Prokrastinationen (Semesterferien, zum dritten)

Womit beschäftigt sich einer, der eigentlich Arbeiten schreiben müsste?

Ein Handy-Umzug

Das alte Mobiltelefon hing auf Android 9 herum und schwächelte bzgl. Geschwindigkeit und Akku merklich. Also musste das alles umgezogen werden … und: Auf ein neues Handy umziehen ist nach wie vor einfach Mist.

Einen neuen Rechner einzurichten ist ja schon kompliziert genug: ca. 100 Programme neu installieren (unter Linux wesentlich schöner als unter Windows: einfach apt install [100 programme]), Daten transferieren (z.B. Thunderbird-Profile auf USB-Stick ziehen und überspielen, ggf. das gleiche mit .configs), überall neu einloggen und bei allen Messengern erneut „Geräte verknüpfen“ etc.pp.

Aber ein neues Handy einzurichten ist eine Katastrophe (wenn man nicht irgend einen proprietären Dienst dafür nutzen will, der alle Daten erstmal in 34 Nationen ablädt). Erstmal versuchen, jede Menge Bloatware zu entfernen. Dann diverse Apps via Google Play neu installieren (ging das nicht auch mal via Web?) und sich da einloggen. Dazu gehört: Irgendwie auf „sichere“ Weise 25-stellige zufallsgenerierte Passwörter auf das Gerät kriegen, die aus gutem Grund nur in KeePass liegen. Und dann sowas wie Signal migrieren, ohne aus allen Gruppen rauszufliegen. Dazu gibt’s ne Anleitung – ist das ein Witz? Ich brauche WLAN, Bluetooth, einen siebenstufigen Transferprozess und zwei Stunden Zeit? Dieses Erlebnis könnte mich dazu bringen, meine eigentlich alt angestammte Signal-Treue zu überdenken. Immerhin weiß ich nun, dass ich ca. 123.000 Nachrichten über Signal empfangen und verschickt habe, fast 8GB an Daten. Krass.

Insgesamt waren es ca. 123.000 Nachrichten, die vom alten Handy (rechts) aufs neue (links) transferiert wurden.

Kurze Frage an die technisch gebildeteren Lesys dieses Blogs: Geht das alles irgendwie einfacher …?

Semesterplanung

Mitte April, in der zweiten Vorlesungswoche, werde ich bereits ein paar Sachen verpassen. Denn wir sind zu einem Workshop an der Uni Tübingen eingeladen: „Sterben, Trauern und Erinnern in Zeiten der Digitalisierung“ (leider finde ich dazu nichts im Web). Organisator: Matthias Meitzler, der damals auf der zweiten digina als Friedhofssoziologe referierte (mit Thorsten Benkel). Ich bin gespannt! (Side note: Master-Arbeit über Thanatosoziologisches? Ich habe mittlerweile schon viel zu viele Ideen …)

Anmeldungen

Inzwischen habe ich mich für meine Veranstaltungen via „Friedolin“ angemeldet; ob ich die Plätze wie gewünscht bekomme, stellt sich Ende des Monats raus (Losverfahren).

Dafür musste ich dann doch nochmal die Studiengangsbetreuung kontaktieren, denn einiges ist unklar gelöst. Beispiel: Man muss in Modulen, die aus 2 Seminaren bestehen, nur in einem der beiden Seminare eine Prüfung ablegen; das andere ist quasi ein Sitzschein. Nun muss man bei der VA-Anmeldung aber bereits eines als Prüfungsseminar wählen und das andere als „unmarkiertes“. Fragt sich, ob man das dann später noch wechseln kann …? Ja, man kann wohl. Bei der Prüfungsanmeldung dann.

Andere Unklarheit: Wie belegt man etwas, was man ggf. gar nicht richtig belegen will …? Hoffentlich bin ich bis zum Studienende dann wenigstens ausgebildeter Friedolin-Profi.

Präsenz und remote

Eine Sache, die mir immer wieder auffiel: Alles wäre etwas einfacher, wenn die VAs remote oder hybrid angeboten würden. Ich finde es ein bisschen schade, dass an der Uni anscheinend nicht viel von der Covid-Remote-Revolution übrig bleibt. Während es im Arbeitsleben inzwischen fast undenkbar ist, dass Home Office keine Option ist, scheint die Uni einfach in den alten Präsenz-Betrieb zurückzukehren. Ich sehe die Vorteile; Präsenz-Seminardiskussionen sind meistens besser als remote. Aber ein paar Zugeständnisse an die Lebensrealität von Menschen wäre oft hilfreich …

Hausarbeiten

Kommen wir doch kurz zu den Arbeiten. Derrida ist weitgehend fertig – es fehlen nur noch ein paar Pinselstriche hier, ein paar Schriftzeichen dort … Insgesamt bin ich ganz zufrieden, zumal ich eine kreative Idee hatte: Marginalglossen, um „weiterführende Gedanken“ am Rande der Arbeit abzuladen.

% Präambel
\newcommand\mpar[1]{\marginpar {\flushleft\sffamily\tiny #1}}
\setlength{\marginparwidth}{2.7cm}

% Aufruf
\mpar{Die Dichotomie Muttersprache/Fremdsprache überdeckt eine Fremdheit des Vertrauten und ein Fremdes des Eigenen. Eine unzulässige Komplexitätsreduktion.}

Das sieht dann so aus:


Zu Blavatsky steht nun vor allem Lektüre an. Dazu gibt es hier bald mehr, denn voraussichtlich wird mich dieses Thema nun die kommenden drei Wochen eng begleiten.

Exkurs: ChatGPT

Ich bezweifle, dass ChatGPT meinen Text zu Derrida hätte schreiben können. Trotzdem gibt es eine klare Warnung der Uni davor, das auch nur zu versuchen (Hervorhebungen und Kommentare von mir):

die textgenerierende künstliche Intelligenz (KI) Chat-GPT ist in der Lage, auch längere Fachtexte zu wissenschaftlichen Themen zu verfassen, die oft nicht von geschriebenen Texten menschlicher Fachleute zu unterscheiden sind. […] Diese technologische Entwicklung birgt sowohl Chancen als auch Risiken für Forschung und Lehre an Universitäten. Zum einen können sprachlich ausgereifte repetitive Recherchearbeiten, Zusammenfassungen oder Gebrauchstexte in Zukunft durch generative KI effizient erstellt werden.

Das klingt tatsächlich nach Fortschritt: Endlich muss nicht mehr ein Mensch seelenzermarternd langweilige Texte schreiben. Gleichzeitig fragt man sich, ob dann nicht ganze Berufszweige ausgedient haben … und ob es dann ein bedingungsloses Texty-Einkommen braucht. Aber bislang ist uns ja noch immer was eingefallen, weiterhin 40+ Stunden pro Woche zu füllen – und bislang sind dabei selten erfüllendere Jobs rausgekommen, siehe auch meinen Artikel zu Grafik-Generatoren-KIs.

Zum anderen können auch klassische asynchrone Prüfungsformate wie zum Beispiel Hausarbeiten obsolet werden, weil Studierende textgenerierende KIs zum Verfassen ihrer Arbeiten benutzen können, ohne die geforderte Eigenleistung zu erbringen.

Oder anders: Schreiben als Nachweis von „Leistung“ ist damit nicht mehr relevant. Leider wird es weiterhin „Publizieren“ als Nachweis von Leistung geben. Die Hoffnung, dass der Stapel ungelesener Texte endlich mal kleiner wird, ist glaube ich nicht begründet.

Nach derzeitigem Stand widerspricht eine undeklarierte Verwendung von KI-generierten Texten in Hausarbeiten und Abschlussarbeiten allerdings der von Studierenden abzugebenden Eigenständigkeitserklärung und käme damit einer Täuschung gleich, die bei Entdeckung sanktioniert würde.

Es ist interessant, dass diese offensichtliche Tatsache erwähnt werden muss – oder? Andererseits: Wie eigenständig ist das Paraphrasieren von Literatur eigentlich? Wenn in einer Arbeit 80% ChatGPT-Text, aber vier gute Gedanken stecken, ist das vermutlich eine wertvollere und bessere Arbeit als 100% uninspiriert selbst Geschriebenes. Aber irgendwie geht es eben auch um proof of work auf dem Weg zum symbolischen oder kulturellen Kapital.

Allerdings fällt der konkrete Nachweis einer Nutzung von KIs schwer, weil gängige Werkzeuge zur Entdeckung von Plagiaten durch Textvergleiche nicht mehr ausreichen werden. Zwar existieren erste Werkzeuge zur Erkennung von KI-generierten Texten, doch geben diese bestenfalls die Wahrscheinlichkeit an, dass ein Text KI-generiert wurde und halten, zumindest derzeit, wahrscheinlich einer rechtlichen Auseinandersetzung nicht stand.

Trotzdem wird es zweifellos zu diesen Rechtsstreitigkeiten kommen, und ich denke, die werden sehr spannend im Sinne von schwer vorhersagbar. „Vor Gericht und auf hoher See …“

Diese technologische Entwicklung fordert Universitäten dazu heraus, sich über Grenzen und Reichweite der Integration von KI in Studium und Lehre zu verständigen. Dieser Prozess schließt insbesondere ein Nachdenken über zukunftsfähige Prüfungsformate und zu vermittelnde Kompetenzen im Umgang mit KI ein.

Mein erster Gedanke: Ich fände es schade, wenn es keine Prüfungsform Hausarbeit mehr gäbe; ich bevorzuge das gegenüber mündlichen Prüfungen und auch Klausuren, weil man so am Ende wenigstens einen Text, ein Produkt hat. Andererseits gibt es gerade in den Geistes- und Sozialwissenschaften ja viele Möglichkeiten, einen „nicht KI-generierbaren Bestandteil“ aufzunehmen, etwa ein bisschen Mini-Empirie/Sozialforschung, etwas Künstlerisches/Kreatives, oder einfach eine kurze mündliche Verteidigung zur Arbeit.

Mehr noch, mit leistungsstarken und flexiblen KIs stellen sich auch grundlegende gesellschaftliche Fragen zur Verdrängung menschlicher Erwerbsarbeit und der notwendigen Anpassung betroffener Lebensmodelle.

S.o. – gerade universitäre Lebensmodelle könnten ja durchaus betroffen sein …

Die Transparenz, Überprüfbarkeit und Diskriminierungsfreiheit des Einflusses der Entscheidungen und Kommunikation von KI auf das menschliche Leben erfordern neue ethische und juristische Normen.

Ergibt der letzte Satz Sinn? Müsste es nicht heißen: „Wollen wir verhindern, dass KI das menschliche Leben auf intransparent, nicht überprüfbare und diskriminierende Weise beeinflusst, braucht es …“?

Klar ist auch, dass die beeindruckende Leistungsfähigkeit von Chat-GPT nur der Anfang einer beschleunigten Entwicklung immer leistungsfähigerer KIs ist. Wir erwarten KIs, die in immer mehr Lebensbereichen der menschlichen Leistungsfähigkeit ebenbürtig sein werden oder diese sogar übersteigen. Eine simple reflektorische Auseinandersetzung mit dem Status quo ist daher nicht ausreichend. Vor diesem Hintergrund wird die Universität Jena in den nächsten Monaten einen partizipativen Prozess der Auseinandersetzung über den Umgang mit textgenerierenden künstlichen Intelligenzen anstoßen. Weiterbildungen und regelmäßige Schulungen der Studierenden, Lehrenden und Mitarbeitenden zu den Grundlagen, Fähigkeiten und der verantwortungsvollen Nutzung von KIs müssen die Basis für den zukünftigen Diskurs an der Universität Jena darstellen. Mit Beteiligung von Studierenden und Beschäftigten werden wir dazu zeitnah Handlungsempfehlungen ausarbeiten.

Das ist natürlich ziemliches Bla-Bla (nicht im Sinne von „falsch“, sondern im Sinne von „trivial richtig“).


Beitragsbild: Vielleicht eine Option für mein weiteres Leben? Leider sind keine Blutopfer nötig, das macht es weniger attraktiv. Und wenn die Illuminati eine AOL-Adresse verwenden, sind sie vielleicht doch nicht ganz so erfolgreich …?

1 Gedanke zu „Prokrastinationen (Semesterferien, zum dritten)“

  1. du scheinst Recht ausgelastet.
    ja, die KI ist schon so eine zweischneidige Sache. wird sich natürlich weiterentwickeln und kann bei monotonen Arbeiten entlasten.

    Antworten

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