Es muss versucht werden, die Methoden und Begriffe so klar als irgend möglich zu explizieren, damit ihre Unzulänglichkeit und Unvollkommenheit deutlich wird.
(Niklas Luhmann auf dem ersten Zettel des zweiten Zettelkastens)
Ironischerweise heißt „Ende der Semesterferien“ für mich: Bald habe ich wieder arbeitsfrei! Und: Der kommende Stundenplan steht — jedenfalls fast, denn eine Veranstaltung ist weiterhin „nicht belegbar“ weil „noch unter Vorbehalt“. Der Plan ist nicht so schmuck wie im Bauhaus-Kontext, aber auch ganz hübsch. Ich hoffe darauf, dass sich die Inhalte in meine Masterarbeits-Ideen fügen (und werde vermutlich auch nur das besuchen, was sehr unterhaltsam ist oder gut passt).
Ansonsten geht es mit dem digital publishing report Bibliotheken weiter; ich muss nur noch eine handvoll Tage arbeiten vor dem nächsten Sabbaticalabschnitt; und ich komme wieder nicht zu allen Lektüren, die ich mir vorgenommen hatte.
Contents
Stundenplan, Sprache, Gefühle
„Sprache und Gesellschaft“ etwa könnte mich näher an mein Thema der Gefühle bringen, denn meine momentane Vermutung ist, dass man eine systemtheoretische Funktionsanalyse von „Emotionen“ gut an einem Emotionsbegriff als „symbiotischer Mechanismus des Mediums Sprache“ aufhängen könnte.
Gefühle binden Soziales an den Körper zurück; vergleichbar der Rückbindung des politischen Mediums „Macht“ durch (staatliche) „Gewalt“ oder von „Geld“ durch „Bedürfnisse“. Nur eben genereller; so, wie sich aus Gesellschaft die Teilsysteme differenzieren und aus der Sprache die symbolisch generalisierten Medien, so differenzieren sich aus „Gefühlen“ die symbiotischen Mechanismen aus. Aber das ist — wie gesagt — bislang eine sehr theoretische Vermutung. Und es fehlt noch die Fragestellung sowie eine Einordnung in eine Disziplin; ich habe damit quasi schon einen gesellschaftstheoretischen Horizont, aber ich würde ja zusätzlich gerne eine historische Dimension einbauen. Vielleicht über den emotionalen Komplex Trauer. Mal gucken.
Das Fußball- und das Geschlechtsseminar, zwischen denen ich mich ja entscheiden oder sie wechselnd „gasthören“ muss, sind eher Interessensbelegungen. Die Forschungswerkstatt ist eine technische Pflichtbelegung — ob ich da hin will/kann/darf/muss, stellt sich noch raus. Die Kritik der politischen Ökonomie könnte spannend, dröge, zu einem anderen Masterarbeitsthema inspirierend oder dann ein Opfer der Zeitplanung werden. Ich berichte.
Insgesamt ist der Stundenplan ziemlich fragmentiert … mal sehen, wie sich das dann im gelebten Semester anfühlt.
Musiksoziologie und Weimar
Da meine Vorüberlegungen zur Tagung „Musik in der spätmodernen Gesellschaft“ etwas lang ausgefallen sind, habe ich sie ausgelagert — wer meine spezifischen Fragestellungen zur Musiksoziologie sowie eine subjektive Lektüreliste lesen mag, bitte hier entlang.
Die Tagung war sehr interessant, als Beobachtung des Wissenschaftssystems wie auch inhaltlich. Neben diversem Faktenwissen und spannenden Phänomenen hatte ich auch ein paar Ideen, wie man Musik vielleicht noch ins Gefühls-Thema einbauen kann: Einerseits als emotionale „Escape-Taste“, wie man den Earphones in öffentlichen Verkehrsmitteln entnehmen kann; hier kann der belastete Gehörsinn sich aus unfreiwilliger Kommunikation entfernen. (Ich höre gerade ein Brandenburgisches Konzert im Zug, während ich das tippe … und das ist dringend nötig. Ein anderer Mensch mit Earphones guckt Videos und lacht in Abteillautstärke.)
Andererseits lässt sich vielleicht ein Werk-als-Form-Begriff finden, der bestimmte emotionale und ästhetische Eigenheiten trägt; Gefühle wären also an spezifische Formen gekoppelt. Aber das ist alles noch nicht ganz spruchreif, wie man merkt.
Ansonsten ein paar kurze Bemerkungen anstelle eines Tagungsberichts:
Fashwave
Hat schon jemand von „Fashwave“ gehört? Das ist 80er-Nostalgie-Synth- oder Vaporwave, der durch Soundschnipsel oder die visuelle Begleitästhetik rechte Themen „trägt“. Wohlgemerkt: Der Musik „selber“, was immer das ist, ist nicht zwingend irgend etwas Faschistoides eigen. Das kann einfach Popcorn-Gedudel sein. Dabei bleibt die eigentliche Verortung oft ambivalent, zwischen Ironie und Ernsthaftigkeit (auch wenn man letzteres befürchtet). Beispiel (Achtung, nsfw, Nazi-Ästhetik inbound): „Take Back Out Future“. Das „Label“ 2dads.tv (twitter x) ist eher homophil angehaucht, der Inhalt könnte auch parodistisch sein, aber man befürchtet doch, dass die es ernst meinen … aber was?
Straßenmusik
Beobachtet mal, wie eure Stadt mit Straßenmusik umgeht. Ein Tagungsbeitrag befasste sich mit Verordnungen österreichischer Städte; alle eher restriktiv, vor allem in reicheren Stadtteilen und gegenüber Durchziehenden. Und wo der Verkehrslärm nach Belieben wüten darf, wird der Schutz Anwohnender vor Belästigung vorgeschoben, um Straßenmusik zu unterbinden. Nicht „früher war mehr Lametta“, sondern „früher war mehr Musik“.
aesthetics und Weltverdoppelung
Es gibt ein „aesthetics“-Wiki mit hunderten Micro-„Stilen“ (in Ermangelung eines besseren Wortes) und Milliarden Aufrufen. Ich werde nicht ganz schlau daraus, warum es so vieler Micro-Micro-„Genres“ mit eigenem Label bedarf, aber vielleicht gibt ein Schwesterprojekt Auskunft: Im „Personal Aesthetics Wiki“ darf sich ein jedes den eigenen Stil enzyklopädisieren. Wenn hier nicht der Wunsch nach Ausdruck individuellster Besonderheit mit dem nach Vergemeinschaftung aufs Trefflichste vereint ist, weiß ich auch nicht. Und vielleicht dient das auch der Weltverdoppelung durch ein neues Medium (nennen wir es „Internet“), und zwar noch viel umgreifender als bei allen vorherigen Medien …?
Perspektiven
Meine Workshop-Gruppe hieß ja „Funktionen und ästhetische Dimensionen von Musik in der Spätmoderne“. In den vorbereitenden Unterlagen der Workshopleiter wurde daraus „… Funktionen für die Menschen in der Gesellschaft“. Und ich glaube, das zeigt ganz gut, wie sehr sich schon an Begriffen die Perspektiven unterscheiden: Wenn ich soziologisch über „Funktionen“ rede, habe ich ja eher Strukturelles im Sinn, und vor allem auch schon eine implizite Theorie dabei, irgendwas Richtung Durkheim/Weber/Luhmann. Bei den Musikwissenschaftlys wird daraus aber (auch an anderer Stelle) etwas im Bereich Subjektivierung. Generell hatte ich das klare Gefühl, dass Strukturüberlegungen nicht im Fokus standen.
Zettelkasten
Ich vermisse zu oft Inhalte des alten ZK, der auf Daniel Lüdeckes Software lief. Daher habe ich diese nun einfach als Markdown exportiert und in einen eigenen Ordner in den „Hauptkasten“ gepackt. Luhmann hatte ja auch zwei Kästen, die sich aber wohl nie richtig integrieren ließen. So auch in meinen Fällen: Die 1200 Zettel des alten Kastens liegen nun ohne Verknüpfungen — die in der Logik Obsidians („[[Link zu neuem Zettel]]“) anders funktioniert als in der ZK-Software („[z 1]Link zu altem Zettel[/z]“) — und ohne Schlagworte — „Schlagwort:Unterschlagwort“ vs. „#Schlagwort“ — im neuen.
Lustig ist die „Synapsendarstellung“, die ich nun in Obsidian anzeigen lassen kann. Es sieht so aus, als wäre meine Denkwolke umgeben von einer Milchstraße unverbundener Einzelgedanken.
Das ist aber auch okay so. Wenn ich Inhalte eines alten Zettels brauche, editiere ich diesen und füge ihn mittels Schlagworten, Links etc. in die neue Struktur ein. Was dann in ein paar Jahren noch unverbunden im alten Kasten liegt, kann ignoriert werden. Doof ist, dass ich für den alten Kasten nie ordentlich bibliographiert habe: Die Literatur ist nicht in JabRef und damit nicht in der bibtex-Datei gepflegt. Wenn etwas also wichtig ist, muss ich es nun nachpflegen.
tbc.
Scam-SMS
Ich habe eine Scam-SMS von 0176 85992708 bekommen. Angeblich kommt heute der Gerichtsvollzieher, um meinen Hausrat zu pfänden, weil eine Steuerschuld nicht beglichen ist. Erst dachte ich mir, ich ignoriere das, weil … naja, wer fällt schon auf sowas rein.
Ich habe dann aber doch mal die BIC MODRNL22XXX nachgeschlagen, die zur „MODULR FINANCE B.V.“ führt, einer niederländischen Bank. Und ich habe deren Customer-Support kontaktiert, der nach weniger als 4 Stunden reagierte. Sie „have blocked the account in question with immediate effect and also referred this report to our compliance team“. Ich frage mich ja ein bisschen, wie das genau läuft und ob ein gesperrtes Konto nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. (Beunruhigenderweise frage ich mich gar nicht mehr, woher die meine Nummer hatten.)
Wahlomat
Es ist mal wieder eine Wahl. Ich bin da bekanntermaßen skeptisch (siehe: Soll ich ungültig wählen?) Aber einen Wahlomat kann man ja trotzdem machen. Bei mir landete die „Partei der Humanisten“ und Die Linke fast gleichauf auf dem Spitzenplatz. Das wundert mich, denn:
Die Partei der Humanisten hat eine Unvereinbarkeitsliste. Dies soll nach eigenen Angaben Probleme mit extremistischen Mitgliedern, wie sie z. B. die Piratenpartei gehabt habe, unterbinden. Unter anderem sind die AfD, JA, Pegida, sogenannte Reichsbürger sowie Die Linke, Antifa-Bewegungen und Querdenker-Gruppierungen auf dieser Liste. Aber auch religiöse Gruppen wie die Zeugen Jehovas, Opus Dei oder Salafisten können vom Parteibeitritt ausgeschlossen werden. [Wikipedia]
Der Wahlomat warnt zwar, dass Platzierungen nicht auf inhaltliche Nähe schließen lassen, aber dass ich nun fast gleichrangig hohe Übereinstimmungen mit zwei Gruppierungen habe, von denen eine die andere für das große Übel hält, ist schon seltsam. Die Humanisten sind mir allerdings insgesamt zu liberal, auch wenn ich die Farben schön finde.
Irritierenderweise teile ich mit der AfD (37,8%) mehr als mit der CSU (33,3%). Insgesamt liegt das bürgerliche Lager aber sehr abgeschlagen unter 45%. Das tut der Identität sehr wohl!
Ich habe allerdings auch zu bestimmt einem Drittel der Fragen „neutral“ gewählt; entweder, weil ich keine Meinung habe; nicht weiß, welche Position zu welchen Ergebnissen führen würde; oder weil ich die These nicht verstanden habe. Etwa:
These 9 von 38: 29-€-Ticket für alle
Für die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs in Bayern soll es ein 29-€-Ticket für alle geben.
An sich: Ja. Aber was bedeutet das für das Deutschlandticket — ist das ergänzend, ersatzweise, unabhängig davon? Ich wäre für freien ÖPNV oder von mir aus ein DT für 29 Euro. Ein Ticket, das nur in Bayern gilt, wäre ja wieder ein Rückschritt.
Also: Wahlomat ist ein lustiges Spiel, aber man sollte davon keine wichtigen Entscheidungen abhängig machen. (Ob nun die Stimmvergabe bei dieser Wahl „wichtig“ ist, kann ein jedes für sich entscheiden.)
Beitragsbild: Stundenplan der Bauhaus-Studys, fotografiert im Bauhaus Museum Weimar.
Was beinhaltet das Fußballseminar?
Das mit der Scam SMS ist ja verrückt. Die lassen sich doch immer was Neues einfallen.
Ich war auch echt überrascht — SMS ist ne neue Nummer, und Finanzamts-Scam auch. Aber halt auch wieder echt nicht gut gemacht.
Leider gibt’s zum Fußball-Seminar noch keine weiteren Infos, und leider auch noch keine Literaturliste. Daher bin ich schon gespannt!