WS24/12: Was kommt in die Master-Arbeit?

Ich muss gestehen, dass ich nach Covid und der Weihnachtspause irgendwie noch nicht wieder so ganz an der Uni angekommen bin. Das liegt vielleicht auch daran, dass das Studium ja ziemlich bald vorbei ist und die Tage gezählt sind: Je Veranstaltung kommen noch 3 Sitzungen, und das war’s dann. Vielleicht suche ich mir für kommendes Semester noch 1-2 Blockseminare raus, wenn es etwas Interessantes gibt. Aber meine „Scheine“, wie man das früher nannte, habe ich bald beisammen.

Uni

Umso mehr Zeit bleibt für die Master-Arbeit, und heute gibt es auch mal wieder was zu den Inhalten.

MA-Inhalte

Der Rohentwurf der MA ist so langsam ausreichend weit gediehen, dass klar ist, was reinkommt und was nicht. Das mag sich noch ändern (ich habe ja noch fast 3,5 Monate Zeit), aber bislang würde ich die Arbeit so anteasern („Abstract“):

Gefühle werden für gewöhnlich in den Psychen von Individuen verortet, in manchen Fällen auch in deren Körpern bzw. Gehirnen. Diese Arbeit schlägt einen Perspektivwechsel vor: Gefühle sollten als primär soziale Sachverhalte analysiert werden, um zu einer Einschätzung ihrer kommunikativen, historischen und sozialstrukturellen Bedeutung zu kommen. Dazu wird zunächst anhand der Medium-Form-Unterscheidung in der Fassung Niklas Luhmanns eine Medientheorie der Gefühle entwickelt. Dieses Medium wird verortet als „symbiotisches Medium der Sprache“, wodurch die erregungsverarbeitende organische mit der sinn- und sprachverarbeitenden psychischen und sozialen Ebene verbunden wird.

Als Leistungen des Mediums für die Kommunikation werden vor allem a) die absichernde Gewinnung von unhinterfragbaren Freiheitsgraden, b) die Aushandlung von Individualität und Vergemeinschaftung („Emotional Communities“ und Distinktion) sowie c) die Stützung individueller Identitäten ausgemacht. Eine anhand der Sozialstruktur (Gesellschaft, Interaktion, Organisation, Funktionssysteme) gegliederte Analyse historischer und gegenwärtiger Beispiele soll den Begriff erproben. Dabei steht auch die Frage im Fokus, ob sich durch die postulierte Änderung der Sozialstruktur hin zu einer „Netzwerkgesellschaft“ die Rolle der Emotionen verändert und welche Auswirkungen dies haben kann.

Schlagwörter: Gefühlstheorie, Emotionsgeschichte, Emotionssoziologie, Medium-Form-Differenz, Netzwerkgesellschaft, symbiotische Mechanismen, Systemtheorie

Wer Interesse hat, in der nächsten Zeit Feedback zu einem Entwurf zu geben, möge sich bitte melden! Zum theoretischen Handwerkszeug gehört die Medium-Form-Unterscheidung, die ich letzte Woche hier anhand eines Schneespaziergangs und einer Klaviersonate versucht habe, zu illustrieren.

S&G: Kritische Diskursanalyse (Norman Fairclough)

Wir lasen Norman Fairclough, „Critical Discourse Analysis“. Das ist eine Methode (?), mit der sich Diskurse kritisch analysieren lassen. Duh. Ich kann mich allerdings nicht entscheiden, ob ich das nun trivial finde (a la „alles ist Diskurs“, „alles ist Ideologie“). Wovon unterscheiden wir hier den Diskurs? Oder anders: Wie wähle ich aus, welche Diskurse ich mir kritisch angucke, welche nicht? Unterhaltsam kann die „CDA“ aber sein.

Schönes Beispiel: Kundenkarten (Payback und Co., wobei Fairclough von einem rumänischen Luxus-Möbelladen inspiriert wurde). Diese Karten belohnen Treue, aber „seem to construe the relationship between customer and company as rather like that between courtier and monarch – the latter ‘rewards’ the former’s ‘loyalty’, maybe grants ‘privileges’ in reward for loyalty.“ Wenn ich also das nächste Mal gefragt werden, ob ich eine Payback-Karte will, antworte ich: „Nein danke, ich bin kein Untertan, dessen Treue belohnt werden müsste.“

K&Ü: Aaron Sahr

Lektüre: „Das Versprechen des Geldes“. Wiederum ging es um die Codierung von Knappheit. Sahr bezieht sich auf Luhmann, leitet daraus aber einen praxeologischen „Knappheitsbegriff“ her: U-Bahn-Sitze sind „nicht-kontingent“ knapp, und sie formen unsere Praxis (task, project, end) des U-Bahn-Fahrens (Hinsetzen, Bahnfahren, Arbeitsplatz erreichen). Geld dagegen ist „kontingent knapp“, also müsste nicht knapp sein; und mit dem Wegfall der Golddeckung noch mehr. Die Kontingenz dieser Knappheit führt er anhand von Banken aus, die „ex nihilo“ Geld schöpfen können (durch Kreditvergabe).

Das ist interessant, führt aber irgendwie nur wieder auf die Einsicht: Knappheit ist irgendwie relevant fürs Vertrauen ins Medium, nicht für dessen Funktionsweise. Ob ich jetzt dem Medium „an sich“ wegen seiner „Deckung“ oder beteiligten Organisationen (Banken, Staaten) vertraue, ist doch egal, solange es funktioniert. Genau das aber ist nicht garantiert, und kann es nie sein. Es bleibt sich alles paradox.

Promovierendentag

Ich habe, bevor ich mir vor Zugabfahrt noch eine Waffel in der Mensa-„Zwischenversorgung“ gönnte, drei Vorträgen gelauscht.

Pro und Contra Promotion

Der erste: Promovieren Pro/Contra. Leider gab es da kein Jota Neues; wobei, doch. Als Argumente pro Promotion wurde angeführt: „Mit Promotion haben Sie eine hohe Chance, eine Vollzeitstelle zu bekommen, also eine lukrative große Beschäftigung.“ Wenn das die Messlatte ist, sind wir verloren. Erschreckt hat mich auch (mal wieder) das Thema Einstiegsgehälter in den Geisteswissenschaften: 30k mit Bachelor, 40k mit Promotion. Das scheint mir fast schlimmer als vor 10 Jahren …?
Weiterer Pluspunkt einer Promotion: „Weiterqualifikation“ auch in Richtung Zeit- und Projektmanagement. Dem widerspreche ich; ich kenne die verkrachtesten Doktoren …

Übrigens dauert die Promotion in den Sozialwissenschaften im Schnitt 4,6, in den Geisteswissenschaften 5,1 Jahre. Das ist dann quasi ein eigener Lebensabschnitt. Generell ist aber nicht allzu viel erforscht, vor allem nicht zu Abbrüchen und deren Gründen. Der häufigste ist die „Relevanzkrise“ — man ist nicht mehr überzeugt, dass das Thema die Welt oder auch nur die Wissenschaft voranbringt. Ein bisschen neoliberal endete der Vortrag dann damit, dass es selten an „mangelnder Intelligenz“ hapere, sondern an Dingen, die man lernen könne: etwa Selbstdiziplin …

Finanzierung

Der zweite Vortrag war der mit Abstand interessanteste, auch wenn der Dozent einleitete mit „Finanzierung ist nicht mein Spezialthema, aber ich kenne mich hinreichend aus“.

Man kann grob zwischen Stipendium (s. letzte Woche), Anstellung an der Uni (direkt, in Projekten, an Graduiertenkollegs etc.) und „Eigenfinanzierung“ (Jobben, fester Beruf, Familie, Vermögen, …) unterscheiden. In den Sozialwissenschaften kriegen 24% (!) ein Stipendium, 45% arbeiten an der Uni, 39% arbeiten woanders, 34% kriegen private Unterstützung. Es ist also immer eine Mischkalkulation — wobei mich die ganzen Statistiken nicht überzeugt haben, das ist nicht hochauflösend genug. Es gab jedenfalls jede Menge Links und Tipps, wo man sich über welche Formen und Stellen informieren kann.

Open Access

Der dritte Vortrag machte vor allem klar, dass „Wissenschaft“ einen erheblichen Overhead mitbringt: Man muss Open Access publizieren, und das kann richtig Geld kosten. Z.B. 900-8.000 Euro für einen Artikel in einem Journal; und leicht über 10.000 Euro für ein Buch. Bämm. Aber die Thulb hilft.

So ganz verstanden habe ich — obwohl ich das Thema Scientific Publishing schon im Studium hatte — nie, wieso „Open Access“ eigentlich nicht bedeutet, dass der Text offen und ohne Login für jede Person im Internet steht. Das wäre aus meiner Sicht genau die Leistung des Verlags in dem Fall.

Und?

Falls das was mit Promotion bei mir werden sollte, vermutlich als „Freizeitpromotion“. Vielleicht in 10 Jahren als nächstes langes Sabbatical …? Da muss man dann halt auch alle Publikations- und Reisekosten selber tragen und hat weniger Anschluss an die „scientific community“. Aber die anderen Wege scheinen mir alle nicht so recht gangbar …

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