierung beim Wiederkochen (wie alles in der Kategorie Rezept).

Zutaten (ca. 4 Portionen je nach Beilagen)

  • 300 g rote Linsen
  • 2–3 Zwiebeln (ca. 180–200 g)
  • Knoblauch nach Belieben (2 große Zehen für mittelstarkes Aroma)
  • Ingwer (2-3 TL eingelegt, alternativ 3-4 cm frisch)
  • 2 EL Sojasauce
  • 2 EL Garam Masala
  • 2 EL eingelegten Koriander
  • 1 TL rauchiges Paprikapulver
  • 300 ml Brühe
  • 1 Dose Tomaten (gehackt, 200 g)
  • 1 Dose Kokosmilch (200 g)
  • Ahornrisup und Zitronensaft zum Abschmecken
  • Optional: Mango- oder Minz-Chutney, Schmand
  • Optional: frische Kräuter zum Bestreuen

Kochen!

Linsen waschen und etwas trocknen lassen. Zwiebeln und Knoblauch schälen, 5 Sekunden Stufe 5 häckseln, 3 Minuten Varoma Stufe „Rühren“ dünsten, dann nochmal 3 Minuten die Linsen mitdünsten. Nach 2 Minuten Garam Masala, Koriander, Ingwer, Paprikapulver zugeben. Mit der Gemüsebrühe ablöschen. (Bei anderen, salzempfindlicheren Linsen: erst nur mit Wasser!)

10 Minuten 100 Grad Stufe 1 linksdrehend köcheln. Tomaten, Kokosmilch, Sojasauce sowie je 1 TL Ahornsirup und Zitronensaft zugeben und weitere 10 Minuten auf gleicher Stufe köcheln lassen. Mit Sojasauce, Ahornsirup und Zitronensaft abschmecken. Fertig.

Servieren!

Dazu passt Naan sowie ein Dip aus Schmand und einem Chutney. Ich habe sowohl mit Minz- als auch mit Mango-Chutney gute Erfahrungen gemacht. Dazu einfach 100 g Schmand o.ä. mit zwei TL des Chutneys verrühren, ggf. etwas Flüssigkeit dazu und dann an den Tellerrand klecksen; beim Essen immer ein wenig unterrühren (mit Löffel oder einem Fetzen Naan). Hier würde ich das Naan eher luftig ausbacken, aber natürlich kann man es auch knuspriger haben.

Im Sommer kann man das auch wunderbar kalt genießen oder als Canapé auf gerösteten Ciabatta-Scheiben servieren. (Dann sollte man sich aber noch die Mühe mit ein paar frischen Kräutern on top machen.)

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Gutachten zur Masterarbeit, Kulturarchive und Vermischtes https://dennisschmolk.de/2024/06/23/gutachten-zur-masterarbeit-kulturarchive-und-vermischtes/ https://dennisschmolk.de/2024/06/23/gutachten-zur-masterarbeit-kulturarchive-und-vermischtes/#comments Sun, 23 Jun 2024 06:00:34 +0000 https://dennisschmolk.de/?p=6345 Was man zumindest ziemlich sicher sagen kann: Menschen finden Berichterstattung über Klimawandel wichtig, wollen selbst aber Berichte über den Klimawandel eher nicht konsumieren. (Sibylle Anderl, Montagsblock 278) Bevor wir zu Positivem kommen, erst noch was zu Negativnachrichten: Die Bereitschaft, Klimainformationen in den Sozialen Medien zu teilen, wurde beispielsweise am stärksten durch schockierende Negativnachrichten gefördert. Die schlechten Nachrichten verringerten aber gleichzeitig die Motivation, konkret etwas gegen den Klimawandel zu tun (hier: ... Mehr

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Was man zumindest ziemlich sicher sagen kann: Menschen finden Berichterstattung über Klimawandel wichtig, wollen selbst aber Berichte über den Klimawandel eher nicht konsumieren. (Sibylle Anderl, Montagsblock 278)

Bevor wir zu Positivem kommen, erst noch was zu Negativnachrichten:

Die Bereitschaft, Klimainformationen in den Sozialen Medien zu teilen, wurde beispielsweise am stärksten durch schockierende Negativnachrichten gefördert. Die schlechten Nachrichten verringerten aber gleichzeitig die Motivation, konkret etwas gegen den Klimawandel zu tun (hier: Bäume zu pflanzen) oder sich politisch für den Klimaschutz einzusetzen. (ebd.)

Kommunikation ist und bleibt also prekär in Bezug auf ihre Ergebnisse.

Gutachten zur Masterarbeit!

Und nun zum Wesentlichen: Ich habe (ohne ungeduldig klingen zu wollen: endlich!) von meinen Gutachtern gehört. Die Beurteilung fiel sehr günstig aus und hat mich sehr gefreut. Nun habe ich auch einen wahrscheinlichen Termin für die abschließende Verteidigung: Mo, 22.7., voraussichtlich per Zoom — leider schaffe ich es wegen allfälliger Geburtstagsfeierlichkeiten an diesem WE nicht bequem nach Jena. Meine Vorbereitung bezüglich der mündlichen Prüfung werde ich hier natürlich ausführlich dokumentieren.

Symposium: »Ohne Erinnerung keine Zukunft. Strategien des Bewahrens in Kulturarchiven«

Von Do, 20. bis Sa, 22.6. fand im Neuen Museum (bzw. beim Institut für moderne Kunst) ein spannendes Symposium zum Thema Kulturarchive statt. Mit nach meiner Zählung 17 Vorträgen war das viel zu viel Material, um es an dieser Stelle darzustellen (das ist ja kein Archiv hier!), aber ein paar Beobachtungen und Bemerkungen:

  • Das Symposium ist einer von drei Bestandteilen eines Großprojekts. Die anderen beiden sind
    • die NMN-Ausstellung „Memory Movers“ von Matthias Böhler und Christian Orendt (die auch beim Symposium anwesend waren und geduldig Fragen zur Ausstellung beantworteten). Wer in Nürnberg weilt, sollte sich die Ausstellung unbedingt mal angucken!
    • die Publikation „Wissensspeicher der Kultur“, eine „spartenübergreifende Bestandsaufnahme, Darstellung und Würdigung der Kulturarchive im deutschsprachigen Raum“. Leider gibt es das nicht als PDF.
  • Ich habe ja weder einen fertigen Kultur- noch einen Archivbegriff, das macht das Nachdenken über Kulturarchive gleichzeitig leichter und schwerer. Vielleicht archivieren Archive Bewahrenswertes, und was bewahrenswert ist, gibt „Kultur“ vor? Bei arthistoricum gibt es aber immerhin eine Liste der Kunst- und Kulturarchive, sodass man sich die Breite bewusst machen kann.
  • Ähnlich verwirrend wie die Archiv-Landschaft sind die Verbandsstrukturen im Hintergrund, aber das kenne ich schon vom Bibliothekswesen.
  • Nur wenige teilnehmende Menschen waren ausgebildete Archivare oder Bibliothekarinnen; die meisten Leute hatten einen Hintergrund in Disziplinen wie Kunstgeschichte, Germanistik und sogar Buchwissenschaft (!).
  • Es scheint diverse Herangehensweisen ans Bewahren und Erinnern zu geben, aber nur wenige ans Vergessen. Bräuchte es das nicht eigentlich auch? Oder passiert Vergessen „automatisch“ qua Selektion des zu Bewahrenden?
  • Die Vorträge changierten zwischen Selbstdarstellung von Archiven und Sachthemen (meist projektbezogen). Mir schien es ein paar Schwerpunkte zu geben:
    • Was kann KI alles für Archive leisten? Etwa: Aufbesserung von Filmaufnahmen, Aufbereitung großer Datenmengen, Darstellung von Videoschnipseln (z.B. in interaktiven Zeitzeugen-Interviews).
    • Inklusionspolitik, von der Sichtbarmachung von Frauen (die in Archiven nur sehr, sehr selten auftauchen) über die koloniale Entstehung von Beständen bis hin zur Frage, ob und wie Tonaufnahmen von Kriegsgefangenen für die Forschung ethisch einwandfrei verwendet werden können.
    • Erfassung in Datenbanken: Da scheint es eine Fülle an verschiedenen Standards und Softwares zu geben. Und ganz wichtig: Erfassung in digitalen DBs ist noch lange keine Digitalisierung der Archivalien!
    • (Urheber-) Recht: Offenbar gibt es viele rechtliche Fallstricke, besonders in Bezug aufs Urheberrecht. Das scheint die Archivarbeit und vor allem die Bereirstellung von Digitalisaten erheblich einzuschränken.
  • Leider fand der Vortrag des Liebesbriefarchivs nur remote statt, sodass ich mich mit der Referentin nicht über meine Briefe unterhalten konnte — siehe unten.
  • Das eduroam-WLAN war sehr stabil und schnell. Merke: Ich muss irgendwie zusehen, in diesen akademischen Sphären zu bleiben, damit ich in Museen und Kultureinrichtungen auch künftigt ein freies, solides WLAN zur Verfügung habe …
  • Interessant fand ich, dass Projekte wie archive.org überhaupt nicht vorkamen. Die meisten institutionellen Archive arbeiten eben weiterhin eher mit physischen Beständen, kuratierter Sammel-Arbeit und aktiver Erschließung.
  • Insgesamt: Sehr unterhaltsam, abwechslungsreich und spannend.

Vielleicht gibt es demnächst mehr zu diesen Themen im dpr Bibliotheken. In der Ausgabe von 2020 hatten wir übrigens ein Porträt des Instituts für moderne Kunst sowie einen Artikel über deren Digitalisierungsprojekt.

Die Briefe zum Dritten

Wie schon öfter erwähnt, liegt bei mir ja noch ein umfangreicher Briefwechsel herum: Mehrere Korrespondenzen meiner Großeltern. Der wichtigste Teil dieses „Bestands“ ist sicherlich der große Briefwechsel 1953/54 zwischen Madrid und Berlin, über den ich eine Hausarbeit schrieb. Aber daneben gibt es noch einige andere, kürzere Korrespondenzen, die ebenfalls historischen Wert haben. So weilte meine Großmutter im August 1961 für einige Wochen in (West-) Berlin, um die Familie zu besuchen, und wurde zur etwas ungläubigen Augenzeugin des Mauerbaus — den mein Großvater von Fürth aus in den Medien beobachtete, ohne ihm größere Bedeutung beizumessen.

Wie kommt der Brief ins Archiv?

Ich frage mich nun seit Längerem: Wie gelangt ein solcher Bestand am besten in ein Archiv? Mein Traum-Szenario: Die Briefe wandern in genau ein Archiv, werden dort digitalisiert, transkribiert und stehen dann für die Forschung zur Verfügung. Unentschieden bin ich, ob ich die physischen Originale gerne zurück hätte oder lieber in einem Archiv wüsste. Für das Archiv spräche, dass man sich dann bei Umzügen, Umweltschäden etc. selber keine konservatorischen Sorgen machen müsste. (Das ist, da ich ja gar nicht der Erbe des Briefwechsels bin, aber gar nicht meine Entscheidung.)

Welche Archive kommen in Frage?

Das Symposium brachte mich nun wieder auf das Thema und zur Folgefrage: Welche Archive für Briefe gibt es, die für einen Briefwechsel „normaler Leute“ in Frage kommen? Das Bundesarchiv etwa sammelt nur  „Nachlässe und Sammlungen von Personen mit überregionaler Wirkung oder Betätigung“. Ich vermute, Berlin/Madrid reicht dafür nicht aus. Ich hatte meine Emotionsgeschichts-Professorin mal gefragt und sie empfahl, sich an die Forschungsbibliothek Gotha und deren Auswandererbriefe-Abteilung zu wenden. Da fand man die Briefe aber nicht ganz passend (ich auch nicht, diese Auswanderung war ja nicht erfolgreich). Die Forschungsbibliothek Gotha hatte meine Mail aber ans Liebesbriefarchiv weitergeleitet; leider hatte ich von dort seit Februar nichts gehört und hake nun noch einmal nach.

Andere Archive, die passen könnten:

  • Deutsches Tagebucharchiv: „Unveröffentlichte Tagebücher, Lebenserinnerungen und Briefe von nicht prominenten Personen werden hier gesammelt, archiviert, fachgerecht aufbewahrt und sowohl der Wissenschaft als auch der Allgemeinheit zugänglich gemacht.“ Leider heißt es zu Briefen einschränkend: „Briefe (nur in Ausnahmefällen und nach vorheriger Rücksprache)“. Hm.
  • Die Museumsstiftung Post und Telekommunikation hat eine Digitale Briefsammlung. Der Schwerpunkt liegt aber offenbar auf Feldpost. (Kontaktdaten)

Und damit endet meine Weisheit. Ich habe nach wie vor das Gefühl, dass diese Korrespondenzen ziemlich interessant sein dürften für Ehevorstellungen, Liebesideale, Geschlechterrollen und deutsches Leben der 50er-70er Jahre generell; aber sie ins Wissenschaftssystem einzuspeisen, scheint relativ schwierig.

OnlyOffice statt LibreOffice?

Seit ich wieder einen Drucker habe, meldet mir LibreOffice beim Öffnen eines beliebigen Dokuments stets:

Es wird auf die Druckerverbindung gewartet. Warten Sie auf die Druckverbindung oder brechen sie die Verbindung ab

Nun ist der neue Drucker nahezu immer aus; ich habe ja extra ein Brother-Laser-Modell gekauft, damit ich es alle 6 Monate nutzen und ansonsten vergessen kann. Diese Meldung muss ich daher jedes Mal aktiv „abbrechen“, damit ich arbeiten kann. Das nervt. Und noch vieles andere an LibreOffice nervt; das Interface ist irgendwie 2012, „Einfügen ohne Formatierung“ klappt nie seamless und bei großen Dokumenten dauert alles Ewigkeiten.

Daher habe ich mich entschieden, nun mal OnlyOffice auszuprobieren und werde berichten, wie sich das im Alltag schlägt. Ich war zuletzt auch von MS Office angetan. Aber die Study-Version, die ich benutze, läuft sicherlich demnächst irgendwann aus und ich habe definitiv keine Lust, Microsoft Geld für Office zu bezahlen — dazu nervt mich daran schon im Job-Alltag zu vieles. Erste Erkenntnis an OnlyOffice: Man arbeitet besser mit xlsx-Dateien als mit ods. In meinem ods-Spreadsheet wurden die Zellenformatierungen und Datenformate einfach nicht gespeichert. Mal sehen, was da noch kommt …

„US ran secret anti-vax campaign to undermine China’s COVID efforts“

Ich lese ja nicht viele Nachrichten, aber wenn, dann klicke ich mich durch Tagesschau, The Guardian und danach Al Jazeera. Im Laufe der Zeit kann man alle diese Media-Outlets einschätzen und sich schon denken, was sie (nicht) und wie sie was berichten.

Besonders spannend sind die Meldungen, die sich auf „seriösere“ Quellen berufen können, aber nur in einem der Outlets auftauchen. Al Jazeera spart systematische sexuelle Gewalt der Hamas aus; The Guardian und Tagesschau berichten erst nach 50.000 Toten über Tigray. Etc.pp.

Heute eine kleine, spannende Reuters-Meldung über Information Warfare der USA. Nur, falls jemand denkt, der „freie Westen“ sei moralisch überlegen oder auf der Seite der Wahrheit™. Die Meldung fand ich (jedenfalls zunächst) nur bei Al Jazeera. Das bestärkt mich in meiner Strategie, bunt in der Gegend rumzulesen – und dann keinem zu glauben.

At the height of the COVID-19 pandemic, the United States military launched a secret campaign to counter what it perceived as China’s growing influence in the Philippines, a nation hit especially hard by the deadly virus, an investigation by the Reuters news agency has found.


Beitragsbild: Vermutlich ein Schlammspringer (Periophthalmus modestus), aufgenommen im Nürnberger Tiergarten.

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Abschlusswarterei, Agota Kristóf und Musikindustrielles https://dennisschmolk.de/2024/06/05/abschlusswarterei-agota-kristof-und-musikindustrielles/ https://dennisschmolk.de/2024/06/05/abschlusswarterei-agota-kristof-und-musikindustrielles/#comments Wed, 05 Jun 2024 14:31:31 +0000 https://dennisschmolk.de/?p=6298 Wir müssen uns beständig anhören, was alles getan wird, um die Krisen zu bewältigen, und dass die Talsohle längst durchschritten ist, dass es wieder aufwärts geht und dass man alles im Griff hat. Und die phantastische Literatur hält diesen Zweifel wach, dass alle diese Versprechungen wahrscheinlich nicht wahr sind. Und die zunehmenden ökologischen Sorgen, die Tatsache, dass es so etwas wie Bürgerkriege auf der ganzen Welt gibt, der Verbrauch natürlicher ... Mehr

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Wir müssen uns beständig anhören, was alles getan wird, um die Krisen zu bewältigen, und dass die Talsohle längst durchschritten ist, dass es wieder aufwärts geht und dass man alles im Griff hat. Und die phantastische Literatur hält diesen Zweifel wach, dass alle diese Versprechungen wahrscheinlich nicht wahr sind. Und die zunehmenden ökologischen Sorgen, die Tatsache, dass es so etwas wie Bürgerkriege auf der ganzen Welt gibt, der Verbrauch natürlicher Ressourcen usw. usf.: Das alles zeigt, dass es keine gute Zeit für Utopien ist. Mit anderen Worten: Es ist die Stunde der Phantastik.
(Hans Richard Brittnacher im DF-Feature „Das Grauen der fantastischen Literatur“

Nun arbeite ich also seit über zwei Wochen wieder und konnte sogar noch einen Feiertag mitnehmen. Außerdem erfreue ich mich an klaren Feierabenden, Wochenenden und Co. Die Zeit vergeht schnell und ich bin wieder etwas orientierter in der Wochenstruktur.

Aber ein bisschen fehlt mir das Studieren schon, vor allem das zielgerichtete Lesen und Exzerpieren auf einen Text hin. Andererseits würde ich auch gerne mal abschließen; der Löwenanteil der Arbeit an meiner Masterarbeit und den letzten Semesterarbeiten liegt ja nun schon 4 Monate zurück. Aber Uni heißt halt nun mal oft: warten.

Wann ist das Studium (endlich) vorbei?

Leider gibt es bezüglich der Masterarbeit noch nichts Neues. Wenn ich die verstreuten Informationen zum Thema richtig deute, warte ich nun auf eine Mail des Prüfungsamtes mit dem Gutachten (und der Note und den Prüfungsfragen). Dieses Gutachten müsste eigentlich spätestens Ende letzter Woche, also mit dem 31. Mai, dort eingegangen sein.

Aus einer Präsentation zum MA-Verfahren in meinem Studiengang

Die Angabe von „4 Wochen“ scheint sich mir rechnerisch zu ergeben, denn es heißt:

Das Bewertungsverfahren soll spätestens sechs Wochen nach Abgabe der Master-Arbeit abgeschlossen sein. (Prüfungsordnung)

Und:

Die Bearbeitungszeit der Master-Arbeit beträgt 4,5 Monate. Nach Begutachtung der MA-Arbeit erfolgt ihre mündliche Verteidigung. Die Studierenden haben ab Bekanntgabe der Master-Arbeitsnote und der Gutachten der Master-Arbeit mindestens zwei Wochen Zeit, sich auf ihre mündliche Verteidigung vorzubereiten. (Modulkatalog)

Bei einer Gesamtbearbeitungszeit von 6 Monaten ist da also nicht mehr viel Spielraum. Insgesamt könnte die Informationslage etwas besser sein, aber ¯\_(ツ)_/¯. Ich frage Ende der Woche mal beim ASPA nach.

Update: Offenbar hängt der Prozess noch bei einer der begutachtenden Personen. Naja, da will man natürlich nicht drängen, man ist ja doch ein Stück weit abhängig …

Agota Kristóf

Ich hatte ja schon gesagt, dass mich die „Heft“-Trilogie in ihren Bann gezogen hat; das hat sich mit den Bänden 2 und 3 nicht geändert. Ich lese mich nun auch durch den Rest des epischen Werks von Kristóf — schmale Piper-Taschenbücher, die man eher wie Gedichte lesen sollte; Abschnitt für Abschnitt, mit Denkpausen. Was einen erwartet: Eine eng verwobene Welt aus Erinnerungen, Motiven, Träumen und Archetypen; aus realen, fiktiven, fiktionalisierten, „allegorisierten“ Ereignissen, ganz postmodern ohne jede Grenze; Verunsicherung auf Schritt und Tritt.

Wer weiterlesen will:

Mich hat der Bezug zu Sprache sehr an Etel Adnan und Jacques Derrida erinnert, also an das Thema meiner Hausarbeit im Gastlichkeits-Seminar: „Ich habe nur eine Sprache, und die ist nicht die meinige“. Hier ist, anders als bei Derrida und Adnan, das Französische aber nicht die Sprache der Kolonisation, sondern des Ziels einer Flucht. Das macht sein „Anverwandlung“ aber nicht leichter.

Und dann gibt es noch einen etwas merkwürdigen Komplex, der nur selten durchscheint:

  • „Getting Over Our Father: On the childhood trauma of Attila and Ágota Kristóf“ (Lepold Andrea): Dieser Aufsatz (dessen Quellen ich mangels ungarischer Sprachkenntnisse nicht gesichtet habe) beleuchtet Ágotas Kindheit. Diesem Text zufolge kam der Vater nicht etwa wegen politischer oder militärischer Vergehen in Haft, wie Kristófs Romane und Interviews suggerieren — sondern wegen Missbrauchs mehrerer Schülerinnen. Ich weiß nicht, wie viel an der These dran ist, dass die Notizbuch-Trilogie möglichen eigenen Missbrauch Kristófs verarbeitet, aber der Text enthält viele Details zu den beteiligten Biographien. Allerdings verwundert mich, dass ich das allermeiste nirgendwo sonst gelesen habe — das gibt es wohl nur im ungarischen Internet. Wieder eine bemerkenswerte Sprachbarriere. Auch zu ihrem Bruder Attila, Journalist und Schriftsteller, findet sich nur ein ungarischer Wikipedia-Eintrag.
  • „Profane Wallfahrten: Auf den Spuren der Romane von Agota Kristof“. ZEIT-Recherche mit dem treffenden Satz: „Geheimnisvollere Bücher hat der Journalist [Roland Kolberg] nie gelesen.“ Leider hinter Paywall. Auch hierin: „Der Vater sei ins Gefängnis gekommen, weil er seine Schülerinnen sexuell mißbraucht habe. Die Kristof-Kinder hätten sich danach nicht mehr auf die Straße getraut und seien geächtet gewesen. Die Kristof-Mutter sei fortgezogen.“
  • A conversation with Ágota Kristóf“ (Interview mit Riccardo Benedettini). Die Aussage, dass „Gestern“ vollständig autobiographisch ist, müsste man mal neben die Trauma-These legen — der Protagonist ist der uneheliche Sohne eines Lehrers mit einer sehr jungen Prostituierten und damit Halbbruder derjenigen Person, mit der sich Kristóf laut diesem Interview identifiziert. Aber auch hier wird die Haft des Vaters mit Politischem in Verbindung gebracht.

Bei mir bleibt die Frage: Lauschen wir hier auch der Konstruktion einer Biographie? Lauert hinter den lakonisch geschilderten offenen Schrecken noch ein größerer oder kleinerer, privaterer, ungeschilderter Schrecken? Und ist das wichtig oder unnötiges Psychologisieren?

Musikindustrie: Hyperpseudonyme und Creator-Fan-Interaktionen

Ich frage mich seit Langem, wie man „Popkultur“ am besten fasst. Vermutlich irgendwo zwischen der Unterhaltungsseite des massenmedialen Systems und dem Kunstsystem, mit Schwerpunkt auf Ersterem. Der Code wäre dann vermutlich „populär/unpopulär“. Und auch hier scheinen die Veränderungen in der Differenzierungsform unserer Gesellschaft, also wie sich die Systeme zueinander verhalten, ihren Niederschlag zu finden.

Das bleibt dem Popkultur-System selbst nicht verborgen, es ist ja selbstbeobachtend. Und mit dieser Studie haben wir einen Beitrag zur Selbstbeobachtung, sozusagen ein „Programm“, das sehr eng an der Wirtschaftlichkeit von Populärem (hier: Musik) geführt wird — und zwar weniger an Organisationen, als an Einzelpersonen entlang: Die generelle soziale Interaktion von „Creators“ mit ihren „Customers“ spaltet sich ab von der Spezialinteraktion „Streaming“.  Die Diagnose:

social is still largely seen as a driver for streaming

— das aber wird problematisiert, denn Künstlerinnen und Künstler sollten sich auf beide Bereiche separat einstellen. Direktinteraktion (sagen wir: per Social Media) wird quasi zum Selbstzweck. Dieser Fokus ist aber immer noch sehr „Genie“-orientiert: Die Fans wollen mit „ihrem“ Künstler oder „ihrer“ Content-Creatorin interagieren. Vielleicht hat aber im Gegenteil Ted Gioia recht, der hier analysiert, wie es dazu kam, dass ein unbekannter Komponist mit hunderten unbekannten Pseudonymen zum Streaming-Champion wurde.

Mich erinnert das sehr an die Dynamiken des Buch-Selfpublishing. Eine solide Strategie war es, mehrere Reihen durchschnittlicher (nicht: schlechter!) Bücher zu veröffentlichen, die dann jeweils ein bisschen, aber nicht zu viel einfuhren. Die einzelnen Pseudonyme hatten dann ggf. einige Fans, aber nicht zu viele. Die Wahl der Distribution (quasi der Empfehlungsalgorithmen) war dann wichtiger als die „Autorenmarke“. Ich weiß nicht, ob das heute noch so ist.

Streaming platforms have many reasons to prefer unknown musicians like Johan Röhr. In a world of anonymous tracks, superstars and record labels have little negotiating leverage with streamers—whose brand gets stronger as musicians lose visibility.

Dazu passend von der re:publica: „Dirty Little Secrets – Musikindustrie“ über das gleiche Phänomen millionenfach via Playlists gespielter, an sich aber eher anspruchsloser Kompositionen/Produktionen von hyperpseudonymen „Creators“.

„The Music of Erich Zann“ von Half Deaf Clatch

Und noch ein musikalisches Fundstück. Mich interessieren ja immer alle möglichen Lovecraft-Vertonungen. Daher ein aktueller Tipp: eine Blues-Adaption der „Musik of Erich Zann“ (meine Analyse der Musikelemente der Story findet sich hier).

Instrumente: „acoustic guitar, electric cello, pipe organ, percussion and atmospheric soundscapes; any ‚otherworldly‘ effects were created with instruments put through octavers and auto filters.“

Wer sich nun fragt, warum es hier keine Viola da Gamba zu hören gibt, kann erfahren:

In the original story Lovecraft says that Eric Zann plays a ‚viol‘, it is widely accepted that he meant a viol da gamba, a Baroque era instrument which closely resembles the cello, but has five to seven strings, and frets. Since these are rare and very expensive, I obviously decided to use my electric cello for this EP, as buying a viol da gamba seemed an unnecessary extravagance.

(via tentaclii)


Beitragsbild: „tumbleweed symbolizing boredom, moving, rolling down a street, hyperrealistic“ mit Dreamshaper XL Lightning. Ich war überrascht, dass ich es auch durch diverse Prompt-Veränderungen nicht hinbekam, tatsächlich einen sich bewegenden Tumbleweed zu generieren. Er blieb, mit hübschem Schattenwurf, statisch. Passt ja vielleicht auch ganz gut.

Der Beitrag Abschlusswarterei, Agota Kristóf und Musikindustrielles erschien zuerst auf Dennis Schmolk.

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