Aussprache und Betonung „Kaffee“: Kafee oder Kaffe? Kaff-e oder Café? [ˈkafe] oder [kaˈfeː]?

Dieser Tage kam das Gespräch auf die Frage, wie man eigentlich Kaffee richtig ausspricht. Der Artikel über die Aussprache von Creme kommt regelmäßig ganz gut an, daher dachte ich mir, ich trage hier mal ein paar Recherchenotizen zusammen.

Welche Aussprachen von „Kaffee“ gibt es?

Nun gibt es ja bekanntermaßen zwei Ausspracheweisen: „Kaffee“ mit Betonung auf dem kurzen a ([ˈkafe]) , und wie „Café“ ([kaˈfeː]), mit langem, betontem e. (Zusätzlich gibt es auch Mischformen und unterschiedliche Aussprachen des ‚e‘, aber die lassen wir hier mal weg.) Laut Duden sind beide Aussprachen korrekt bzw. gebräuchlich, in Österreich nur die letztere. Jetzt kann man da aber ja (sozusagen als Habitus-Beobachtung) noch mehr feststellen: Denn ich würde kaum je sagen „Ich brauch jetzt dringend einen [kaˈfeː]“ oder „Lass uns einen [kaˈfeː] trinken gehen“.

Andererseits würde sich die Giotto-Werbung so komisch anhören: „Nichts schmeckt besser zum [ˈkafe]“. Und zumindest ich habe noch nie gehört, dass jemand „Café-Bohnen“ kaufen geht, sondern Kaff-e-Bohnen. Alleine kommen wir also nicht weiter, daher googlen wir.

Regionalia

Die erste Spur führt über stackexchange auf eine leider nicht mehr verfügbare Quelle der Uni Augsburg: „Kaffee (Betonung)“. Per Wayback Machine kommen wir weiter und finden diese Grafik:

Die Quelle lässt sich als Jürgen Eichhoff, Wortatlas der deutschen Umgangssprachen (1977) identifizieren, ist also nicht mehr ganz aktuell. Aber vermutlich ändern sich solche Ausspracheweisen nicht intragenerational. Und diese Erkenntnis deckt sich weitgehend mit dem Duden: [kaˈfeː] ist in Österreich exklusiv, in Deutschland und der Schweiz als weniger gebräuchliche Form verbreitet. Spannend ist die Parallele zur Aussprache des anderen verbreiteten Genussmittels Tabak. Die Grundregel kann lauten: Wo man Tabak auf der ersten Silbe betont ([ˈtabak]), sagt man auch [ˈkafe]; wo man [taˈbak] betont, sagt man [kaˈfeː]. Eine kulturhistorische Parallele scheint also nahezuliegen. (Oder eine südliche Pseudodistiguiertheit …?)

In der bewussten Diskussion auf stackexchange finden wir weiterhin die Anregung, dass es darauf ankommt, aus welcher Sprache der Begriff jeweils übernommen bzw. welcher Sprache der Begriff nachträglich zugeordnet wurde. Ein Diskutant macht die Regel aus, dass aus dem Französischen übernommene Wörter eher endbetont werden (Café, Renommee, Allee, Baiser, …), aus dem Englischen und aus dem Niederländischen übernommene Wörter eher am Anfang. Das würde bedeuten: „Wir“ haben „Kaffee“ von „coffee“ abgeleitet; die Österreicher möglicherweise aus dem Türkischen (kahve), das das ggf. wiederum aus dem Französischen hat. Das führt zu einer elaborierten Theorie: Die Bohnen kamen als Handelsgut in norddeutschen Kontoren über britische Händler; daher ganz eindeutig „coffee“ -> [ˈkafe], wobei sich englische Betonung und französischer „a“-Laut mischen. In den Süden kamem Bohnen und Getränk über die Türkenkriege, daher kahve -> [kaˈfeː].

Tee oder Kaffee? Milch-Kaffe? Der Kontext

Letztlich hängt die Betonung nach meiner Beobachtung auch stark am Kontext. Wer „Tee oder Kaffee?“ abfragt, betont vermutlich meist anders ([kaˈfeː]), als wer „Kaffee oder Tee?“ zur Wahl stellt ([ˈkafe]). Und wenn man denn einen „Milch-[ˈkafe]“ anbietet, wird man vermutlich etwas schief angeguckt; das ist ein Milch-[kaˈfeː]. Ob es nun Filter-[ˈkafe] oder aus dem Siebträger ist, ist dabei irrelevant. Silbenzahl und -betonung, Reimwörter im Umfeld und vermutlich auch Vermittlungen aus der Werbung spielen hier offenbar teils eine größere Rolle als die „Korrektheit“ der Wortwurzel-Aussprache.

Behauptung: Die Betonung dient auch Distinktionsgewinnen

Nun verschieben sich ja die Betonungen offenbar regional ein wenig, was die Seite der Uni Augsburg u.a. über die Werbung erklärt:

Gegenüber dem Stand der in den 1970er Jahren erhobenen Karte des WDU (1977, Kt 2-110) hat sich die Betonung auf der zweiten Silbe (vor allem als Zweitmeldung) leicht nach Norden ausgebreitet, was eventuell damit zu tun hat, dass die Werbung diese fremder und damit „feiner“ klingende Form bevorzugt.

Das würde sich tendenziell mit der Beobachtung anderer Internetmenschen decken. So lesen wir bei Leo:

  • „Dann gibt’s noch die Etepetete-Variante „der Kaffee“, nur mit von der Tasse abgespreiztem kleinen Finger zu sprechen.“
  • „Second syllable is stressed when spelling and saying it the French way („café“), which in German you would either use for an establishment serving coffee, or for the actual beverage if you want to sound ‚distingué‘.“
  • „Gut, also Einschränkung: Kaffee mit Betonung auf der zweiten Silbe klingt für Norddeutsche Etepetete. Oder […] nach Werbungssprache, mit der bewusst ein bestimmtes Flair rübergebracht werden soll.“

Die kleine und meist vermutlich unbewusst gefällte Entscheidung, vorne oder hinten zu betonen, das e lang oder kurz zu sprechen, sagt also vermutlich auch etwas über die sprechende Person, ihre Herkunft, das Selbstverständnis, das Verhältnis zum Genussmittel und die Stellung im Satz aus.

Wohlan. Prost Kaffee!


Beitragsbild: Photo by Mike Kenneally on Unsplash 

11 Gedanken zu „Aussprache und Betonung „Kaffee“: Kafee oder Kaffe? Kaff-e oder Café? [ˈkafe] oder [kaˈfeː]?“

  1. Falls das eine Serie werden sollte, freu ich mich das nächste mal über die Aussprache von “Tunnel”, insbesondere wenn dann noch “das Tunnel” (= eine tunnelartige, aber vergleichsweise kurze Unterführung, so habe ich es zumindest gelernt) dazukommt.

    Schönen ersten Mai!

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    • Vielen Dank für die Anregung! Auch dazu findet (fand) sich was bei der Uni Augsburg: https://web.archive.org/web/20160902105005/https://www.philhist.uni-augsburg.de/lehrstuehle/germanistik/sprachwissenschaft/ada/runde_4/f23a-c/

      „Im gesamten deutschsprachigen Raum wird die Betonung von Tunnel auf der ersten Silbe gegenüber der Betonung auf der zweiten Silbe vorgezogen. Das Wort kommt von engl. tunnel, das seinerseits auf das Frz. (altfrz. tonnel ‘Tonnengewölbe, Fass’) zurückgeht. Die Endbetonung erklärt sich in diesem Fall also nicht aus der Herkunftssprache Englisch, sondern wohl mit Analogie zu direkt aus dem Frz. entlehnten Wörtern wie Hotel, Rondell u. ä. sowie der Rolle des Französischen im früheren Eisenbahn-Vokabular (Billet, Coupé – auch das Wort Waggon ist aus dem Engl. entlehnt, wird aber nach frz. Muster ausgesprochen). Nach WDU (1977, Kt 2-111) dominierte noch in den 1970er Jahren südlich des Mains zumeist klar die Endbetonung, in Österreich fast ohne Ausnahme. Heute ist sie auch in Süddeutschland und Österreich offenbar nur noch hier und da zu hören; lediglich in Südtirol ist dies die einzige übliche Betonungsvariante (während im Ital. die Betonung auf der ersten Silbe liegt).“

      Aber ggf. gibt das (insbesondere aufs Genus bezogen) noch mehr her …

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  2. Das türkische Wort für Kaffee (also kahve) wird allerdings nicht wie [kaˈfeː] auf der zweiten Silbe betont, sondern wie [ˈkafe] auf der ersten Silbe und wurde meines Wissens aus dem Arabischen übernommen. Die Araber sagen „qahwa“.

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    • Danke, das ist ein interessanter Einwand! Dann ist die Frage, ob die Herleitung stimmt, dass die türkische Bezeichnung aus dem Französischen stammt oder aus dem Arabischen …

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  3. Da die Sufis dem Getränk den Namen gaben, gehe ich mal davon aus, dass die Türken das Wort aus dem Arabischen übernahmen. Hierzu gibt es super spannendes Buch von Kerim Pamuk mit dem Namen „Kiffen, Kaffee & Kajal“ in dem die Herkunft vieler orientalischer Worte im deutschen Sprachgebrauch erklärt wird. Macht echt Spaß! 🙂

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  4. Beobachtungen meinerseits:
    Im Norden Deutschlands tendiert man zu zahlreichen Falschbetonungen gerne auf der für Befehle üblichen 1. Silbe z.B. „umfassend“. In diesem und anderen Fällen sogar unter In’kaufnahme der Änderung der Bedeutung: ‚umfassen kann ich den den Tennisschläger beim Griffwechsel oder Brillianten auf einem Schmuckstück; um’fassen dagegen etwa einen Baumstamm mit den Armen, oder ein Thema wenn ich es vollständig abhandle.
    Interessanterweise höre ich auch oft das Gegenteil z.B. Klassen’vorstand wo ‚Klassenvorstand richtig wäre.
    Na ja, davon geht die Welt nicht unter, es scheint sich dadurch allerdings eine gewisse Neigung zur Kreativität (mild formuliert) auszudrücken.

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