WS24/W02: Fußball, Videospiele und Sprache

Wir sind in gewissem Sinne von Bedeutung eingekreist durch die Worte, die wir wechseln, all die Zeichen, die wir gebrauchen, […] und nicht zuletzt durch das innere Selbstgespräch, das wir fast ohne Unterbrechung mit uns selbst oder mit abwesenden anderen führen.
(Charles Taylor, „Negative Freiheit?“)

Nun geht das Semester also wieder los, krankheitsbedingt etwas verspätet. Und damit auch das Pendeln. Wie zu Beginn jedes Schuljahres und jedes Studienjahres frage ich mich wieder: Wieso lassen wir etwas Neues beginnen, wenn gerade alles grau und dunkel wird …? Das ist ein Zyklus, den man als Kinderfreies im Berufsleben normalerweise gar nicht mehr beobachtet (außer, dass es ja oft nach den Sommerferien auch mit einigen Projekten weitergeht).

Zwei Hinweise noch: Ich habe zuletzt hier zwei Bücher rezensiert,

  • „Annie Besant: Weisheit und Wissenschaft“ (Muriel Pécastaing-Boissière) sowie
  • „Gefühle machen Geschichte“ (Luc Ciompi/Elke Endert). In der Rezension skizziere ich auch nochmal meine Idee von „sozialen Gefühlen“ bzw. Gefühlen als Symbiose der Sprache. Das Buch war furchtbar, aber es hat als sehr anregender Katalysator für die Verschriftlichung meiner Gedanken gewirkt.

Jena

Leider ist hier gerade Schienenersatzverkehr nach Zwätzen, und zwar laut Website der Verkehrsbetriebe bis 21.12. D.h., der Großteil meines voraussichtlich letzten Präsenzsemesters hier wird logistisch (noch) etwas umständlicher und alle Wege dauern länger. Der Bus hier vor der Tür fährt nun auch einige Minuten später (x.39 statt x.33) und damit fast zu knapp, um um (x+1).15 in der Uni zu sein. Naja.

Ungewohnt: Während mein (!) Häuschen hier letztes Jahr um diese Zeit überbelegt war mit Opfern der Wohnungsnot (zwei Doktoranden meiner Vermieterin, zeitweise noch ein Mitarbeiter und sein Bruder, eine ukrainische Geflüchtete mit Tochter und ich), ist es nun leer. Ich weiß nicht, wieso. Zufall? Weniger Wohnungsnot?

Uni

Das Uni-WLAN Eduroam hat mich ausgeloggt. Wieso tut es das jemals? Ewiges Rätseln, welcher Nutzername, welches Passwort — und dann war einfach nur die Internetverbindung des Netzwerks lädiert und es lag gar nicht am Login … am nächsten Uni-Tag ging es einfach.

Sprache und Gesellschaft

Wir haben in einem Text von Charles Taylor gestochert. Ein Zitat, das bei mir hängen blieb:

[Der Zweck der Aussage „Es tut mit leid“ besteht] darin, etwas zu bewerkstelligen, nämlich zur Versöhnung beizutragen. [U]m zu leisten, was es leisten soll, genügt es nicht, Reue zu empfinden, sondern ich muß es sagen und die Reue zum Ausdruck bringen. (Das sprachbegabte Tier, S. 73; Hervorhebungen DS)

Diese Auffassung scheint mir auf dem Kopf zu stehen. Eigentlich ist es doch so: Es genügt nicht, „Es tut mir leid“ zu sagen, sondern die Kommunikation erfordert, dass ich auch glaubhaft mache, dass ich genau das empfinde. Das wiederum kann ich nicht, mein psychisches System ist ja nicht einsehbar, daher hängt der Erfolg an etwas anderem — und zwar an etwas, das mit Sprache und Emotion zu tun hat, etwa mit der positiven, wohlwollenden Gestimmtheit Egos, ob er Alters „Entschuldigung“ annimmt. Falls ich meine MA wirklich über Gefühle als Symbiosis der Sprache schreibe, kommt das vielleicht an den Anfang …

Gleich für nächstes Mal (7.11.) habe ich die Studienleistung „Einführung und Protokoll“ zusammen mit einem Kommilitonen übernommen. Es geht um einen Einführungstext von Sybille Krämer, „Sprache und Sprechen oder: Wie sinnvoll ist die Unterscheidung zwischen einem Schema und seinem Gebrauch?“. Das gibt es als PDF sogar bei der FU Berlin, wie Google verrät. Und im Text wird Luhmann erwähnt, der zusammen mit Derrida, Wittgenstein u.a. als einer derjenigen eingeführt wird, der Überzeugungen „klassischer“ Sprachauffassung in Frage gestellt hat. (Genauer gesagt: Er hat Sprache als Medium aus Lauten begriffen — eine Tatsache, die erst untersucht werden kann, wenn es Schrift gibt; damit ist er sozusagen auch noch „Logozentrismus“-Kritiker, auch wenn Krämer das so nicht ausspricht.)

Fußball

Das ist mein Fußball-Jahr! Zum Beispiel hatte ich dieses Jahr zum ersten Mal einen „Kicker“ in der Hand und war überrascht, dass da genau zwei Seiten zu Frauenfußball drin sind. Von über hundert Seiten. (Dass ich das Heft überhaupt zur Hand nahm, lag daran, dass ich in einem Videodreh für meinen Arbeitgeber nicht ohne Requisite herumsitzen wollte, aber ich schweife ab …)

Eigentlich habe ich ja eine eher Entfremdungs- als eine Resonanzachse zum Fußball … weil der Fußball schon vor 20 Jahren immer unsere Sonntags-Pen-and-Paper-Runden verzögert hat (und das noch heute tut, wenn auch nicht mehr jeden Sonntag). Die anderen 26 Teilnehmys des Seminars hatten da fast alle deutlich mehr Bezug; ich denke, etwa 3 Leute konnten vergleichbar wenig mit Fußball anfangen wie ich. Spürbar war eine gewisse Enttäuschung vom Fußball, vor allem von den großen Vereinen, den Skandalen, der Kommerzialisierung und „Eventisierung“. Einige der auch eingefleischten Fans bezeichneten Fußball als „guilty pleasure“ , quasi als Eskapismus aus Verantwortung, Aktivismus etc. Insgesamt eine spannende Melange, aber tendenziell eher affirmativ. Ich habe eine „Expertygruppe“ im Dezember mitübernommen, in der es um Fußball als Medium geht — schon wieder ein Luhmann-Bezug. Und: Es gibt eventuell eine Exkursion zum „FCC“, ich ließ mir das als „FC Carl Zeiss Jena“ übersetzen.

Weil von verschiedener Seite danach gefragt wurde, was wir lesen: Für nächstes Mal steht auf dem Programm …

  • „Volkstümliche Fußballspiele im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen England“ von Norbert Elias und Eric Dunning. Mir war nicht klar, dass Elias über Fußball geschrieben hat.
  • „Bauernlümmel und rebellische Schüler. Vom Volkssport zum modernen Sportspiel“ von Dietrich Schulze-Marmeling.

Bei Interesse wie immer melden.

Art of Gaming

Eine Arte-Reihe über Computerspiele, deren Themen, Ästhetiken und Kultur. Es gibt ca. 50 Videos, teils auf deutsch (mit Melek Balgün) und teils auf französisch (mit einer Twitcherin namens Trinity). Ich finde die arte-Website oft etwas unübersichtlich, daher empfehle ich, einfach nach dem Thema „art of gaming“ in MediaThekView zu suchen — dann erwischt man alle. Sehr kurzweilig und teilweise lehrreich, mit Bezügen zu Spielen, die sogar ich noch kenne (also aus den frühen 2000ern) und ein Einblick in das, was seitdem passiert ist. (Die Folge über „Vögel im Computerspiel“ fand ich aber z.B. etwas beliebig und nicht sehr aussagekräftig.)

Die Sendereihe erinnert mich auch sehr an Extra Credits, falls das jemand geguckt hat. Hier mal eine direkte Gegenüberstellung am Thema Sex:

Es hat sich also in Bezug auf Sex nicht sehr viel geändert, und das ist ja auch schon eine Erkenntnis. Aber sowohl die Inszenierung weicht massiv ab, als auch die Einschätzung des gesellschaftlichen Stellenwerts von Gaming. Extra Credits war fast noch apologetisch, teils moralisch in Bezug auf sein randständiges Thema; AoG nicht. Das passt sicherlich auch zu den Marktzahlen, die ich hier analysiert habe.

Bonus: Karriere in Nürnberg

(Symbolbild. Danke, Sabine!)


Beitragsbild: Fußball in Jena, Metzger in Jena. Passt.

3 Gedanken zu „WS24/W02: Fußball, Videospiele und Sprache“

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