Mittwochabend und noch kein Blogthema in Sicht? Die Rettung bringen wie so oft die Hügel.
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Naturschutz in Zwätzen
Ein Spaziergang durch die Hügel hinterm Haus, also irgendwie durchs „Himmelreich“ (auch wenn ich der Namensgebung nicht auf die Spur komme), führte mich an einigen Transparenten vorbei: Rettet den Wald. Soweit nichts Neues.
An einer Stelle wurde die Umzäunung auch schon durchbrochen:
Aus dem Briefkasten fischte ich dann einen hilfreichen Erklärtext dazu:
Erstmal: Natürlich (sic) geht es hier nicht um „Natur“, sondern eher um Naherholung und vielleicht ein bisschen ums hiesige Mikroklima für die Anwohnys, also um Kultur. Dann: Was genau diese alte Schießanlage birgt, konnte ich nicht herausfinden, aber nachdem alles umzäunt ist, scheint mir die Gefahr nun eher abstrakt. Was die unterstellte mögliche Nutzung als Bauland angeht: Einerseits braucht Jena weiteren Wohnraum, wie ich selbst feststellen durfte; und natürlich opponieren die Bewohnys von Zwätzen gegen weitere Bebauung – die wohnen ja schon hier und haben daran keinen Bedarf (duh). Andererseits würden dort vermutlich eh nur Einfamilienhäuser entstehen, sodass das für künftige Studys keinen Mehrwert bietet. Ob 15 weitere Häuser dazu beitragen, dass man den ÖPNV hier ausbaut (dringend nötig!), wage ich auch zu bezweifeln. Schwierig. Aber ich bin gespannt, was rauskommt.
Uni
Es fühlt sich schon ein bisschen nach fortgeschrittenem Semester an, vielleicht sogar schon nach einem Semesterende – was vielleicht daran liegt, dass ich viel an Prüfungen denke und mich gerade der Prüfungsanmeldung zuwende.
Der Montag entfiel (wegen Pfingstmontag), also starteten wir mit
Emotionsgeschichte
- Wir lasen Eva Illouz über die wahnwitzigen Ausgaben, zu denen sich eine Frau vor ihrem Third-Base-Rendezvous verpflichtet fühlt. Weirdes Spiel!
- Schlussfolgerung: (auch) Gefühle wurden kommodifiziert und zur Ware Gefühl bzw. zu Gefühlswaren (emodities)
- Außerdem gab es eine Club Med-Analyse; spaßeshalber mal gegooglet: das ist reichlich teuer …
Ausgehend von der Seminardiskussion habe ich ein bisschen über „komplexe“ Gefühle nachgedacht, die gar nicht als solche vorliegen, sondern erst Resultat eines Aushandlungsprozesses sind. Beispiele aus dem Bereich der warenförmigen Emotionen, der „emodities“: Die Sicherheit, die eine Versicherung oder ein Keller voller Prepper-Vorräte suggerieren, das Sicherheitsgefühl, das sie evozieren, existiert nur in Relation zu einem Gefühl der Unsicherheit — der Angst vor einem Mangel, einem Unglück etc. Analog dazu existiert das Gefühl der Entspannung (vor allem in seiner Warenform) nur als positiv konnotiertes Negativ eines Stresses, der — empfunden, behauptet, vermittelt — einer Umwelt zugerechnet wird. Das mag soweit führen, dass man sich Stress sucht, um guten Gewissens entspannen zu können, oder Entspannung sucht, um sich weiter stressen zu dürfen.
Versicherungen und Co.
Versicherungen haben weiterhin ein rationales Moment, wenn man sie als „Wette“ gegen einen ruinösen Großschaden betrachtet, aber häufiger werden sie wohl abgeschlossen, weil sich der (durch einen Vertreter oder eine Vertreterin vermittelte) Abschluss „richtig anfühlt“. Ob man das jetzt „dem Kapitalismus“ als Initiative zuschreiben muss, sei dahingestellt; dafür spricht, dass es intentionale Werbekampagnen zu diesem Zweck gibt und dass wohl keine Versicherung ohne überversicherte Versicherungsnehmende existieren könnte.
Ganz komplex wird es, wenn wir uns ansehen, wie die Pharmazie damit umgeht: Einerseits gibt es reine „Stimmungsmanipulatoren“ wie Antidepressiva (ob sie nun wirken oder nicht und ob die zugrundeliegende Pathologie nun zurecht pathologisiert ist oder nicht). Dann gibt es einen gewaltigen Markt der „Enhancer“, die gar nicht auf ein Weniger an Krankheit gerichtet sind, sondern auf ein Mehr an Gesundheit bzw. Wohlbefinden. Diese werden u.a. mit Self-Care-Argumenten und Mangel-Drohungen, also emotional, beworben.
Und dann gibt es einen Bereich, wo die Emotion auf der Gegenseite liegt. Impfstoffe und Antibiotika werden z.T. sicherlich auch emotional vermarktet, aber viel gravierender ist die Emotionalität auf Seiten der Anti-Vaxxer oder Antibiotikagegnys ausgeprägt.
Emotionen als Waren und als Komplexitätsreduktionen
Zusammenfassend gibt es sicherlich keine Waren, die nicht irgendwo emotionalisiert werden, und keine Emotionen, die nicht kommodifiziert werden. Aber das jeweilige „Konstruktionsgeschehen“ in der Beziehung Ware/Gefühl ist unterschiedlich.
Vermutlich verlässt sich die Kommunikation auf Gefühle, wenn es um Komplexitätsreduktion geht, und schreibt auch den Psychen stets zu, Gefühle als „Heuristiken“, also Komplexitätsreduktion in Entscheidungsprozessen, zu nutzen. Daraus erklärt sich vielleicht auch, dass Gefühle zur Bildung von „emotional communities“ genutzt werden können — auch solche communities sind ja Komplexitätsreduktionen (die im Innern dann wieder Komplexität steigern können), die vielleicht nicht mehr funktionierende Hierarchien (Ständegesellschaft!) durch Gefühl ersetzen. Daher vielleicht auch die Rolle der Gefühle in heutigen Wissensordnungen: „Ich fühle das“ ersetzt „Meiner Meinung nach“ …
A&K: Zwischenresümmee
Meine vorläufige Arbeitsdefinition von „Affektiver Kapitalismus“: die Tendenz, dass bestimmte Bereiche der gegenwärtigen „Lebenswelt“, besonders in den Arbeits- und Konsumsphären, Gefühle als Ressourcen nutzen. Das zeigt sich an „affective labor“, also Arbeit, die mit mehr oder weniger viel emotionalem Einsatz zu bestimmten Zwecken (fremdbestimmt) einhergeht. Das beginnt bei der Maßgabe, als Servicekraft freundlich zu sein (und nicht nur zu wirken), aber es inkludiert auch die Fähigkeit, am eigenen Gig oder Job (und nicht nur an einer wahren Berufung!) Spaß zu haben. Und dazu gehört, dass wir von „Suppression of Emotions“ auf „Management of Emotions“ umgestellt haben.
Dazu ein Beispiel: Hätte man 1970 in einem Vorstellungsgespräch gesagt „Als Mann weine ich nie, daher bin ich stressresistent“, wäre das ein Pluspunkt gewesen; hätte man gesagt „Meine Therapeutin meint auch, dass ich mir das zutrauen kann“, wäre man (vielleicht freundlich) hinauskomplementiert worden. Heute ist es umgekehrt.
Wozu das alles dient? Ich vermute, u.a. dazu, dass man sich gegenseitig vertraut (kommunikativ), aber auch zur Integration des „authentischen Selbst“ (oder wie auch immer man das fassen will). Da spielt die Zuschreibung von Spontaneität und Authentizität an die Gefühle eine große Rolle.
In den folgenden Wochen steht dann eher der „affective consumerism“ auf dem Programm.
E&G
Spannend: Wenn Einkommen innerhalb von (heterosexuellen, dyadischen) Paaren ungleich verteilt ist, wird es eher gemeinsam verwaltet; wenn Vermögen ungleich verteilt ist, wird es eher getrennt. Man kann nun spekulieren, dass Vermögen eher auf Langfristigkeit angelegt ist bzw. gesehen wird, und dass das mit der unterstellten oder befürchteten Kurzlebigkeit der „Lebensabschnittsbeziehung“ kollidiert. Klar, man bestreitet den Alltag zusammen, und ist da auch bereit, zu teilen. Aber den Vermögensstock, die Substanz der eigenen finanziellen Identität, blendet man (vor sich, vor andren, vor Partnerin oder Partner) aus.
Überlegung: Sind dann eigentlich Dividendenaktien (oder andere Einkommen generierende Vermögensobjekte) „egalitärer“, weil das daraus gewonnene Einkommen a) direkt dem ganzen Haushalt zur Verfügung steht und b) beim eventuellen Zugewinnausgleich in Geld (statt erst mühsam zu bewertendem Vermögen) vorliegt?
RuS
Nun habe ich also eine Enzyklika gelesen: Rerum novarum (1891). Ich habe hier absichtlich nicht die bei der Bundeswehr gehostete Fassung Verlinkt:
Vielleicht wäre es doch mal Zeit für Laizismus … Doch zurück zur Enzyklika. Darin analysiert Leo XIII. die Lage der Arbeiter in Folge von Industrialisierung, Verstädterung, Verarmung etc. Und er denkt auch an die Kinder:
Endlich was ein erwachsener, kräftiger Mann leistet, dazu ist eine Frau oder ein Kind nicht imstande. Die Kinderarbeit insbesondere erheischt die menschenfreundlichste Fürsorge. Es wäre nicht zuzulassen, daß Kinder in die Werkstatt oder Fabrik eintreten, ehe Leib und Geist zur gehörigen Reife gediehen sind.
Trotz allem sind Revolution, Abschaffung des Privateigentums, ein starker Staat gegen starke Unternehmen keine Option für Papa Leo. Revolution verstößt gegen die Ordnung der Dinge. Das Privateigentum ist Anrecht eines jeden Menschen (lies: Mannes), auch des Arbeiters; das Eigentum ist sein Lohn in anderer Form. Und der Staat sollte sich darauf beschränken, was kleinere Einheiten nicht regeln können, und etwa auch nicht in die Fürsorge eingreifen, die Sache der Familie sei:
Das sozialistische System also, welches die elterliche Fürsorge beiseite setzt, um eine allgemeine Staatsfürsorge einzuführen, versündigt sich an der natürlichen Gerechtigkeit und zerreißt gewaltsam die Fugen des Familienhauses.
Ab der Enzyklika Quadrogesimo Anno (1931) von Pius XI. wird man das als „Subsidiaritätsprinzip“ verstehen: Alles sollte innerhalb der kleinstmöglichen Einheit organisiert werden. Erst, wenn diese nicht weiter kommt, greift die nächsthöhere Ebene ein.
Und natürlich haben auch die Kirche und religiöse Arbeitervereine ihre Aufgabe, die Leo (wohl noch unter dem Eindruck des Kulturkampfs) verhement verteidigt. Ich habe versucht, das in folgendem Schaubild alles etwas zu illustrieren:
Forschungsprojekt Studienerfolg
Seit November mache ich als Proband bei einem „Studienerfolgsmonitoring“ mit. Das dritte von drei Gesprächen ging nun ins Land – und nachdem ich mein Studium noch nicht abgebrochen habe, gehöre ich quasi zur erfolgreichen Gruppe. Und das mit erst 10 verbuchten ECTS!
Ich kann die Teilnahme an solchen Erhebungen und Befragungen übrigens nur empfehlen, das hilft, strukturiert nochmal eine andere Perspektive auf Uni, Studiengang, Leben, Stimmung, Planung, Hoffnungen, Enttäuschungen und Überraschungen zu werfen. Hoffentlich gibt’s bald Ergebnisse.
Beitragsbild: Transparent auf einer Wiese nahe dem Wald in Zwätzen.
Gibt’s den Text von Eva Illouz irgendwo online? Der würde mich interessieren.
Ich glaube leider nicht, aber ich kann dir da helfen …