Der Schnellere kann zwischendurch etwas anderes tun.
(Luhmann, Soziale Systeme, S. 76)
Der IC Jena/Nürnberg bzw. Nürnberg/Jena ist jedes Mal leer. Also nicht nur „angenehm unterbesetzt“. Sondern wirklich leer. Ich war jetzt schon mehrfach der einzige Fahrgast im Großraumbereich. Das ist natürlich herrlich — man kriegt immer mindestens 32 Sitze für sich allein. Aber es deutet nicht auf ausreichende Nachfrage hin, dass der Zug dauerhaft im Programm bleibt … Außerdem bleibt einem auch hier nicht erspart, dass es etwas länger dauert. Durchsage vor Lichtenfels: „Wir verabschieden uns und entschuldigen uns für die standesgemäße Verspätung.“
Mal sehen, wie das mit der Bahn überhaupt weitergeht. Aktuell stolpern wir ja von Streik zu Streik ohne Aussicht auf Besserung. Ich bin sehr froh, wenn mich das nicht mehr so massiv betrifft wie jetzt: Um am Wochenende in Nürnberg zu sein, fuhr ich schon Donnerstag. Der IC Nürnberg/Jena fällt dem Streik zum Opfer; der RE sah mir sehr überfüllt aus, und man hätte wieder in Saalfeld umsteigen müssen; also fuhr ich via Erfurt. Leider gibt es da nur 3 Züge am Tag: 10.30, 14.30 und 18.30. Das aber immerhin pünktlich: Wenn die Schiene leer ist, kommt man auch mal 3 Minuten früher in Nürnberg an.
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Uni
Uni gab es natürlich auch:
S&G: Jessop/Sum und der erste Essay
Das Seminar fand dann (leider) online statt — mit Ankündigung 28 Stunden vorher … das reichte freilich nicht mehr für eine Planänderung, zumal ich schon in Jena multipel verabredet war. Ergo zoomte ich dann aus dem Seminarraum; wir waren drei Teilnehmys und ein Dozent. In der Sitzung ging es um Jessop und Sums Vorschlag, Diskursanalyse und eine Kritik Politischer Ökonomie zu vereinen. Am „anschlussfähigsten“ fand ich die Bezüge zu Luhmann; da werde ich nochmal reingucken.
Außerdem habe ich den ersten von zwei Essays geschrieben: „Sprache: Negation und Utopie. Zu Möglichkeitsbedingungen der Kritik in Niklas Luhmanns Sprachkonzeption“. Meine Grundidee:
Dieser Essay stellt die Frage, was Kritik mindestens bedeuten muss und in welcher Weise Sprache in der Konzeption Niklas Luhmanns bereits inhärent ein Werkzeug der Kritik ist. Dabei werden zwei zentrale Kriterien für kritische Positionierungen herausgearbeitet: das Negationspotenzial – Sprache kann „Ja“ und „Nein“ sagen und führt beide Fassungen stets mit – und die Sagbarkeit von etwas, was noch nie gesagt wurde und was nicht wahrnehmbar ist. Sprache ist damit in diesem Sinne inhärent kritisch.
In der letzten Sitzung (6.2.) gibt es dazu Feedback, und dann modele ich das zu einer Prüfungsleistung um.
Fußball
Zwei Zitate aus Simon Critchley, „What We Think About When We Think About Football“:
If there is a sacral dimension to football, then I would rather see it in the very ordinariness of the game and indeed its unquestionable stupidity. Linking football as much as I do […] is pretty stupid.
Despite the cynicism, corruption and chronic capitalism of the game, to be a football fan requires a belief in fairies, a stupidity and a certain utopianism
K&Ü: Geistiges Eigentum, Copyright und Co.
Seit es begehrte und reproduzierbare geistige Güter gibt, gibt es illegale Kopien. „Illegal“ sind sie, weil es eine „Legalisierung“ von Eigentum an (quasi) frei kopierbaren Gütern gibt. Wenn man das nun als „künstliche Verknappung“ kritisiert, legitimiert man damit indirekt die bürgerliche Ökonomie, weil man ihr zugesteht, dass es sozusagen „natürlich“ knappe Güter gibt. Aber: „Bürgerliches Eigentum ist die Erzeugung künstlicher Knappheit“, so Sabine Nuss, unter der Prämisse der „unendlichen Bedürfnisse“ auf der Nachfrageseite. In Wirklichkeit ist das einzige „unendliche“ Bedürfnis: das des Kapitals nach Vermehrung.
Zur Produktionsseite und den Legitimationsproblemen von Copyright-Apologetys schreibt Mark Lemley (Abstract):
Efforts to use IP to lock down the Internet have so far failed to stem the unauthorized distribution of content. But contrary to the predictions of IP theory, the result of that failure has not been a decline in creativity. To the contrary, creativity is flourishing on the Internet as never before despite the absence of effective IP enforcement. That is a problem for IP theory[.] (PDF)
Sehr (technik-)optimistisch. Multi-purpose-Roboter und 3D-Drucker werden dafür sorgen, dass wir quasi nichts mehr kaufen müssen. Und: Menschen kreieren gerne, Menschen bezahlen auch gerne für sympathische Inhalte sympathischer Künstlys. Das kommt mir alles sehr bekannt vor. Es würde bedeuten: Das bürgerliche Genie ist am Ende; „Kunst“ wird zum Hobby (mit ein paar Ausnahmen wie im Sport), über Kickstarter holt man sich die Produktionskosten rein. Am anderen Ende der Fahnenstange finden wir dann sehr teure Blockbuster, die sich aus Product Placement und Mech finanzieren …?
Masterarbeiten
Donnerstag und Freitag wurde eine ganze Reihe von Masterarbeitsthemen vorgestellt. Leider ohne mich; aber ich wollte nicht neben dem Streik- auch noch dem Wochenendverkehr zum Opfer fallen.
Mau et. al.: „Triggerpunkte“
Ist unsere Gesellschaft „polarisiert“, und polarisierter als früher? Darum geht es, mit sehr starkem Emotionsbezug, im relativ neuen Buch „Triggerpunkte“ von Lux/Mau/Westhauser. Der Emotions- bzw. Affektbegriff scheint mir noch etwas zu haken, er ist relativ „hydraulisch“ und irrational. Stark verkürzt: Menschen werden durch Ansprache ihrer Affekte (statt ihrer Gedanken) in Denk- und Wahlpräferenzen gezogen; und wenn dann genug emotionaler Druck da ist, bricht sich das Bahn.
Das mindert nicht die empirische Leistung, politische Verortungen anhand von Emotionen zu erforschen; aber es bleibt hinter dem zurück, was man über Gefühle wissen kann (etwa: Gemeinschaftsbildung und individuelle Distinktion als doppelte Funktion). Und es bleibt praktisch etwas unbefriedigend, denn was will man daraus folgern? (Im ausblickenden Schlusskapitel spielen die Gefühle dann auch keine Rolle mehr.)
Daher: eine Empfehlung wegen der spannenden Empirie, aber bei der Theorie sollte man etwas aufpassen. Wer sich nicht durch die 500+ Seiten wälzen will, kann
- sich dieses sehr sympathische 40-Minuten-Interview mit Steffen Mau im DLF anhören und
- diese Rezension von Claus Leggewie bei Soziopolis lesen: „Vom Generalgefühl der Überforderung“.
30 Coins / 30 Monedas
Die zweite Staffel ist inzwischen gelaufen, und zwischen den Jahren hatte ich sogar Zeit für ein paar Folgen. Pulp, ein bisschen Gore, viel Witz („Apocalypse for Dummies“!) und ein katholisch-apokalyptischer Plot, der das alles mehr oder weniger konsistent zusammenhält.
Mein Highlight: Die beiden Nut-Jobs in ihrem Windrad, auf dessen Innenseite
- wissenschaftliche (Gödel, Hameroff, Bohr),
- okkulte (Frazer, Bilder von Crowley und Blavatsky),
- ufologisch-konspiratorische (Däniken, Haunebu, Vril, Sebottendorf) und
- Mythos-Begriffe („strange eons“, „Celephais“ und sogar „Hastur“) geschmiert sind.
Die Lovecraft-Bezüge gehen übrigens weiter (Episode 2 heißt „Dreamlands“, 4 „The Black Book of the Mad Arab“), aber ich will nicht spoilern. Nur so viel: Solltet ihr demnächst eine Kampagne leiten, in der Leute die Orne Library besuchen, gibt es in Episode 4 ein paar schöne Impressionen … man muss nur über einige Plot-Blödigkeiten hinwegsehen.
Und das hier hab ich noch:
Fächeranteil in Jena
Zum Spaß habe ich mal ausgerechnet, wie stark die einzelnen Fakultäten in Jena aufgestellt sind. (Quelle)
In aufsteigender Sortierung:
Bereich | Studys | Anteil |
Theologische Fakultät | 103 | 0,6 % |
Physikalisch-Astronomische Fakultät | 877 | 5,0 % |
Fakultät für Mathematik und Informatik | 930 | 5,3 % |
Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät | 1.281 | 7,3 % |
Rechtswissenschaftliche Fakultät | 1.313 | 7,5 % |
Chemisch-Geowissenschaftliche Fakultät | 1.386 | 7,9 % |
Fakultät für Biowissenschaften | 1.988 | 11,3 % |
Medizinische Fakultät | 2.689 | 15,3 % |
Philosophische Fakultät | 3.232 | 18,4 % |
Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften | 3.740 | 21,3 % |
Aus dem Uni-Alltag hätte ich Naturwissenschaften und Technik als weniger präsent eingestuft, aber das sind ja doch 30%. Ich hatte gedacht, diese Fächer sind eher an der Ernst Abbe Hochschule (ehemals „Fachhochschule Jena“) verortet.
Zum Vergleich: In Erlangen studieren etwa doppelt so viele Menschen wie in Jena: Dort sind es knapp 40.000, in Jena mit FSU (17.500) und EAH (4400) knapp 22.000.