Kunst entschlüsselt: Gerhard Hotter – Langford 8 Reihe

Seit einigen Monaten hängt eine weitere konkrete Arbeit an meiner Wand, namentlich Gerhard Hotters „Langford 8 Reihe blau“. Seitdem rätsle ich über die Entschlüsselung, und heute fiel der Groschen.

Wer ist Gerhard Hotter?

Gerhard Hotter ist ein deutscher konkreter Künstler (zur konkreten Kunst siehe hier), 1954 in Nürnberg geboren. Eine kurze Biographie gibt’s hier und seine Website hier. Zu den Langford-Arbeiten gibt es einen eigenen Katalog („Gerhard Hotter: Das Langford-System“), den ich mir wohl mal besorgen sollte.

Was ist eine Langford-Sequenz?

Ein Langford-Pairing oder auch -Reihe ist eine Ordnungsmöglichkeit für Zahlenpaare. Ich habe von Mathematik keine Ahnung, aber ich versuche, es so wiederzugeben: Man nimmt die Zahlenpaare 1,1,2,2,3,3 bis n,n und ordnet sie so an, dass zwischen den Zahlen n und n genau n andere Zahlen stehen. Die erste und einfachste Langford-Reihe ist also 2,3,1,2,1,3 für n=3: Drei Zahlen zwischen den 3ern, zwei zwischen den 2ern, eine zwischen den 1ern. Für n=1 und n=2 gibt es anscheinend keine Lösungen.

Langford entdeckte das Problem der Pairings beim Spielen mit seinem Sohn:

Vor einigen Jahren spielte mein Sohn mit farbigen Bauklötzen. Er hatte von jeder Farbe zwei Klötze. Eines Tages sah ich, dass er aus seinen Klötzen einen Turm gebaut hatte, bei dem zwischen den beiden roten Klötzen ein Klotz lag, zwischen den beiden blauen zwei Klötze und zwischen den beiden gelben drei Klötze. Ich baute dann den Turm komplett um, so dass ich auch noch ein Paar grüne Bauklötze hinzunehmen konnte, zwischen denen sich vier andere Klötze befanden. (Zitiert nach Spektrum der Wissenschaft)

Ob Langford wirklich Chemiker, oder Mathematiker, oder Physiker war, konnte ich nicht klären – die Quellen widersprechen sich hier. Bezogen auf Hotter liest man z.B. in einem Ausstellungskatalog:

Die (von Prof Eugen Gomringer) auch als „Zahlenklammerungen“ bezeichneten Langford-Reihen verwandelt Hotter auf spielerische Weise in Bilder…   …Hotters sowohl gesetzhafte, als auch in ihrer Gesetzhaftigkeit fließend veränderte Kompositionen sind Spiegel dynamischer Prozesse. Sie wirken wie Anordnungen, um den Pulsschlag der modernen Zivilisation messbar zu erkunden. (Quelle)

Für n=8, also das, was Hotter in ‚meinem‘ Bild darstellen will, gibt es übrigens angeblich 150 Lösungen. Eine davon muss er ja wohl gewählt und irgendwie im Bild versteckt haben … aber wie?

Was ist nun des Rätsels Lösung?

Vermutlich gibt es mathematisch-intuitiv denkende Leserinnen und Leser meines Blogs, die mit einem einfachen Blick auf das Bild die Lösung erraten. Ich habe länger gebraucht. Wer noch selbst rätseln will, sollte daher nun aufhören und anhand der bisherigen Infos einfach sein oder ihr Glück versuchen.

Ich bin folgendermaßen vorgegangen:

  • Ich habe überlegt, wie das Bild aufgebaut ist. Ich kam auf 8 Spalten mal 16 Zeilen, also 128 „Kästchen“, davon ein Teil in beige-grau und ein Teil in blau.
    • Der Bildtitel gibt eigentlich schon Auskunft, dass die Zahlen wohl eher im blauen Anteil verborgen sind, aber das wird mir erst im Nachhinein klar.
  • Dann rätselte ich herum, ob die teilweise Symmetrie der Zeilen etwas bedeuten könnte. Z.B. sind die Zeilen 2 und 11 identische, rein blaue Zeilen. Zeilen 3 und 12 sind „spiegelbildlich“, also das gleiche Muster in blau und in beige.
    • Damit war ich der Lösung schon recht eng auf der Spur, aber ich geriet wieder auf Abwege.
  • Also zurück zur Theorie. Wenn man die Zahlen 1-8 „verstecken“ will, muss man insgesamt 16 Zahlen unterbringen.
    • Auch, dass 16 Zeilen bei 16 zu verbergenden Zahlen auf die Anordnung hindeuten könnten, fällt mir erst danach auf.
  • Ich bin davon ausgegangen, dass die Zahl 1 ein Kästchen, die Zahl 2 zwei Kästchen, die Zahl 7 sieben Kästchen einnimmt. Insgesamt sind somit 2*(1+2+3+4+5+6+7+8)=2*36=72 Kästchen nötig.
  • Danach habe ich die beigen und die blauen Kästchen gezählt: Es gibt genau 56 beige, und folglich 72 blaue. Heureka!
  • Anschließend betrachtete ich erst spalten-, dann zeilenweise die jeweils entstehenden „Felder“. In der ersten Zeile hätten wir somit die Zahlen 4 und 3 (5 blaue, ein beiges, 3 blaue Kästchen). Auf diese Weise ergeben sich aber z.B. viel zu viele Vorkommen der Zahl 1 – das kann es also nicht sein.
  • Schließlich wurde mir klar: Es geht nicht um die Verteilung der beigen Kästchen, sondern schlicht um die Anzahl blauer Kästchen pro Zeile. Ich kann den genauen Gedanken, der zu dieser Erkenntnis führte, nicht mehr rekonstruieren, aber das war des Rätsels Lösung.

Lies: 7823625374865141

Wenn man das nun aufschlüsselt, kommt man auf die Sequenz 7823625374865141. Klopft man diese Zahlenreihe auf Langfords Regel ab, sieht man, dass alle Bedingungen erfüllt sind; zwischen den 8ern sind 8 „Zeilen“, zwischen den 7ern sieben usw. (Man kann das Bild natürlich auch umgedreht hinhängen und kommt dann auf die Umkehrung der o.g. Reihe, die genauso gültig ist und wohl gemeinhin als identische Lösung betrachtet wird.)

Das bedeutet auch: Die künstlerische Freiheit lag in der jeweiligen Bestückung der Zeilen mit blauen und beigen Kästchen. Denn während die Zahl der blauen Kästchen pro Zeile festgegeben ist, kann innerhalb der Zeile nach zufälligen oder ästhetischen Gesichtspunkten variiert werden. Ich frage mich, ob es einen Grund gab, diese und keine andere Lösung für n=8 zu wählen (und ob es Unterschiede zwischen den Lösungen gibt, die nur eingeweihten Mathematys bekannt sind).

Hier noch eine simple Rekonstruktion des Bildes, alle Farben sauber geordnet:

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