SS23/W07: Erbschaften, Briefe und Lizenzen

Was ich sehe als Verantwortung, ist zunächst einmal das handwerklich Saubere. Das heißt: nur Bücher zu zitieren, die man selber gelesen hat, und klar und genau zu denken, soweit man das fertigbringt.
(Luhmann, Archimedes und wir, 115)

Ein Heimaturlaub ist schön und unterhaltsam, weil man hier immer jemanden besuchen, etwas aufräumen oder einfach in alten Sachen wühlen kann. (Sowas führt dann zu glücklichen Zufällen wie dem Fund alter Briefwechsel.) Oder man wagt sich mal an das Abenteuer Stromanbieterwechsel – wobei ich als gern enttäuschter Kunde leider zugeben muss, dass das inzwischen recht einfach geht.

Der Nachteil dieses bunten Aktivitätenstraußes: Man kommt auch zu deutlich weniger „Produktivem“, weil es immer eine Alternative gibt.

Uni: Erlebtes, aka E&G: Erbschaften

E&G gab es remote, und zwar zum Thema Erbschaften. Erben ist ja auch so ein Thema – man findet einfach keine Angaben, wie viel in Deutschland vererbt bzw. verschenkt wird (Schenkung und Erbe werden eigentlich immer nahezu synonymisiert). Es gibt Schätzungen von bis zu 400 Milliarden Euro im Jahr (Quelle: die DGB-nahe Hans-Böckler-Stiftung). Vollständig erfasst wird aber nur versteuertes vererbtes oder verschenktes Vermögen, und das beläuft sich laut destatis auf 84,4 Mrd. Die restlichen Milliarden, möglicherweise also bis zu 315 Mrd., tauchen nicht auf, weil sie unter den Freibeträgen bleiben. Aus diesen ca. 85 Mrd. versteuertem Erbe generiert der Fiskus 8,5 Mrd. Euro Steuereeinnahmen – also ca. 10%. (Quelle: destatis)

Zum Vergleich: 10% Erbschaftssteuer zahlt man ungefähr, wenn man über den Freibetrag hinaus zwischen 75.001 und 300.000 Euro vererbt. Also sagen wir: Kinder oder Ehepartny erben ein Haus im Wert von 600.000 Euro. (Kinder haben 400k, Ehepartnys 500k frei, macht also einen Rest von 200k respektive 100k. Darauf fallen dann 11% Steuern an.) Fast alle anderen Konstellationen haben deutlich höhere Steuersätze. Das, was versteuert wird, muss sich also auf relativ viele, relativ kleine „Freibetragsüberschüsse“ verteilen, wenn ich hier keinen Denkfehler habe.

Setzt man die Zahlen ins Verhältnis (und akzeptiert die 400 Mrd., die die HBS ansetzt), kommt man auf 8,5 Mrd. von 400 Mrd. Das sind 2,1%. Sind es doch nur 300 Mrd., dann wären das 2,8%. In jedem Fall lächerlich wenig. Man kann also umformulieren: Insgesamt zahlen die Deutschen auf ihre Erbschaften und Schenkungen 2-3% Steuern.

Ein Text, den wir für diese Sitzung lasen, schlägt nun als Stellschraube für ein gerechteres Erbrecht vor, die Freibeträge nur einmalig und nicht alle 10 Jahre zu gewähren und generell große Erbschaften stärker zu belasten. Aus den Mehreinnahmen, die das generiert, könnte man die Freibeträge für entfernte oder nicht verwandte Personen erhöhen – dann könnte ich meiner besten Freundin also auch 50k statt nur 20k schenken, ohne Steuern zu bezahlen. Ich frage mich nun: Kann man aufgrund der vorliegenden Zahlen irgendetwas darüber aussagen, ob das Instrument etwas bringen würde, um Erbe gerechter zu verteilen? Meine Intuition ist: Nein. Aber ich kriege meinen Kopf da nicht ganz drum.

Übrigens: Einen Gender-Inheritance-Gap gibt es wohl nicht, aber bei Schenkungen werden Männer leicht bevorzugt.

Uni: Verpasstes

Ein paar Dinge gingen mir auch durch die Lappen:

Eigenes Haus

Hier habe ich gar nicht viel verpasst, denn der Dozent ist erkrankt. Die Seminargruppe sollte sich dennoch treffen um die Unterschiede ruraler/suburbaner/urbaner Hausverwirklichungen zu besprechen … offenbar kamen sogar 5 Leute zusammen und diskutierten einige Fragen zum Thema.

Emotionsgeschichte

Es ging um Räume und Gefühle, u.a. aus stadtsoziologischer (?) Sicht. Ich bin gespannt, was mir meine Kommilitonys nächste Woche berichten werden.

Lektüren

In Ermangelung von Uni-Programm strickte ich mir selbst welches. Einen Grundstock sieht man im Beitragsbild. Aus der „Archimedes und wir“-Ausgabe habe ich einige Ephemera herausgeklaubt, u.a. Schornsteinfegerrechnungen, eine Einladung zu einer Ausstellungseröffnung 1991 sowie 3 Karteikarten zu „Subjekt“ und „Intuition“ und eine Karteikarte, die wohl der Lektürezettel zu besagtem Buch ist.

Vorbesitzer und Anleger dieses Zettelkastens war wohl ein Tübinger Arzt und Psychoanalytiker. Ich frag mich, ob er die ersten drei Karteikarten des ZK vermisst … leider finde ich aber keine Kontaktmöglichkeiten online.

Die Briefe

Ich werde wohl versuchen, aus den Briefen eine emotionshistorische Hausarbeit zu fabrizieren. So ganz sicher bin ich mir bezüglich der Stoßrichtung und Fragestellung noch nicht. Generell ist mir im historischen Bereich oft schleierhaft, wie man zu Fragestellungen kommt; und auch viele Aufsätze lesen sich eher themen- als problemfokussiert.

Was ich methodisch gerne tun würde:

  • Die Korrespondenz digitalisieren – und zwar idealerweise so, dass beide Korrespondenzparteien (sowie die sporadischen Briefe Dritter, natürlich jeweils ohne die Antwortschreiben) leicht sowohl separat als auch gemeinsam analysiert werden können.
  • Die Korrespondenz analysieren – hierzu lese ich mich gerade in verschiedene analoge und digitale Verfahren ein, würde das aber gerne kombinieren, falls es für eine Fragestellung interessant ist. Fragen an die Korrespondenz könnten sein:
    • (Wie) verändert sich das emotionale Vokabular im Zeitverlauf (anhand von 5 Gefühlsbegriffen und 5 Begriffen des „Paar-Idioms“, etwa Kosenamen)?
    • Gibt es dabei Unterschiede zwischen der Sprache meines Großvaters und der meiner Großmutter?
    • Wodurch lässt sich das jeweils kausal erklären bzw. sinnvoll deuten? (Gibt es externe Ereignisse oder kommunikationsinterne Anstöße?)
  • Damit das historisch wird: Wie schließt die Kommunikation an generelle Strukturen und Einzelereignisse der Zeit an? Etwa:
    • (Makro) Lässt sich hier eine spezifische Liebessemantik des 20. Jhds. nachweisen?
    • (Makro) Finden sich Hinweise auf Emanzipation? (Ja.)
    • (Meso) Finden sich Hinweise auf eine klassenspezifische Kommunikation? Welcher Klasse gehören meine Großeltern eigentlich an?
    • (Meso) Wie nehmen die beiden weltgeschichtliche, deutsche etc. Ereignisse wahr und wie reagieren sie darauf?
    • (Mikro) Welche emotionalen Ereignisse gibt es im unfreiwillig getrennten Paar-Alltag und wie gehen die beiden damit um?

Das alles ist vermutlich viel zu viel für eine Hausarbeit, sodass ich mich beschränken muss. Aber das kläre ich dann in der entsprechenden Sprechstunde.

Bis dahin lese ich mich im unglaublich umfassenden „Handbuch Brief“ ein, gucke mir qualitative Analysetools (MaxQDA, QualCoder, Voyant Tools [danke, Vince!]) sowie ein paar methodische Versatzstücke (generelle Quali-Einführung, dokumentarische Methode, Hermeneutik, Sachen aus der Korpuslinguistik, …) an und scanne probeweise ein paar Briefe. Außerdem habe ich von der Professorin den Tipp bekommen, mir die Liebesbriefanalysen von Christa Ehrmann-Hämmerle (z.B. hier) anzusehen. Das ist alles wahnsinnig spannend – und so überraschend anders als alles, womit ich mich im ersten Semester befasst habe.

Damit ihr heute auch einen Brief habt:

In diesem Brief vom 17.9.1953 geht es u.a. um die Planung für die in ca. 4 Monaten anstehende Geburt, akute Arbeits-Unlust, Familiengeschichten in Deutschland und in Spanien und um das zugewiesene Geschlecht eines Stofftiers. Was man eben so bespricht – kein wirklicher Unterschied zu heute.

Entwurf einer Eigenständigkeitserklärung – und eine Lizenzen-Frage

Nun bin ich also wieder in Schreibprozessen; der Modus

  • Recherchen und Lektüren im Zettelkasten (Obsidian),
  • Schreiben in Markdown-Dokumenten (Obsidian),
  • Satz mit TeXMaker

bleibt bestehen. Ich habe nun aber mal nachgeguckt, was in die „Eigenständigkeitserklärungen“ am Ende mit aufgenommen werden sollte und bin bei diesem Entwurf gelandet:

Hiermit versichere ich, [Name, Matrikelnummer], dass ich diese Arbeit selbstständig verfasst, keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt sowie direkte und indirekte Zitate als solche kenntlich gemacht habe. Die eingereichte Arbeit ist nicht anderweitig als Prüfungsleistung verwendet worden oder in deutscher oder einer anderen Sprache als Veröffentlichung erschienen. Seitens des Verfassers bestehen keine Einwände, die vorliegende Arbeit für die öffentliche Benutzung zur Verfügung zu stellen. Der Satz der Arbeit erfolgte mit \LaTeX.

Womit ich mir unsicher bin: Sollte man hier einen Lizenzhinweis (ich denke an eine CC BY-SA) einbauen? Das Zitatrecht bleibt davon ja unberührt, aber hat das irgendwelche Nachteile? Und gehört ein Lizenzhinweis hierhin oder an eine andere Stelle? Meinungen?

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