Finale Entscheidung: Jena oder Erlangen?

Langsam geht es auf Mitte September zu. Zeit für die finale Entscheidung für einen Studienort.

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Unterkunft

Dass sich die Frage hier überhaupt stellt, liegt natürlich daran, dass ich eine Bleibe gefunden habe. (Natürlich nicht über Inserate und Immobilienportale, sondern über jemanden, der jemanden kennt, der jemanden kennt.) Die Wohnung ist nicht ganz zentral, aber sie hat ein paar wesentliche Vorzüge. Der wichtigste Vorzug: Ich kann sie haben! Denn die Suche nach einer Wohnung über die ‚regulären Kanäle‘ blieb bis zuletzt eine Katastrophe.

Symbolbild: jenawohnen und Innungs-Schlachthaus in einem Gebäude.
Symbolbild: jenawohnen im Innungs-Schlachthaus.

Weitere Vorzüge: Das Ganze ist möbliert, mit Internet und allen Energie-, Heiz- und Nebenkosten für 350 Euro im Monat. (Vielleicht steuere ich solidarisch wegen der steigenden Energiepreise noch ein bisschen mehr zu.) Außerdem sind die Vermietenden ausgesprochen sympathisch, flexibel und dialogbereit.

Ein Punkt für Jena – und eine genommene Hürde!

Zug und Pendelei

Der gewichtigste Nachteil, der an Jena bleibt: die Pendelei. Allerdings war unsere Fahrt nach Jena und zurück deutlich angenehmer als im Juni. Vermutlich lag es damals am Beginn der Pfingstferien und vor allem am 9-Euro-Ticket.

Strukturelle Probleme

Allerdings finde ich, man macht es sich etwas leicht, wenn man wie eine Schaffnerin auf der Hinfahrt einfach auf besagtes Ticket schimpft und froh ist, dass es weg ist. Gäbe es einen politischen Willen, den öffentlichen Personenverkehr als Alternative zum Individualverkehr zu etablieren, müsste man natürlich ein bisschen mehr machen, als nur die Ticketpreise zu senken. Man müsste zum Beispiel Takte erhöhen und Züge verlängern (was natürlich wieder zu anderen logistischen, ökonomischen und politischen Problemen führt, klar).

Das wäre allerdings sowieso sinnvoll: Auch diesmal waren die Züge eher voll. Kein Wunder, wenn die einzige Direktverbindung nach Jena nur alle zwei Stunden fährt, und zwischen Bamberg und Jena sogar nur als halber Kurzzug. Ich werde demnächst mal die ICE-Verbindung ausprobieren, die allerdings zum Umstieg zwingt, nur 40 Minuten spart und dafür deutlich teurer ist.

Nebenbemerkung zu Semestertickets

Die „Studierendenwerksbeiträge“ beider Unis enthalten ein Semesterticket. In Jena scheint mir das ein ganz normales Ticket zu sein, mit dem man in Thüringen so gut wie alle Nahverkehrsmittel nutzen kann. Dafür bezahlt man für das Bahnticket 68,50, für das ÖPNV-Ticket 78,50 und für das VMT-Ticket 11,90. (Ich habe nicht versucht, die Unterschiede zwischen diesen Beiträgen zu verstehen.) Das macht insgesamt also 158,90 pro Semester, oder 26 Euro pro Monat. klingt fair.

In Erlangen ist das leider noch undurchsichtiger: Man bezahlt pro Semester 65,60 „Solidarbeitrag“ fürs Semesterticket. (Unter „Solidar-…“ verbirgt sich ja oft Umverteilung von unten nach oben, die von niemandem mehr kontrolliert wird, denn es ist ja „solidarisch“.) Das Ticket berechtigt dann …

… zur Nutzung aller für den Verbundverkehr freigegebenen Verkehrsmittel (S-Bahn, U-Bahn, Tram, Bus sowie Regionalbahn, Regionalexpress und weiteren Nahverkehrszügen der Eisenbahnverkehrsunternehmen sowie Bedarfsverkehre in der 2. Klasse) im VGN-Gesamtnetz *von Montag bis Freitag zwischen 19 Uhr und 6 Uhr des Folgetages sowie ohne Zeitlimit an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen* […]

Also genau für alle Zeiträume, in denen man gerade nicht studiert. Für normale Studienfahrten braucht man ein „Zusatzticket“:

Der Erwerb des Zusatztickets ist den Studierenden freigestellt. Das Zusatzticket berechtigt zusammen mit dem Basisticket ohne eine Ausschlusszeit zu beliebig vielen Fahrten mit den freigegebenen Verkehrsmitteln (siehe Basisticket) innerhalb des VGN-Gesamtnetzes.

Das kostet 207 Euro fürs Semester, also 414 Euro im Jahr. Zusammen mit 2\*65,50 komme ich also auf 686,50 im Jahr fürs VAG-Ticket. Das sind 57,20 im Monat. Aktuell zahle ich knappe 40 Euro, allerdings nur für den Raum Nürnberg/Fürth/Stein und mit Ausschlusszeit ab 9 Uhr. Trotzdem hätte ich mir das irgendwie günstiger vorgestellt für Studierende, gerade im Vergleich mit Jena.

Wie berechnet man „Pendelzeit“?

Ich glaube, nirgends lügen sich Menschen – mich eingeschlossen – so sehr in die Tasche wie bei Wegzeiten. Ich rechne mal ganz blauäugig:

  • Nehmen wir an, meine Frau und ich wechseln uns mit dem Pendeln ab: Die Heimfahrt nach und von Jena kostet dann alle zwei Wochen ca. 8 Stunden. 4 Stunden je Woche.
  • Dazu kommen Wegzeiten innerhalb Jenas von ca. einer Stunde an jedem Uni-Tag. (Das ist vielleicht etwas pessimistisch, aber mit Puffer kommt es hin.) Bei 3 Uni-Tagen also 3 Stunden je Woche

Macht für Jena insgesamt 7 Stunden Wegzeiten pro Woche.

  • In Erlangen entfällt die große Strecke.
  • Dafür brauche ich von meinem Wohnort ca. 1:15 zur Uni und 1:15 zurück. An jedem Uni-Tag also 2,5 Stunden, mit Puffer 3 Stunden. Bei 3 Uni-Tagen sind das sogar 9 Stunden Wegzeiten.

Erlangen brächte also 9 Wochenstunden Pendelei mit sich, und damit überraschenderweise mehr als Jena. Und sofern Nürnberg-Jena-Fahrten in einigermaßen akzeptablen Zügen stattfinden, kann man die Zeit besser nutzen (zum Beispiel zum Schreiben von Blogposts wie diesem).

Übrigens: Aktuell fahre oder laufe ich zwei Mal pro Woche ins Büro im Zentrum, das dauert jeweils 25-60 Minuten je nach Lust und Laune. Ich würde von 1,5 Stunden pro Präsenztag ausgehen. Macht also 3 Stunden.

Insgesamt fällt hier eine Punktvergabe nicht leicht – eigentlich nerven Fahrzeiten ja immer. Daher gibt es für keinen Ort einen Punkt.

Exkurs: Fahrtkosten

Update 25.9.22: Offenbar ist das Günstigste, was man bei rechtzeitiger Buchung als Verbindung nach Jena bekommen kann, die ICE-RE- oder ICE-IC-Strecke über Erfurt. Während die direkte Regio-Verbindung Nürnberg/Jena 23 Euro kostet (und mit Semesterticket auch nichts daran spart), kann man die Verbindung über Erfurt für 17,90 kriegen. (Die Bahncard 25 spart hier übrigens nichts.) Leider bringt die „THOSKA“, also das Semesterticket (s.u.), nichts für die Regio-Verbindung nach Bayern: Die Grenze liegt zwischen Probstzella (Thüringen) und Ludwigsstadt (Bayern). Von beiden kostet die Fahrt nach Nürnberg 23 Euro mit dem Bayern-Thüringen-Ticket. Will man weiter in den Süden, könnte sich das aber lohnen.

Ein kurzer wirtschaftlicher Exkurs: Ich habe mal grob überschlagen, ob es sich lohnt, mein 9-Uhr-Jahresabo in Nürnberg aufzugeben, wenn ich mich für Jena entscheide. Und dabei auch die Kosten fürs Pendeln überschlagen.

Ich gehe dabei davon aus, dass ich 2 Mal im Monat – wie oben skizziert – nach Nürnberg und wieder zurück nach Jena fahre; dass ich dann in Nürnberg je Heimfahrt ungefähr 10 Euro an Tickets verfahre (4 Fahrten bzw. eine Fahrt plus Wochenendticket o.ä.); und dass ich in den Zeiträumen, in denen ich arbeite, dann eine nicht-übertragbare 30-Tage-Mobicard (80 Euro) oder eine übertragbare 9-Uhr-Mobicard (73 Euro) benötige. Alternativ behalte ich einfach mein 9-Uhr-Abo und spare mir Einzeltickets und Mobicards. Das Ergebnis: Beides kostet nahezu dasselbe, siehe Tabelle unten. Vielleicht lassen sich hier noch 100 Euro irgendwo sparen, aber das Ticket aufzugeben ist den Mehraufwand eigentlich nicht wert.

Insgesamt kommt die Pendelei, wenn ich bei der Regio-Verbindung bleibe und nicht auf ICE-Verbindungen oder Mitfahrgelegenheiten umschwenke, auf etwa 1200 Euro bei zweiwöchentlicher Heimfahrt. (Ergo: Dasselbe kommt auf meine Frau zu, wenn sie die anderen Wochen pendelt. Gesamtkosten für unseren Haushalt also 2400 Euro.) Das ist schon heftig für knappe anderthalb Jahre.

Umgebung

Nach der Arbeit das Vergnügen: Zur Kontemplation und Entscheidungsfindung wagten wir uns nach der Besichtigung trotz Regen in die Hügel und Berge um Jena. Man versteht schon, wieso gerade hier in Jena so ambivalente Phänomene wie Naturbegeisterung, deutscher Idealismus, Frühromantik und auch die frühe national(istisch)e Begeisterung für das deutsche Vaterland kulminierten: Es ist nämlich einfach verdammt schön!

Zum Glück wird das alles durch wohlplatzierte antikapitalistische Graffitti konterkariert:

Und auch ansonsten ist die Stadt ganz hübsch:

Insgesamt freue ich mich darauf, diese Umgebung über die kommenden drei Semester hinweg ein bisschen näher zu erkunden. Noch ein Punkt für Jena.

Gefühl

Nachdem die Wohnungsfrage nun geklärt ist, tendiert die Emotio offenbar klar zu Jena. Auch wenn mir das bevorstehende Abenteuer (und die anstehende Arbeit) schon etwas Bange macht.

Entscheidung (Trommelwirbel)

Interessanterweise waren nahezu alle Frauen, mit denen ich meine verzwickte Entscheidungssituation diskutiert habe, pro Jena; die meisten Männer unentschieden oder tendenziell pro Erlangen. Ich weiß nicht, was das bedeutet. Aber es gewinnt Jena.

Und jetzt?

Jetzt warte ich auf meine Immatrikulationsunterlagen, damit ich mich für diverse Kurse anmelden und mein eigentliches Studium planen kann. Und ich warte gespannt auf die nächsten bürokratischen und organisatorischen Hürden, die meiner harren.

 

5 Gedanken zu „Finale Entscheidung: Jena oder Erlangen?“

  1. Juhu! Jena it is! Gratuliere und ich bin mit gespannt!
    Also das mit den Preisen fürs Semesterticket ist echt happig, hat mich beim Lesen jetzt aber nicht überrascht… Ich erinnere mich noch gut an unsere gemeinsame Zeit in ER und wie unfair ich es fand so unverhältnismäßig viel Kohle abzudrücken nur um in Erlangen (nur da in meinem Fall!) Bus zu fahren! Und, wenn ich mich recht erinnere galt das nur in der Vorlesungszeit, NICHT im ganzen Semester! Die genauen Preise weiß ich nicht mehr, aber die Hausnummern, die du genannt hast waren schon auch ungefähr so. Besonders unfair kam es mir ja deshalb vor, weil ich durch Freund:innen auch den Vergleich nach Thüringen und Sachsen hatte, wo man für einen kleineren Preis mit allen Öffis fahren konnte, auch weite Strecken und somit in unserem Fall bis in die Thüringische Heimat. Frech!
    LG Chrissi

    Antworten
    • Ich glaube, da habe ich das bessere Preis-Leistungs-Verhältnis erwischt. Ich kann mit meinem Semesterticket Erfurt erkunden, nach Naumburg fahren, Weimar mal wieder einen Besuch abstatten und natürlich vor allem durch Leipzig tingeln. Wenn mich also die Studieninhalte wider Erwarten doch nicht so fesseln, mache ich einfach Bildungsurlaub wie die Geistesgrößen der deutschen Geschichte 😀

      Antworten

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