[Alle Artikel zum Thema Sabbatical finden sich hier.]
Szenario: Man hat irgendwann mal einen Bachelor gemacht, und nach einigen Jahren im Berufsleben stellt man fest, man möchte aus Gründen der persönlichen Weiterentwicklung oder für „die Karriere“ noch einen Master machen. Auf ein stressiges berufsbegleitendes Studium hat man keine Lust. Ein Fernstudium möchte man auch nicht, sondern nochmal „richtig“ studieren incl. lustigem Studentinnenleben. Was macht man dann?
Leider weiß ich das auch noch nicht in jedem Detail, aber ich habe es vor. Daher dokumentiere ich hier, was ich so herausfinde. Der Artikel wird (vermutlich sauber mit Timestamps) aktualisiert, wenn ich etwas Neues herausfinde, oder es erscheinen neue Artikel zum Thema Sabbatical.
Grob skizziert: Ich habe 2012 einen Bachelor in Buchwissenschaft/Soziologie abgeschlossen und möchte nun einen soziologischen Master machen. Nach aktuellem Stand am liebsten Gesellschaftstheorie in Jena, alternativ einfach Soziologie in Erlangen (der deutlich günstigere Plan). Dazu möchte ich in meinem jetzigen Job kürzer treten: Während der Vorlesungszeiten (also etwa 7 Monaten pro Jahr) bin ich abwesend; während der vorlesungsfreien Zeit (also etwa 5 Monaten pro Jahr) arbeite ich wie gewohnt. Da ich eh eine 4-Tage-Woche habe, gehe ich davon aus, dass ich Hausarbeiten etc. nebenberuflich schaffe; andere Studentinnen und Studenten arbeiten aber ja auch in den Semesterferien. Ich sehe das Ganze insgesamt ein bisschen als Elternzeit-Ersatz für Kinderfreie.
Contents
Was man braucht
- Einen Arbeitgeber, der da mitmachen will (oder einen Rechtsanspruch auf entsprechend viele Sabbatical-Abwesenheiten, damit kenne ich mich allerdings nicht aus)
- Geld (zumindest eine gewisse Rücklage oder ausreichend überschüssiges Einkommen, um 2 Jahre lang mit nur etwa 5/12 des normalen Gehalts überleben zu können)
- Zeit (zumindest genug Vorlauf, um das sauber zu planen und abzustimmen)
Zeitplan und Vorarbeiten
Man sollte mindestens ein Jahr vor Studienstart anfangen, sich Gedanken zu machen, wie das realisiert werden kann; ggf. ein bisschen mehr als sonst auf die Seite legen (s.u.: „Was das kostet“); und vor allem mit dem Arbeitgeber sprechen. Im Folgenden gehen wir mal davon aus, dass der AG keine Einwände hat – ansonsten dürfte sich das als schwierig gestalten.
Worum man sich kümmern und was man bedenken sollte
Leider, leider ist „lebenslanges Lernen“ zwar ein zunehmend genutztes Buzzword, aber es beschreibt keine Realität. So gut wie alle Institutionen und Organisationen kommen ins Schwimmen, wenn man von der Schablone
- Schule
- Uni (oder Ausbildung)
- abhängige Beschäftigung (oder wohldefinierte, traditionelle unternehmerische Tätigkeit) [plus Heiraten und Kinderkriegen]
- Rente
abweichen will, selbst, wenn es nur um eine Schleife innerhalb dieser Reihenfolge geht.
Vertragliche Regelung
Wenn der AG zugestimmt hat, dass er diesen Plan mindestens toleriert, sollte das in ein Vertragsaddendum aufgenommen werden. In meinem Fall steht drin:
- Welcher Zeitraum? Es sind sogar die exakten Vorlesungszeiten als „Sabbatical-Zeitraum“ aufgeführt
- Genaue Gehaltsreduktion inkl. Angabe der exakten Beträge – das macht es recht einfach und übersichtlich, nachzugucken, wann man was erhalten wird
- Erläuterndes zur Sozialversicherung (sinngemäß: dass sich nichts ändert)
- Was passiert bei Krankheit?
- Wie berechnet sich der neue Urlaubsanspruch?
- Was passiert im Falle der Kündigung? (Eventuell zu viel oder zu wenig bezahlte Arbeitszeit wird [rück-]vergütet)
Arbeitszeit sinkt
Das ist ja genau, was wir wollen. Aber wie funktioniert das genau?
„arbeitszeit-klug-gestalten.de“ ist zwar eine hessische Initiative, diese Erklärung gilt aber bundesweit:
Sabbatical als Variante von „Jahresarbeitszeit in Teilzeit“
Beschäftigte arbeiten für einen vereinbarten Zeit[raum] (z.B. 6 Monate) in Vollzeit, beziehen aber nur ein Teil des Gehalts (z.B. 50%) und gleiten de[n] Rest des Jahres die so entstandenen Überstunden durch Freizeit ab.
Für meinen Plan erhalte ich also 12 Mal 5/12tel meines Monatslohns und arbeite 5 von 12 Monaten. In meinem Fall reduziert sich der Lohn schon ab dem 24. Monat vor Studienende (also ab dem Juli 2022), sodass ich bereits vor Antritt des ersten Sabbatical-Zeitraums weniger Geld bekomme. Dafür starte ich nach Abschluss des gesamten Projekts sofort wieder mit dem regulären Gehalt.
Gehalt und Urlaubsanspruch sinken!
Natürlich sinkt das Gehalt, siehe auch unten unter „Was das kostet“. Bedenken sollte man aber auch, dass insbesondere in einem Jahr, in dem man nur 5 von 12 Monaten arbeitet, kaum noch Urlaub zur Verfügung steht. Von meinen 22 Urlaubstagen (4-Tage-Woche) erhalte ich dann nur 9 – das ist nicht allzu viel, gerade, wenn man bedenkt, dass man ab und an vielleicht in den Semesterferien zum Studienort kommen muss.
Steuerklassen
Falls man die Wahl hat, kann es sich lohnen, die Steuerklasse zu wechseln: Man bekommt ja über einen längeren Zeitraum weniger Bruttogehalt. Klar, das kann man auch einfach per Steuererklärung am Ende wieder glattziehen, aber gleich etwas mehr netto schadet ja nicht.
Krankenversicherung und Rente
Das Schöne am skizzierten Modell: Man muss sich um nichts kümmern, denn die Sozialversicherung läuft einfach weiter. Man sollte aber bedenken, dass durch das reduzierte Bruttogehalt die Rentenbeiträge sinken, man also weniger Rentenpunkte erhält.
Zulassung
Ich war etwas überrascht, wie aufwändig die Uni-Bewerbungen sind. Für die Masterstudiengänge waren teils Motivationsschreiben, teils Kopien alter Studienarbeiten nötig; für die Immatrikulation wird es noch bunter, da braucht man (teilweise) beglaubigte Kopien von Abi- und Unizeugnis. Unbedingt die Bewerbungsfristen beachten – und nicht wundern, wenn es nach der Frist noch einige Wochen dauert, bis man Antwort erhält. Zudem fand ich keines der „getesteten“ Uni-Bewerbungs-Portale sonderlich nutzerfreundlich und hatte an jeder Uni eine kleine Korrespondenz mit dem Support.
Unterkunft am Studienort (falls der woanders sein sollte)
Dieser Punkt dürfte den größten Kostenblock verursachen (s.u.) – und den größten Schmerz, denn ich hasse Wohnungssuchen. Momentan gucke ich mich per WG-gesucht, Immowelt und mit seelischer Unterstützung durch meine Ehefrau nach Bleiben in Jena um. Man sollte bedenken, dass man während der Prä-Sabbatical-Phase natürlich auch nicht völlig flexibel an den Studienort fahren kann.
Privilegien-Disclaimer: Meine Wohnsituation erlaubt, dass ich während der Studienzeit keine oder nur sehr geringe Wohnkosten am jetzigen Wohnort haben werde. Müsste ich weiterhin mehrere hundert Euro Mietbeteiligung hier bezahlen, würde der ganze Plan deutlich teurer werden. Die alte Wohnung aufzugeben wäre nicht möglich, da ich sie ja in 5 von 12 Monaten im Jahr brauche.
Plan-B-Disclaimer: Wenn ich keine schöne und bezahlbare Bleibe mit verhältnismäßigem Aufwand finde, kann ich den Plan auch immer noch auf die Lösung „in Erlangen einen Master machen“ kürzen. Das spart auch erhebliche Kosten.
Motivation
Momentan fühle ich mich sehr motiviert, den Plan anzugehen; er kostet einiges an Geld (und deutlich mehr, wenn man weiterhin am alten Wohnort eine Bude unterhalten muss), aber er ist nicht unrealistisch. Ein bisschen symbolisches Kapital in Form des Masters, den ich zugunsten von Berufstätigkeit nie gemacht habe, motiviert zusätzlich.
Auf der anderen Seite wäre nichts verloren, wenn ich wieder abbreche: Falls es mir wider Erwarten keinen Spaß macht oder mir eine (erneute) partielle Fernbeziehung zu anstrengend wird, falls irgendwelche widrigen Umstände ins Leben treten oder etwas anderes Unverfügbares passiert, könnte ich jederzeit einfach aufhören. Ich brauche diesen Master nicht, er ist mehr oder weniger ein Hobbyprojekt.
Das sind gute Voraussetzungen für eine hohe Motivation ohne zu viel Druck. Trotzdem kann es sein, dass mich der Plan irgendwann nicht mehr begeistert; was dann? Diese Frage ist Teil der Fragestellung dieses Sozialexperiments.
Was das kostet
Im Wesentlichen: Verdienstausfall plus Mehrkosten.
Verdienstausfall
Der Verdienstsausfall ist leicht zu berechnen; in meinem Fall sind das 7/12 des Jahresbruttos, ich bekomme also brutto nur noch etwa 42%. Das entspricht netto dann relativ genau 50% (wegen der Steuerprogression, wissenschon). Wenn wir uns am Durchschnittseinkommen orientieren, können wir also grob überschlagen:
- Normales Brutto: 3000, normales Netto: 2000 Euro.
- Studienzeit-Brutto: 1250, Netto: 995 Euro.
- Verdienstausfall: Monatlich 1005 Euro. Gesamt: 24*1005 Euro = 24.120 Euro
Das ist natürlich nur ein Näherungswert – basierend auf dem Beispiel-Paar aus meinem oben verlinkten Durchschnittseinkommen-Artikel wird es am Ende einiges vom Fiskus zurückgeben, da der wiederstudierende Partner ja für ein deutliches Gehaltsgefälle sorgt und sich damit das Ehegattensplitting auswirkt. Als erste grobe Faustformel und vor allem für den monatlichen Cashflow reicht es aber.
Mehrkosten
An einem anderen Studienort studieren als am Wohnort kommt natürlich teurer, als einfach am Wohn- und Arbeitsort zu studieren. Nimmt man an, dass man zuhause keine Kosten sparen kann, sind alle am Studienort auftretenden Kosten Mehrkosten. Bei einer Wohnung, Studierendenwerksbeitrag, Kosten für Lernmaterialien, Fahrten nach Hause und Lotterleben-Vergnügungen kommt man schnell auf einen Tausender mehr pro Studienmonat. Der Einfachheit halber rechne ich jetzt mit 500 Euro Wohnkosten, 500 Euro Sonstigem weiter.
Diese Mehrkosten fallen aber ja nicht alle in jedem der 24 Monate an; das letzte Semester kann man vermutlich von zu Hause aus bewerkstelligen, man muss ja nur eine Masterarbeit schreiben. Wohnkosten entstehen also für 18 Monate (was sich reduzieren ließe, wenn man zwischen je zwei Semestern immer neu auf die Suche geht, aber das unterstelle ich hier nicht, denn ich hasse Wohnungssuche). Also rechnen wir 500 Euro für 18 Monate = 9.000 Euro. Insgesamt „studiert“ man aktiv etwa 11 Monate, in denen jeweils nochmal 500 Euro „Sonstiges“ anfallen. Macht 5.500 Euro.
[Update 11.9.22: Die Wohnkosten landen etwas unter dem Prognostizierten. Die Pendelkosten habe ich genauer bestimmt.]
Edit: Thema Steuern (3.9.22) und Absetzbarkeit des Zweitstudiums
Thomas merkt in den Kommentaren korrekterweise an, dass man einen Master als „Zweitstudium“ von der Steuer absetzen kann – und zwar alle Kosten, die rund herum entstehen. Falls während des Sabbaticals das Einkommen zu niedrig ist, um die Kosten direkt voll abzusetzen, kann man das auch als Verlustvortrag gestalten. Und genau hier habe ich gerade noch nicht genug herumgerechnet, um das bewerten zu können, und deswegen hatte ich das aus der ersten Fassung des Artikels auch rausgelassen: Denn in meinem Beispielfall könnte man es ja auch über Ehegattensplitting lösen; der weiterhin arbeitende Partner profitiert ja von der Absetzbarkeit.
Ich bin aber in ersten Rechnungen gescheitert, die beiden Fälle Verlustvortrag auf das nach dem Sabbatical wieder zu erzielende Einkommen, zumal bei unterjährig einsetzendem Sabbatical, mit dem Fall der gemeinsamen Veranlagung zu vergleichen. (Vielleicht läuft das einfach aufs Gleiche raus oder ist sowieso egal? Ich kapituliere mental sehr oft, was Steuern angeht.) Dazu werde ich (nachdem ich die Konsequenzen selber verstanden habe) mal einen eigenen Artikel schreiben und diesen hier aktualisieren.
Eine erste sinnvolle Quelle findet man bei Finanztip.
Gesamt und Cashflow
Unsere vorsichtige erste Näherung beläuft sich also auf
- Verdienstausfall: 24.000 Euro
- Wohnmehrkosten: 9.000 Euro
- Sonstige Mehrkosten: 5.500 Euro
Macht in Summe: 38.500 Euro. Nicht einberechnet ist, dass man sich als Studierendes eventuell hier und da ein paar Euro spart; dass es von der Steuer vielleicht einiges zurückgibt; und dass man diese eher konservativ-hohe Rechnung hier und da noch drücken kann.
Für den Cashflow ist natürlich noch wichtig, wie sich das auf die Monate verteilt und ob man insgesamt mit dem Gehalt über den Kosten liegt. Am besten legt man sich eine Exceltabelle mit 24 Zeilen und allen Kostenpunkten in den Spalten an und bastelt sich eine Prognose.
Aufgemerkt: Diese Zahl klingt erst einmal ziemlich hoch. Auf 24 Monate verteilt kommt man immer noch auf etwa 1600 Euro pro Monat. Das ist sicherlich nichts, was man einfach so mal macht – das bedarf reiflicher Überlegung. Vergleicht man es aber z.B. mit dem alternativen Plan, sein Leben durch ein Kind aufzufrischen, klingt es gar nicht mehr so teuer. Laut DESTATIS geben Eltern für ihr Kind im Monat etwa 750 Euro aus, und zwar, bis es aus dem Haus ist. Die Commerzbank schreibt denn auch vom „Luxus Kind“ und berechnet etwa 150.000 Euro, bis der Nachwuchs 18 ist. In beiden Fällen scheinen mir allerdings weder der Verdienstausfall, den ein Kind normalerweise bei einem Elternteil (lies: im Regelfall bei der Mutter) verursacht, einberechnet – noch die staatlichen Förderungen wie Kindergeld, Elterngeld etc. Das Thema „Was kostet ein Kind“ bräuchte allerdings mal einen eigenen Artikel.
Klar, von einem Kind hat man länger als 24 Monate etwas (im Guten wie im Schlechten). Aber aus kinderfreier Perspektive relativiert das die Zahl schon erheblich.
Hintergrund
Die erste Idee, Soziologie weiter zu studieren, reifte mit der Lektüre von „Unverfügbarkeit“ und „Resonanz“ von Hartmut Rosa im Februar 2021. Seitdem habe ich relativ viele soziologische und sozialwissenschaftliche Bücher und Artikel gelesen (und sogar nach 12 Jahren Pause wieder einen Zettelkasten für Exzerpte und Ideen angefangen, über den ich hier auch mal bloggen sollte). Dass hier wieder vermehrt Artikel im Blog erscheinen, ist – glaube ich – ebenfalls indirekt dem Studienplan zu verdanken.
Hoffen wir, dass diese Motivation bis zum Abschluss anhält 🙂
Knapper Hinweis am Handy getippt: ist dir vermutlich eh schon klar, aber nachdem ich es nicht explizit gelesen habe:
Ein Zweitstudium (dazu zählt auch der Master) kannst du voll als Werbungskosten in der Steuererklärung geltend machen.
Viel Erfolg in jedem Fall!
Hi Thomas, vielen Dank 🙂
Ja, die prinzipielle Absetzbarkeit eines Masters ist mir bekannt. Aber ich bin dann an der steuerlichen Prognose erstmal gescheitert (Verlustvorträge auf das angenommene Gehalt danach im Vergleich zum Ehegattensplitting, z.B., man kann die Veranlagungsart ja ändern). Ein Artikel „Sabbatical und Steuer“ bzw. „Master und Steuer“ steht auf meiner To-Do-Liste, aber dazu habe ich das selber noch zu wenig durchblickt …
Du hast allerdings völlig recht, dass ich das im Artikel erwähnen sollte, es ändert die Rechnung ja ggf. schon (und bei den Kindern erwähne ich Steuerfragen ja auch).
Schöne Grüße!
Dennis