SS23/W05: Deutschlandticket, Merseburg und Sozialwahl

„Sex is engaging in the first rounds. What sustains interest in the long run is political power.“
— Jiang Qing (Ehefrau Mao Zedongs)

Es stellt sich die Frage, wie man eine Woche bemisst, die in einem Sa/So-Blockseminar endet. Also: wann man den dazugehörigen Blogartikel veröffentlicht. Ich habe mich dann aber doch dafür entschieden, bis Sonntag zu warten – when in doubt, just stick to the calendar. Das Resultat: Bei Veröffentlichung scheinen mir die ersten VAs schon wieder unendlich weit weg zu sein.

Uni

Vier Module bringen einen erklecklichen Lektüreaufwand mit sich. Bis auf das Politik-Modul, mit dem ich latent fremdle, ist aber alles spannend. So langsam drückt mich die Prüfungsfrage: Wo, welche Prüfungsart und welche Themen?

Emotionsgeschichte

Heute ein paar Link-Tipps. Unter history-of-emotions.mpg.de gibt es diverse kurze Analysen einzelner emotionshistorischer Befunde. Zum Beispiel eines „Selbstmanagement-Tools“, eines Organizers, der einen zum Erfolg führen soll:

Um zu „wachsen“, um die eigenen „Wünsche“ und „Ziele“ zu realisieren, um beruflich erfolgreich zu sein und sein „Glück“ zu finden, musste man, das meinte in den 1920er Jahren nicht nur der Arbeitsmethodiker Großmann, „guter Stimmung“ sein. Man musste sich für seine Ziele und Aufgaben „begeistern“ können und diese „Begeisterung“ hatte intrinsisch motiviert zu sein. Darüber hinaus waren „Arbeitslust“, „Arbeitsfreude“ und „Liebe“ gefragt, denn diese Gefühle seien, so Großmann, „Hauptvorbedingung für das erfolgreiche Schaffen“. […] Menschen, die nicht willens oder nicht in der Lage waren, ihre Gefühle und ihr Leben „richtig“ zu managen, mussten, wie Großmann meinte, völlig zu Recht schlecht bezahlte, fremdbestimmte, körperlich ruinöse, geistig abstumpfende Arbeiten erledigen.

Und das deutlich vor dem Psychoboom der 70er und der neoliberalen Optimierungswelle! Weitere schöne Texte:

Nächste Woche referiere ich – und muss mich dazu noch einmal intensiv mit dem Konzept „Rechtsgefühl“ befassen, das um 1900 die juristischen Debatten prägte.

AK

Im Affektiven Kapitalismus ging’s um Versicherungen — Versicherungen sind als pseudorationales, in Wirklichkeit aber von Sicherheitsbedürfnissen und Angstgefühlen geprägtes Geschäft ein sehr spannendes Feld für Emotionssoziologie. Außerdem geht es ja meist darum, Menschen Dinge zu verkaufen, die sie nicht brauchen … das erfordert „emotional labor“, also das Evozieren von Gefühlen bei den Kundys und daher auch bei sich selbst.

E&G

Wir diskutierten den Gender Pay Gap, verschiedene Operationalisierungen davon und mögliche Gründe. Spannendes neues Faktenwissen: Eine Frau namens Dame Stephanie „Steve“ Shirley gründete in den 60ern eine erfolgreiche, feministische IT-Firma. Hier ein Video. Nächste Woche gibt es eine Doppelstunde zu Einkommens- und Vermögensverteilung innerhalb von Paaren – das startet dann um 8 Uhr … Eieiei …

Ideengeschichte

In der letztwöchigen VL ging es u.a. um chinesisches Selbstverständnis und die Opiumkriege. Und um die Taiping-Rebellion, einen von 1850–64 andauernden Bürgerkrieg um den Versuch, China zu christianisieren. Er forderte – festhalten – ungefähr 20 Millionen (!) Tote. Ich frage mich, wieso ich davon noch nie gehört hatte.

Mir war ebenfalls unbekannt, dass Maos „Großer Sprung nach vorn“ (aka „tödlichste Hungersnot in der Geschichte“ mit je nach Schätzung 14 bis 55 (!!!) Mio. Toten) zu seiner kurzfristigen, teilweisen Entmachtung geführt hatte – bis zur Kulturrevolution (bis zu 20 Mio. Tote).

Für das Kolloquium lese ich mich gerade in den Themenbereich „Die Rolle der Musik in der chinesischen politischen Philosophie“ ein. Noch kann ich nicht beurteilen, ob diese Playlist (Spotify) authentisch die klassische chinesische Musik wiedergibt, aber sie unterhält ganz gut.

Info-Veranstaltung Master-Arbeiten

So ein Master dauert ja auch nicht ewig. Daher kann man sich schon mal im zweiten Semester über Bedingungen und Möglichkeiten der Master-Arbeit informieren. Die meisten Fragen aus dem Publikum bezogen sich darauf, wie man am besten Fristen ausreizt und die Prüfungsordnung verbiegt … aber ein paar Rahmendaten (Umfang, Zeit, mündliche Verteidigung, wer darf prüfen, wann kann man starten) wurden nochmal bestätigt. Eigentlich kann ich jetzt also auf die Suche nach einem Thema, einer Fragestellung und vor allem zwei betreuenden Menschen gehen.

Wenn ich pünktlich mit dem Sabbatical abschließen möchte, sähe der Zeitplan ungefähr so aus (jeweils der späteste Termin, alles ungefähre Angaben):

  • t-6 Monate zum Monats-Zehnten: Anmeldung = 10.1.24
  • t-1,5 Monate: Abgabe (4,5 Monate Schreibzeit) = ca. Fr, 24.5.24
  • t-2 Wochen: Rückmeldung der Prüfenden mit Gutachten = Fr, 21.6.24
  • t: mündliche Verteidigung = Fr, 5.7.24

Insgesamt gefällt mir diese Rechnung nicht, weil dann von den 4,5 Monaten Schreibzeit anderthalb in meine Arbeitsphase fallen … Aber ich vermute fast, das lässt sich nicht anders machen. Muss ich halt etwas schneller sein.

R&S

Das Wochenend-Blockseminar sorgt dafür, dass ich nun Sa-Do jeden Tag Veranstaltungen habe – ganz schön viel. Die Diskussion über Vorläufer von Marx und Engels – u.a. Hegel, Feuerbach und David Friedrich Strauß – war spannend, bei den französischen „Frühsozialisten“ (die mir alle nichts sagten: Lamennais, Leroux, Reynaud) war ich dann eher raus. Am zweiten Tag lasen wir dann Marx und Engels direkt; spannende Perspektiven, ich frage mich, wie sie die heutige Gesellschaft zwischen säkularen, esoterischen, fundamentalistischen Tendenzen erklärt hätten.

Merseburg

Am Donnerstag schwänzte ich die Politik-Vorlesung. Das gab mir die Gelegenheit zu einem kurzen Ausflug nach Merseburg – einer Kleinstadt (etwa über 30.000 Einwohnys), die von Zwätzen direkt in einer Stunde erreichbar ist. Die Fahrt verlief unspektakulär, mein VAG-Ausweis wurde stillschweigend als Deutschlandticket akzeptiert ohne weitere Rückfragen (außer vielleicht in den Blicken). Was auffällt: Rund um Merseburg ist es deutlich weniger hügelig, fast schon flach.

Dom und Stadtmuseum (ohne 1918-1949)

Das Kombiticket für Dom und Museum Merseburg kostete 7 Euro — allerdings nur für Studierende. Für alle anderen werden 12 Euro fällig, und das scheint mir fast etwas hoch gegriffen … es war dann auch eher wenig los.

Das „Kulturhistorisches Museum Schloss Merseburg“ schildert die Ur- und Frühgeschichte, das Mittelalter, die Reformation, den Barock, die frühe Moderne, den ersten Weltkrieg, die DDR und die Wende. Wer hat aufgepasst? Richtig: Da fehlt ein kleiner Abschnitt zwischen 1918 und 1949. Vermutlich ist in dieser Zeit einfach nichts passiert. (Ich habe natürlich das Museumspersonal gefragt. Das werde noch ergänzt. Ein Schelm …)

Im Dom wurde gerade die Orgel gestimmt; pünktlich zu meinem Rundgang incl. eines etwas pompösen Films über Dom und Stift war sie fertig und ich kam in den Genuss einer längeren Improvisation. Leider war ein Teil des Domgartens abgeschlossen.

Und sonst so?

Insgesamt ist die Stadt eher … verhalten lebendig. Unter den Museen der Stadt findet sich auch eine „KunstTanke“, die mir allerdings etwas suspekt ist … dort laufen irgendwelche Aktionen gegen die staatliche Bevormundung durch Maskenpflicht und es gibt esoterische Lesungen über Naturheilkunde zu Vollmond. Hm.

Man kann noch eine Runde durch den Ortskern drehen oder einen der hübschen Parks besuchen, aber das war’s dann. Daher brachte mich nach 4 Stunden ein Zug zurück in den Norden Jenas.

Religionsbegriff: Ergebnisse

Ich hatte gefragt, was ihr unter Religion versteht. Die Ergebnisse finden sich hier.

Transfer

Deutschlandticket

Es gibt jetzt das Deutschlandticket. Viele sind begeistert, andere finden das too little, too late (analog zur immer noch nicht umgesetzten Legalisierung von Cannabis, statt einfach vor 50 Jahren das Bundesopiumgesetz abzuschaffen, weil Kriminalisierung nur schadet). Ich schwanke dazwischen, was vermutlich auch daran liegt, dass ich jetzt mehr bezahle (49 statt 39 Euro im VGN) und weil ich doppelt bezahle (VGN-Abo plus Semesterticket), da die Uni noch keine Aufstufung des Semestertickets anbieten kann. Bürokratie.

Das Deutschlandticket auf dem VAG-e-Ticket-Ausweis muss man übrigens erst bei einer Kontrolle oder einem Busfahry „aktivieren“ lassen. Habe ich getan. Der erste Test in Jena klappte dennoch nicht – der Busfahrer rief „Technik problem! Fahre!“, und ließ mich einfach mitfahren, genau wie die Zugbegleitys Richtung Merseburg.

Wieso man das DT nicht einrechnen kann, erschließt sich mir auch nicht …

Aber hey, in Berlin läuft’s noch schlechter.

Fahrt nach Thüringen

Eine Stellwerkstötung Stellwerkstörung in Nürnberg kostete mich ca. eine dreiviertelstunde. Zum Glück hatte ich vorher genug Kaffee getrunken, aber auch nicht zu viel. Denn statt in Nürnberg gemütlich in meinen Zug zu steigen, musste ich per U-Bahn nach Fürth fahren und ihn dort abpassen (bzw. einen anderen, der über Erfurt fuhr). Eigentlich kann man ziemlich dankbar sein, dass Nürnberg einen weiteren Fernverkehrsbahnhof in 15 U-Bahn-Minuten erreichbar hat …

Ins Schreiben kommen

Ideal finde ich es immer, wenn ich an 2-3 verschiedenen Texten gleichzeitig arbeiten kann. Ich rede mir zwar immer ein, dass es besser ist, den einen Text „schon mal weg zu haben“, um mich auf den anderen zu konzentrieren, aber produktiver ist es, wenn man bei Blockaden bei einem Thema auf ein anderes ausweichen kann.

In den Modus muss ich allmählich wieder kommen, wenn ich mein Pensum dieses Semesters schaffen will. Idealerweise entstehen während des Semesters ja schon mehrere Arbeiten … die Zeit ist eigentlich da, bislang fehlen die konkreten Themen bzw. Fragestellungen. So ein bisschen bleibe ich durchs Bloggen ja auch im Schreiben (neben Eitelkeit und Tagebuch eine dritte wichtige Funktion), aber das ist ja meist schnoddriger und „oberflächlicher“ als es für eine wissenschaftliche Arbeit erforderlich ist. (Und das Bloggen hat Potenzial, zur Prokrastination zu werden …)

Sozialwahl

Ich habe zwei Briefe bekommen, die mich auffordern, bei einer Sozialwahl mitzumachen. Ich verstehe das nicht ganz und frage mich, ob ich einen von drei resp. fünf mir unbekannten Vereine wählen soll … oder ob ich darauf verzichte, so eine  intransparente Kiste mit meiner Wahlbeteiligung zu legitimieren.

Gibt es irgendwelche Gründe, da mitzumachen?


Beitragsbild: Merseburg.

6 Gedanken zu „SS23/W05: Deutschlandticket, Merseburg und Sozialwahl“

  1. Zu deiner Frage bzgl. warum man da DT nicht bei einer Fernverkehrsbuchung dazu packen kann, hat die Bahn hier eine Erklärung: https://www.bahn.de/faq/deutschlandticket-fv-kombi
    „Bei Verpassen des ggf. anschließenden Fernverkehrszugs ist die Zugbindung nicht aufgehoben und es können keine Erstattungsansprüche geltend gemacht werden.“ Das hat mich auch eher zu einer Entscheidung gegen das Ticket gebracht.

    Ansonsten vielen Dank für die Links zur Emotionsgeschichte, da werde ich mir einige Texte mal bei Gelegenheit ansehen.

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    • Also ich finde das maximal intransparent und scheindemokratisch. Es gibt da wohl auch einen Wahlomat dazu, in dem so Fragen auftauchen wie „Sollen Anträge auf Rente oder andere Leistungen unbürokratisch, kundenfreundlich und fair ablaufen?“. Ich denke, ich werde kein Frei-Porto für den Quatsch verschwenden. (Obwohl — eigentlich wäre das ja sogar aktive Sabotage dieser Scheinwahl? aber das bezahlt dann bestimmt mein Kassenbeitrag …)

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