Gutachten zur Masterarbeit, Kulturarchive und Vermischtes

Was man zumindest ziemlich sicher sagen kann: Menschen finden Berichterstattung über Klimawandel wichtig, wollen selbst aber Berichte über den Klimawandel eher nicht konsumieren. (Sibylle Anderl, Montagsblock 278)

Bevor wir zu Positivem kommen, erst noch was zu Negativnachrichten:

Die Bereitschaft, Klimainformationen in den Sozialen Medien zu teilen, wurde beispielsweise am stärksten durch schockierende Negativnachrichten gefördert. Die schlechten Nachrichten verringerten aber gleichzeitig die Motivation, konkret etwas gegen den Klimawandel zu tun (hier: Bäume zu pflanzen) oder sich politisch für den Klimaschutz einzusetzen. (ebd.)

Kommunikation ist und bleibt also prekär in Bezug auf ihre Ergebnisse.

Gutachten zur Masterarbeit!

Und nun zum Wesentlichen: Ich habe (ohne ungeduldig klingen zu wollen: endlich!) von meinen Gutachtern gehört. Die Beurteilung fiel sehr günstig aus und hat mich sehr gefreut. Nun habe ich auch einen wahrscheinlichen Termin für die abschließende Verteidigung: Mo, 22.7., voraussichtlich per Zoom — leider schaffe ich es wegen allfälliger Geburtstagsfeierlichkeiten an diesem WE nicht bequem nach Jena. Meine Vorbereitung bezüglich der mündlichen Prüfung werde ich hier natürlich ausführlich dokumentieren.

Symposium: »Ohne Erinnerung keine Zukunft. Strategien des Bewahrens in Kulturarchiven«

Von Do, 20. bis Sa, 22.6. fand im Neuen Museum (bzw. beim Institut für moderne Kunst) ein spannendes Symposium zum Thema Kulturarchive statt. Mit nach meiner Zählung 17 Vorträgen war das viel zu viel Material, um es an dieser Stelle darzustellen (das ist ja kein Archiv hier!), aber ein paar Beobachtungen und Bemerkungen:

  • Das Symposium ist einer von drei Bestandteilen eines Großprojekts. Die anderen beiden sind
    • die NMN-Ausstellung „Memory Movers“ von Matthias Böhler und Christian Orendt (die auch beim Symposium anwesend waren und geduldig Fragen zur Ausstellung beantworteten). Wer in Nürnberg weilt, sollte sich die Ausstellung unbedingt mal angucken!
    • die Publikation „Wissensspeicher der Kultur“, eine „spartenübergreifende Bestandsaufnahme, Darstellung und Würdigung der Kulturarchive im deutschsprachigen Raum“. Leider gibt es das nicht als PDF.
  • Ich habe ja weder einen fertigen Kultur- noch einen Archivbegriff, das macht das Nachdenken über Kulturarchive gleichzeitig leichter und schwerer. Vielleicht archivieren Archive Bewahrenswertes, und was bewahrenswert ist, gibt „Kultur“ vor? Bei arthistoricum gibt es aber immerhin eine Liste der Kunst- und Kulturarchive, sodass man sich die Breite bewusst machen kann.
  • Ähnlich verwirrend wie die Archiv-Landschaft sind die Verbandsstrukturen im Hintergrund, aber das kenne ich schon vom Bibliothekswesen.
  • Nur wenige teilnehmende Menschen waren ausgebildete Archivare oder Bibliothekarinnen; die meisten Leute hatten einen Hintergrund in Disziplinen wie Kunstgeschichte, Germanistik und sogar Buchwissenschaft (!).
  • Es scheint diverse Herangehensweisen ans Bewahren und Erinnern zu geben, aber nur wenige ans Vergessen. Bräuchte es das nicht eigentlich auch? Oder passiert Vergessen „automatisch“ qua Selektion des zu Bewahrenden?
  • Die Vorträge changierten zwischen Selbstdarstellung von Archiven und Sachthemen (meist projektbezogen). Mir schien es ein paar Schwerpunkte zu geben:
    • Was kann KI alles für Archive leisten? Etwa: Aufbesserung von Filmaufnahmen, Aufbereitung großer Datenmengen, Darstellung von Videoschnipseln (z.B. in interaktiven Zeitzeugen-Interviews).
    • Inklusionspolitik, von der Sichtbarmachung von Frauen (die in Archiven nur sehr, sehr selten auftauchen) über die koloniale Entstehung von Beständen bis hin zur Frage, ob und wie Tonaufnahmen von Kriegsgefangenen für die Forschung ethisch einwandfrei verwendet werden können.
    • Erfassung in Datenbanken: Da scheint es eine Fülle an verschiedenen Standards und Softwares zu geben. Und ganz wichtig: Erfassung in digitalen DBs ist noch lange keine Digitalisierung der Archivalien!
    • (Urheber-) Recht: Offenbar gibt es viele rechtliche Fallstricke, besonders in Bezug aufs Urheberrecht. Das scheint die Archivarbeit und vor allem die Bereirstellung von Digitalisaten erheblich einzuschränken.
  • Leider fand der Vortrag des Liebesbriefarchivs nur remote statt, sodass ich mich mit der Referentin nicht über meine Briefe unterhalten konnte — siehe unten.
  • Das eduroam-WLAN war sehr stabil und schnell. Merke: Ich muss irgendwie zusehen, in diesen akademischen Sphären zu bleiben, damit ich in Museen und Kultureinrichtungen auch künftigt ein freies, solides WLAN zur Verfügung habe …
  • Interessant fand ich, dass Projekte wie archive.org überhaupt nicht vorkamen. Die meisten institutionellen Archive arbeiten eben weiterhin eher mit physischen Beständen, kuratierter Sammel-Arbeit und aktiver Erschließung.
  • Insgesamt: Sehr unterhaltsam, abwechslungsreich und spannend.

Vielleicht gibt es demnächst mehr zu diesen Themen im dpr Bibliotheken. In der Ausgabe von 2020 hatten wir übrigens ein Porträt des Instituts für moderne Kunst sowie einen Artikel über deren Digitalisierungsprojekt.

Die Briefe zum Dritten

Wie schon öfter erwähnt, liegt bei mir ja noch ein umfangreicher Briefwechsel herum: Mehrere Korrespondenzen meiner Großeltern. Der wichtigste Teil dieses „Bestands“ ist sicherlich der große Briefwechsel 1953/54 zwischen Madrid und Berlin, über den ich eine Hausarbeit schrieb. Aber daneben gibt es noch einige andere, kürzere Korrespondenzen, die ebenfalls historischen Wert haben. So weilte meine Großmutter im August 1961 für einige Wochen in (West-) Berlin, um die Familie zu besuchen, und wurde zur etwas ungläubigen Augenzeugin des Mauerbaus — den mein Großvater von Fürth aus in den Medien beobachtete, ohne ihm größere Bedeutung beizumessen.

Wie kommt der Brief ins Archiv?

Ich frage mich nun seit Längerem: Wie gelangt ein solcher Bestand am besten in ein Archiv? Mein Traum-Szenario: Die Briefe wandern in genau ein Archiv, werden dort digitalisiert, transkribiert und stehen dann für die Forschung zur Verfügung. Unentschieden bin ich, ob ich die physischen Originale gerne zurück hätte oder lieber in einem Archiv wüsste. Für das Archiv spräche, dass man sich dann bei Umzügen, Umweltschäden etc. selber keine konservatorischen Sorgen machen müsste. (Das ist, da ich ja gar nicht der Erbe des Briefwechsels bin, aber gar nicht meine Entscheidung.)

Welche Archive kommen in Frage?

Das Symposium brachte mich nun wieder auf das Thema und zur Folgefrage: Welche Archive für Briefe gibt es, die für einen Briefwechsel „normaler Leute“ in Frage kommen? Das Bundesarchiv etwa sammelt nur  „Nachlässe und Sammlungen von Personen mit überregionaler Wirkung oder Betätigung“. Ich vermute, Berlin/Madrid reicht dafür nicht aus. Ich hatte meine Emotionsgeschichts-Professorin mal gefragt und sie empfahl, sich an die Forschungsbibliothek Gotha und deren Auswandererbriefe-Abteilung zu wenden. Da fand man die Briefe aber nicht ganz passend (ich auch nicht, diese Auswanderung war ja nicht erfolgreich). Die Forschungsbibliothek Gotha hatte meine Mail aber ans Liebesbriefarchiv weitergeleitet; leider hatte ich von dort seit Februar nichts gehört und hake nun noch einmal nach.

Andere Archive, die passen könnten:

  • Deutsches Tagebucharchiv: „Unveröffentlichte Tagebücher, Lebenserinnerungen und Briefe von nicht prominenten Personen werden hier gesammelt, archiviert, fachgerecht aufbewahrt und sowohl der Wissenschaft als auch der Allgemeinheit zugänglich gemacht.“ Leider heißt es zu Briefen einschränkend: „Briefe (nur in Ausnahmefällen und nach vorheriger Rücksprache)“. Hm.
  • Die Museumsstiftung Post und Telekommunikation hat eine Digitale Briefsammlung. Der Schwerpunkt liegt aber offenbar auf Feldpost. (Kontaktdaten)

Und damit endet meine Weisheit. Ich habe nach wie vor das Gefühl, dass diese Korrespondenzen ziemlich interessant sein dürften für Ehevorstellungen, Liebesideale, Geschlechterrollen und deutsches Leben der 50er-70er Jahre generell; aber sie ins Wissenschaftssystem einzuspeisen, scheint relativ schwierig.

OnlyOffice statt LibreOffice?

Seit ich wieder einen Drucker habe, meldet mir LibreOffice beim Öffnen eines beliebigen Dokuments stets:

Es wird auf die Druckerverbindung gewartet. Warten Sie auf die Druckverbindung oder brechen sie die Verbindung ab

Nun ist der neue Drucker nahezu immer aus; ich habe ja extra ein Brother-Laser-Modell gekauft, damit ich es alle 6 Monate nutzen und ansonsten vergessen kann. Diese Meldung muss ich daher jedes Mal aktiv „abbrechen“, damit ich arbeiten kann. Das nervt. Und noch vieles andere an LibreOffice nervt; das Interface ist irgendwie 2012, „Einfügen ohne Formatierung“ klappt nie seamless und bei großen Dokumenten dauert alles Ewigkeiten.

Daher habe ich mich entschieden, nun mal OnlyOffice auszuprobieren und werde berichten, wie sich das im Alltag schlägt. Ich war zuletzt auch von MS Office angetan. Aber die Study-Version, die ich benutze, läuft sicherlich demnächst irgendwann aus und ich habe definitiv keine Lust, Microsoft Geld für Office zu bezahlen — dazu nervt mich daran schon im Job-Alltag zu vieles. Erste Erkenntnis an OnlyOffice: Man arbeitet besser mit xlsx-Dateien als mit ods. In meinem ods-Spreadsheet wurden die Zellenformatierungen und Datenformate einfach nicht gespeichert. Mal sehen, was da noch kommt …

„US ran secret anti-vax campaign to undermine China’s COVID efforts“

Ich lese ja nicht viele Nachrichten, aber wenn, dann klicke ich mich durch Tagesschau, The Guardian und danach Al Jazeera. Im Laufe der Zeit kann man alle diese Media-Outlets einschätzen und sich schon denken, was sie (nicht) und wie sie was berichten.

Besonders spannend sind die Meldungen, die sich auf „seriösere“ Quellen berufen können, aber nur in einem der Outlets auftauchen. Al Jazeera spart systematische sexuelle Gewalt der Hamas aus; The Guardian und Tagesschau berichten erst nach 50.000 Toten über Tigray. Etc.pp.

Heute eine kleine, spannende Reuters-Meldung über Information Warfare der USA. Nur, falls jemand denkt, der „freie Westen“ sei moralisch überlegen oder auf der Seite der Wahrheit™. Die Meldung fand ich (jedenfalls zunächst) nur bei Al Jazeera. Das bestärkt mich in meiner Strategie, bunt in der Gegend rumzulesen – und dann keinem zu glauben.

At the height of the COVID-19 pandemic, the United States military launched a secret campaign to counter what it perceived as China’s growing influence in the Philippines, a nation hit especially hard by the deadly virus, an investigation by the Reuters news agency has found.


Beitragsbild: Vermutlich ein Schlammspringer (Periophthalmus modestus), aufgenommen im Nürnberger Tiergarten.

2 Gedanken zu „Gutachten zur Masterarbeit, Kulturarchive und Vermischtes“

  1. Nochmal Glückwunsch zur guten Zensur!
    Und mit dem Archivieren der Briefe stehst du wirklich vor einem Problem, aber vielleicht tut sich ja noch was.

    Antworten

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