Ansbach und Markgrafenmuseum: Anselm von Feuerbach ermordet?

Was in Thüringen geht, geht auch in Franken, und daher habe ich mir ein paar Ziele gesucht, die ich schon ewig besuchen wollte, aber irgendwie nie dazu kam. Aktuell habe ich ja Zeit. Den Anfang machte Ansbach — bequem mit dem Zug vor meiner Haustür erreichbar.

Ich besuchte zwei Kirchen — Johannis und Gumbertus — und wurde jeweils Ohrenzeuge von barocken Orgelproben. In Gumbertus begegnete mir zudem ein Kreuz in Tau-Form mit Schlange:

Dazu habe ich nicht viel gefunden, nur gnostische, alchimistische und eine freimaurerische Seite:

Ein Kreuz in Form eines griechischen Tau (T) mit einer daraufliegenden Schlange in Anlehnung an Moses XXI, 9, ‚Und Moses machte eine Schlange aus Erz und richtete sie auf zum Zeichen‘. Ein in Rittergraden (z. B. Ritter von der ehernen Schlange) übliches Symbol.

Ich bin daher für Hinweise dankbar, ob das nun die Überwindung des Bösen oder die Versuchung darstellen soll. Letzteres hätte ich an einem Altar nicht erwartet. [Update: Wer einige weitere Rechercheergebnisse zu dieser Schlange lesen will, gucke bitte ganz nach unten.]

Markgrafenmuseum

Ein hübsch gemachtes Museum, überraschend groß. Und das, obwohl ich einen Teil des Museums gar nicht besuchen konnte, weil das erst ab Donnerstag eine Sonderschau zum Astronomen Simon Marius zeigt. Es gibt einige gute und teils humorig geschriebene Erklärtafeln, nur leider insgesamt zu wenige. Mich hätten fast überall mehr Details interessiert — was etwa sagt mir eine Prunkrüstung einer Freimaurerloge („Alexander zu den drei Sternen“)? Notabene war ich der einzige Besucher zwischen ca. 11 und 13 Uhr.

Kaspar Hauser & Anselm von Feuerbach

Ein halbes Stockwerk ist der Geschichte von Kaspar Hauser und deren zeitgenössischer und späterer Rezeption gewidmet. Das ist hübsch gemacht und mit vielen Faksimiles und einigen Originalen ausgestattet. Die Theorie, nach der KH ein Erbprinz des Hauses Baden gewesen sei, kann man ganz gut nachvollziehen; und es wird auf jeden Fall klar: Wer und was der Junge wirklich war und was wirklich passierte, war irgendwann ziemlich unwichtig. Allerlei politische, demagogische und diplomatische Interessen kreuzten sich in der schon zu Lebzeiten mythischen Figur (die sich dagegen auch nicht, jedenfalls nicht wirksam, wehren konnte). Vielleicht war KH auch einfach ein Pfarrerssohn, der unter Temporallappen-Epilepsie litt und sich versehentlich selbst umbrachte, wie ein knapp 100jähriger Autor vermutet …? Am faszinierendsten finde ich, wie sehr das Phänomen noch heute fasziniert.

Im PDF zum Kaspar-Hauser-Rundweg „Auf den Spuren Kaspar Hausers“ stieß ich dann noch auf einen merkwürdigen Satz:

Anselm von Feuerbach, befasste sich mit dem Lebensweg des Findlings und entwickelte die ‚Erbprinzentheorie‘. Kurz darauf starb Anselm von Feuerbach unter mysteriösen Umständen. Es ist davon auszugehen, dass er vergiftet wurde. (S. 3, Abruf 13.3.24)

Ich hatte einen Tod durch Schlaganfall im Hinterkopf — und das ist auch das erste, was man beim Googlen findet. Im Frankfurter Personenlexikon wird im Eintrag Anselm von Feuerbachs die Gifttheorie erwähnt, aber verworfen; den Autor, Alfred Kröner, kannte ich über die Ludwig-Feuerbach-Gesellschaft noch persönlich. Aber m.W. ist er vor einigen Jahren verstorben, sodass ich ihn nicht mehr fragen kann. (Dieser Alfred Kröner hatte seine Feuerbach-Expertise übrigens per Seniorenstudium bis zur Promotion erworben — es ist also nie zu spät, auch wenn ich meine Dissertation nicht im Rahmen eines Sabbaticals realisieren können sollte …)

Daher schrieb ich mal an die Ansbacher Touri-Info, Herausgeberin der Broschüre.

Sonstiges

Diese Schwanenkette sieht man auf vielen markgräflichen Portraits, von Frauen wie auch von Männern. Es handelt sich offenbar um den „ersten Ritterorden“ des Hauses Hohenzollern, den „Orden der Ritter Unserer Lieben Frau zum Schwan“, der eigentlich aus dem Brandenburgischen stammt. Um 1500 gründete der Markgraf Albrecht Achilles in Ansbach eine Filiale. Wenn man sich anguckt, wie prominent die brandenburgischen und preußischen Einflüsse in Ansbach noch bis ins napoleonische Zeitalter wirkten, dann wundert einen nicht mehr, dass die Regierung von Mittelfranken hier residiert und nicht in der Bürger- und freien Reichsstadt Nürnberg. Größe hin oder her. Gerade Enklaven wie Ansbach waren es, die auch leicht dafür hätten sorgen können, dass Franken preußisch statt bayrisch geworden wäre … Kontingenz der Geschichte.

Nicht mehr bewusst war mir zudem, dass Ansbach auch für Porzellan bekannt war. Das hätte ich aber wissen können: Der Groschen fiel, als ich las, dass die Ansbacher Manufaktur nach Bruckberg verlegt wurde. Richtig — Ludwig Feuerbach heiratete hier in die Porzellan-Dynastie kurz vor deren Niedergang ein. Feuerbach über Bruckberg:

Bruckberg ist ein kleines […]  Dörfchen, das aber den großen Vorteil hat, daß hier kein Pfarrer und keine Kirche ist. (bruckberg.de)

Fast alle Stücke im Museum scheinen mir darauf hinzuweisen, dass es da an Kaolin mangelte … so richtig weiß ist nur Weniges.


Ein bisschen skeptisch machte mich die Abteilung zu Jägerndorf, heute Krnov, einer ehemals sudetendeuschen Stadt beim südlichen Altvatergebirge. Offenbar gibt es einen Ansbacher Heimat- und Vertriebenenverein, der von der Stadt unterstützt wurde und wird. Nach dem zweiten Weltkrieg siedelten wohl diverse Jägersdorfer in Ansbach an und gründeten den Verein. Alles ist sehr gemäßigt dargestellt, aber während ein paar Tafeln über die Vertreibung vorhanden sind, erfährt man nichts über die NS-Zeit dort. (Laut Wikipedia kamen wohl die meisten jüdischen Jägerndorfer zwischen 1938 und 1945 in KZs um.)

Und abschließend las ich etwas über den protestantischen Brauch, unverheiratet Verstorbenen Kronen auf die Gräber setzen zu lassen — wenn auch nur als Leihgabe der jeweiligen Sakristei.

Nachtrag zur Altar-Schlange

Ergänzung: Gemeint ist auf der Freimaurerseite Numeri 21,4-9, worauf (vielleicht) Joh 3,14-15 Bezug nimmt: „Und wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, auf dass alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.“ Eine Auslegung gibt’s hier: Das Symbol wird wohl „Nehushtan“ genannt. Es wird im zweiten Buch der Könige (18,4) zerstört, weil es der Idolatrie diente. Gnostisch wird es mit den Ophiten, die (diese oder die paradiesische) Schlange verehrten.

Spannend finde ich, dass man damit eine frühe Vorlage des Kreuzes hat: Kommt die Idee, die Erlösung auf einem Pfahl oder Kreuz darzustellen, von dieser Schlangen-Geschichte aus Numeri?

Zur Verwendung im deutschen christlichen Alltag finde ich aber nichts weiter. Immerhin konnte ich recherchieren, dass man so eine Altardecke wohl „Antependium“ nennt. Ich werde mal den Dekan der Kirche anschreiben und fragen, was es damit auf sich hat.


Beitragsbild: Residenz/Orangerie.

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