Da der dieswöchige Post zum Studium sonst zu lang wird, lagere ich diese kurzen Notizen zu Monstern einfach aus.
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Gender*in Games
Im Nürnberger Pellerhaus findet noch bis 17.9. eine kleine Ausstellung zu „Gender*in Games“ statt. Zusammen mit 3 Spielys und einem Nicht-Spiely musste ich mir das natürlich mal angucken, um meinen Spiele-Schwerpunkt der Vorwoche fortzusetzen.
Die Ausstellung liefert einen ganz hübschen Überblick über Thematisierungen von Geschlecht in Spielen, sowohl in Computer- als auch in Brett-, Karten- und Rollenspielen. Das Spektrum reicht von „Damsel in Distress“-Erzählungen im Computerspiel (Prince of Persia) über Rollenzuschreibungen (female soldiers, anywhere?) bis hin zur Sexualisierung von weiblichen Charakteren (Lara Croft). Auch mono- und heteronormative Standardbiographien („Spiel des Lebens“!!!) und vergeschlechtlichte Monster-Sterotypen werden angesprochen und durch Exponate veranschaulicht.
Weibliche Monster — und zu wenige Infos
Zu letzterem: U.a. wird Shub-Niggurath erwähnt, die dunkle Ziege mit den Tausend Jungen, in ihrer hermaphroditischen, aber als „Mutter“ und Fruchtbarkeitsgöttin eben doch weiblichen Gestalt. Die These: Weibliche Monsterdarstellungen neigen eher zum Ekel- und Körper-Horror, gerade in Bezug auf Gebären, Menstruation, Sexualität etc. Über den Aspekt hatte ich noch recht wenig nachgedacht (und Shub-Niggurath auch nie als besonders „weiblichen“ Great Old One wahrgenommen). Darüber muss ich also noch weiter nachdenken. Vielleicht ergibt sich daraus ein Thema für … irgendwas. Über „Cosmic Horror und Resonanz“ habe ich ja schon mal eine Kleinigkeit geschrieben.
Zu diesem und auch den meisten anderen Bereichen hätte ich mir insgesamt viel mehr Infos gewünscht. Z.B. wird die These aufgeworfen, dass die Farbzuordnung „Rosa gleich Mädchen, Blau gleich Junge“ eine recht junge Erfindung sei. Leider wird auch dieser Bereich nur angerissen. (Ich hätte das auf die Anfänge der Werbung und der „Freizeitindustrie“ geschoben, bin da aber nicht sicher.)
Eine soziodemographische Grafik, gleich am Eingang platziert, erschloss sich mir auch nicht. Dort wurde die Zielgruppe (?) der „Spielerinnen und Spieler“ als geschlechtlich weitgehend paritätisch und als in der Altersstruktur „durchschnittlich 37“ dargestellt. Da fragt man sich: Was hilft das Durchschnittsalter …? (Außer, dass man weiß, dass es um einige Jahre gegenüber dem deutschen Durchschnitt von 44 Jahren nach unten abweicht.) Und noch wichtiger: Wie genau wird „Spiely“ gemessen? Fällt jemand darunter, der täglich Handy-Games zockt? Zwei Mal im Monat Skat? Drei Mal im Jahr Monopoly mit der Familie? Und kann man diese Leute über einen Kamm scheren?
Ein kleines Fazit
Wie gesagt findet ich, dass einiges fehlt (Stichwort Gamergate) und das wenigste ausreichend in die Tiefge geht. Insgesamt frage ich mich auch, ob sich viele Leute diese Ausstellung angucken, die noch nichts mit dem Thema zu tun hatten — ob die Ausstellung also bei der Sensibilisierung hilft. Ich kann es mir eigentlich kaum vorstellen — ich vermute, die meisten Besuchys werden eher Gamerinnen und Gamer sein, die sich schon mit Sex, Gender und Co. auseinandergesetzt haben. Und für die hält die kleine Sammlung nicht besonders viel Neues parat. Aber wer sich ein paar nostalgische Exponate angucken will, dem sei die (kostenlose) Ausstellung empfohlen!
Hausdrachen und soziale Ungleichheit
Weiter geht’s mit Monstern. Aus einem Buch über Thüringer Sagen:
„Die Hausdrachen trugen heimlich Getreide, Butter, Eier, aber auch Geld und andere Wertgegenstände aus den Nachbarhäusern fort, um sie bestimmten Familien zuzuschanzen. So lieferte dieser Volksglaube eine plausible Erklärung dafür, warum es mit manchen Baunerhöfen im Dorf wirtschaftliche bergab ging, andere hingegen überraschend zu Wohlstand kamen.“ (Gespenstisches aus der Thüringer Sagenwelt, Rainer Hohberg, S. 11-14)
Das war zwar eine Erklärung, aber keineswegs eine Legitimation der Ungleichheit, denn der Vorwurf, der erfolgreiche Hof habe einen Drachen, war „alles andere als ein Kompliment“. Diese „Drachenhöfe“ wurden geächtet und ausgegrenzt.
Drachen und Geschlecht könnte man sich auch mal angucken – ich erinnere mich noch an verschiedene mögliche Drachen-Gegner in Baldur’s Gate 2. Der einzige weibliche Drache, der mir einfällt, war aber m.E. ein sehr gutmütiges Wesen, wo der Ruf der Gruppe sank, wenn man es seines Blutes wegen tötete. Die „bösen“ Drachen waren allesamt männlich. (Und der Endgegner war auch männlich, seine „rechte Hand“ war eine weibliche Vampirin … so viele Stereotype!)
Zum Thema Farbzuschreibung Rot/Blau zu bestimmten Geschlechtern kann ich das Buch „Angezogen – Das Geheimnis der Mode“ von Barbara Vinken empfehlen.
Da wird u.a. darauf eingegangen, dass die aktuell kulturell akzeptierte Farbzuschreibung noch nicht so lang in dieser Form existiert und es eigentlich umgekehrt war; sprich, Jungen/Männern wurde die Farbe Rot und Mädchen/Frauen die Farbe Blau zugeschrieben.
Danke für den Hinweis Ich hab mal in ihr Buch „Die Blumen der Mode“ geguckt und bin da auf spannende Stellen zur Kommodifizierung von Geschlehtsidentitäten (bzw. zur Kommodifizierung von deren Auflösung) gestoßen:
„Die Kritik richtet sich aber letztlich auf eine materialistische, konsumorientierte Haltung, die von der sexuellen Ausrichtung unabhängig ist. Wenn der Metrosexuelle ein Kaufverhalten annimmt, das der Homosexuelle angeblich längst angenommen hat, so bedeutet dies ja nicht zunehmende Toleranz und Gleichberechtigung, sondern zunächst einmal zunehmende Gewinne des Lifestyle-Gewerbes.“ Sie beruft sich da auf den Mode-Journalisten Mark Simpson; das könnte aber auch von Eva Illouz sein, finde ich
Oder auch aus einem Spiegel-Paywall-Interview mit Vinken: „[M]it dem Ende der Ständegesellschaft unterschied Mode nicht mehr zuallererst gesellschaftliche Klassen, sondern Geschlechter. Das Geschlecht wurde zum natürlichsten Unterschied auserkoren. Die weibliche Rolle erschien im Gegensatz zum Mann als eine künstliche.“
Ich finde anhand folgender Textpassage aus „Angezogen“, als ca. Mitte des 19. Jahrhunderts der Anzug zur Kleiderordnung erkoren wurde, kann man vielleicht erahnen, warum sich auch die Farbzuschreibungen wandeln:
„Der Bürger der Moderne trägt gedeckte Farben; anthrazit, nachtblau, dunkelblau. Sollen es hellere Farben sein, dann Grau […] Braun oder beige sind mittlerweile möglich, flaschengrün noch immer grenzwertig. Schwarz ist zunehmend der Abendtoilette vorbehalten. Im Sommer gehen helles Leinen oder Baumwolle. Der Anzugstoff hat stumpf und uni, nicht glänzend oder gemustert zu sein. Vor allen Dingen keine Ornamente auf dem Stoff. Ein dezentes zurückhaltendes Muster – Nadelstreifen – ist erlaubt. […] Hahnentritt oder Schachbrettmuster haben immer einen Hauch von Dandy. Aus dem Kollektiv jedenfalls drängt sich der männliche Körper nicht durch gewagte Farb- oder Schnittvariationen, durch üppige Stoffe wie Seide oder Pelz, durch allerlei Verzierungen, Glitter und Flitter in den Vordergrund, sondern tritt diskret ins Glied zurück. Vor dem gedeckten Hintergrund heben sich einzig die Krawatte als Farbtupfer und die Individualität des Gesichts ab. Alles andere überlässt der Mann auf dem Feld der Mode von nun an den Frauen.“ (S.49-50)
Blau => gedeckte Farbe, nicht auffällig
Rot => Verzierung, knallig, „Farbtupfer“
Oder wenn sie hier Theodor Friedich Vischer (1878) zitiert:
„Unseren Großvätern noch galt als ganz natürlich, daß der eine durch einen roten Rock mit Goldborte und blaue Strümpfe, der andere durch einen grünen mit Silberborte und pfirsischrotgelbe Strümpfe sich hervortun mochte. Wir sind damit rein fertig […], wir haben nur ein müdes Lächeln, wenn einer durch anderes als sich selbst in seiner Erscheinung sich herausdrängen will (…) Obwohl diese Scheinlosigkeit des Männerkostüms wenig über ein halbes Jahrhundert als ist, kann man doch sagen, sie bezeichne recht den Charakter der Mode, nachdem aus ihr geworden, was ihrer Natur nach im Laufe der Zeit werden mußte.“
Ich muss meinen Post wohl revidieren. Im genannten Buch habe ich die Stelle nicht finden können. 🙁 Vielleicht wurde es mal in einem Artikel im Zusammenhang mit diesem Buch erwähnt. Ich war mir eigentlich ziemlich sicher, die Info hieraus gelernt zu haben.
Dafür habe ich diesen Auszug aus einem Interview gefunden (deutschlandfunkkultur):
„Welty: Vielleicht hat man ja auch deswegen das mit dem Rosa und Hellblau erfunden, damit man nicht immer fragen muss: Ist es ein Junge oder ist es ein Mädchen?
Vinken: Ja genau, das legt natürlich die Geschlechtsidentität fest, und im Übrigen waren noch im 19. Jahrhundert die Jungen rot oder rosa und die Mädchen hellblau wegen der Madonna. Also, auch diese Sachen haben sich sehr stark geändert und da gibt es große Wandlungen. Und gut, für uns ist jetzt eben hellblau: It’s a boy! Und rosa: Es ist ein Mädchen!“
Finde es aber echt spannend, dass hellblau auf die Madonna zurückgeht! 🙂
Ja, das klingt genau nach dem, was in der Ausstellung gesagt wurde, oder?