Woche 15: Das Ende vom Anfang

Falls es irgendwelchen Philistern nicht klar sein sollte: Das Wintersemester 2022/23 geht zu Ende. Damit sage ich für einige (wenige) Wochen tschüss zu Zwätzen, zu Jena, zu neuen lieben Menschen und zum Studentenleben. Gleichzeitig sage ich wieder hallo zu anderen lieben Menschen, zu Nürnberg – und ab nächster Woche geht es auch wieder mit der Erwerbsarbeit los. Anders gesagt: Ich muss ein neues Alltags-Modul laden. Das kann dauern.

Aber vielleicht hilft ja ein kleiner Rückblick:

Uni: Das schmale Programm der letzten Woche

Es gab keine Lektüren mehr, denn es standen nur „Abschlussdiskussionen“ auf dem Programm. Leider fehlte ich bei zweien davon aus logistischen Gründen, sodass ich nur die letzte Sitzung „Geschlecht und Religion“ mitnehmen konnte (remote wins!). Darin gingen wir die Inhalte aller Sitzungen nochmal durch (präsentiert durch die jeweiligen Referentys, sofern anwesend) und stellten einige Querverbindungen her.

Ranking Veranstaltungen

Ich versuche mal, die Veranstaltungen des ersten Semesters in eine Rangfolge zu bringen – ganz subjektiv, was mir am besten und was mir am wenigsten gefallen hat.

  1. (HS) Religion und Geschlecht in der Moderne (18. bis frühes 20. Jahrhundert): Das Thema sprach mich an, aber ich war dann doch überrascht, wie interessant ich nahezu jeden Text fand, den wir lasen. Insgesamt eindeutig die beste Veranstaltung des Semesters!
    (Note: 1-, weil leider ein paar Mal keine richtige Diskussion zustande kam.)
  2. (HS) Körpersoziologie: Viele interessante Perspektiven auf Körper(lichkeit) und die Gelegenheit, ein bisschen systemtheoretische Überlegungen dazu anzustellen. Bei einigen der Theoriestücke war ich mental ziemlich „raus“ (Butler), bei anderen half die Diskussion (Barad). Insgesamt bleibt hier auf jeden Fall einiges hängen.
    (Note: 2+)
  3. (VL) Einführung in die Ethik – plus Tutorium: Ohne Tutorium und fleißige Lektüre hätte ich hier vermutlich deutlich weniger mitgenommen; solche Texte muss man diskutieren. Ich hätte an sich auch gerne die Klausur mitgeschrieben, statt eine zweite Hausarbeit erarbeiten zu müssen, aber insgesamt hat es sich ganz gut gefügt. Vermutlich werde ich nicht so schnell zu Kant zurückkehren, aber Kant wird irgendwie bei mir bleiben.
    (Note: 2, ein paar mehr Exkurse wären schön gewesen.)
  4. (HS) Gastlichkeit der Sprache: Derrida und Benjamin streuen verunsichernde Erkenntnisse über Sprache(n). Das alleine hätte nicht für einen ‚oberen‘ Listenplatz gereicht, aber die Zusatzmaterialien und der überraschende Bezug zu Etel Adnan beim Besuch des Lenbachhauses haben für neuen Elan gesorgt.
    (Note: 2-, weil ich mir doch sehr oft verloren vorkam in den Texten und das Stochern oft auf nichts hinauslief.)
  5. (VL) Ringvorlesung Gesellschaftstheorie: Sozialpsychologie, politische Theorie, praktische Philosophie, Zeitgeschichte. An sich spannende Disziplinen – aber der Zusammenhang fehlte mir leider.
    (Note: 3)
  6. (LK) Lektürekreis (Agnoli: „Subversive Theorie“): Es ist schön, alle GT’lys auf einem Haufen zu sehen (auch wenn meistens eher nur 15-25 da waren), aber für die Diskussion eines schwierigen und kritikwürdigen Buches waren es meist einfach zu viele Leute. Die Lektürewahl war okay, aber empfehlen würde ich das Buch nicht, weil ich dem Autor nicht vertraue. Die Kritik an der GT-Vorlesung und diesem GT-„Seminar“ zusammengenommen würde ich sagen, ein inhaltliches Seminar „Grundlagen der Gesellschaftstheorie“ mit allen GT-Studys wäre eine gute Alternative zu beidem.
    (Note: 3-)

Insgesamt: Das Studium gefällt mir gut, auch wenn sich mir zu großen Teilen nur sehr implizit erschließt, wie das mit „Gesellschaftstheorie“ zusammenhängt. Aber die Freiheit, lustige Kurse aus diversen Bereichen zusammenzuwählen, gefällt.
(1-, weil doch immer wieder der Zusammenhang fehlt – und das Rüstzeug, den selber zu erschließen.)

Stimmung, Zeitwahrnehmung, Gesundheit

Ich habe ja schon des Öfteren über die Zeitwahrnehmung geschrieben, die mich seit dem Beginn dieses Abenteuers begleitet: Völlig verschoben zum „Alltag“. Meist hatte ich (bis auf jetzt, am Semesterende) den Eindruck, viel Zeit zu haben; mich hat es nicht gestört, spät heimzukommen oder volle Tage zu haben – etwas, das mir während der Arbeitswochen meist viel schlimmer vorkommt. Ich habe das Gefühl, mich auf Dinge einlassen zu können, und bis auf ein paar völlig planlos-leere Tage wurde es mir eigentlich auch nie langweilig.

Die Verwirrung ob der Wochentage hielt übrigens an, ebenso das regelmäßige Erstaunen: Was, das ist schon 3 Wochen her!? Oder auch: Das war heute Vormittag …? Darauf folgte aber fast immer schlichte Akzeptanz; denn was schadet es schon, dass man einen Wochentag nicht zuordnen kann, wenn sowieso jeden Tag etwas Unvorhergesehenes passiert? Insgesamt ist mein „Weltverhältnis“ weniger aggressiv geworden, scheint mir – und ich hoffe, dass ich das auch ein bisschen in den Alltag mitnehmen kann.

Im Gegensatz zu vielen Kommilitoninnen und Kommilitonen war ich übrigens auch nicht krank. (Und auch im Gegensatz zu vielen Kollegys – das bekomme ich über eine Büro-Telegram-Gruppe auch im Sabbatical mit …) Ein paar Mal kündigte sich eine gewisse Schwäche an, war aber immer in den Griff zu kriegen.

Und wie geht’s weiter?

Hier wird es voraussichtlich etwas stiller. Aber natürlich sollen auch die Hausarbeitsphase, die Wahl der Veranstaltungen für das nächste Semester und der Wiedereinstieg ins alte Leben hier dokumentiert werden – allerdings noch in ungeklärtem Format.

N.B.: Die Artikel zum ersten Semester finden sich unter dem Tag „WS 22/23“.


Beitragsbild: Ein Kopierer in der Thulb. Man fragt sich ja schon manchmal, wer solche Texte für Maschinen-Interfaces schreibt und wieso der- oder diejenige keine unregelmäßigen Verben mögt.

5 Gedanken zu „Woche 15: Das Ende vom Anfang“

  1. Glückwunsch zum ersten erfolgreich gemeisterten Semester! Es wirkt von außen so, als hättest du dich hervorragend wieder ins Unileben eingegliedert und sehr viel Spaß dabei.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen